Dr. Kerstin Stauner
Der Hallux valgus ist definiert als die laterale Abweichung der Großzehe im Grundgelenk.
Er stellt in der modernen Fußchirurgie die am häufigsten behandlungsbedürftige Entität
dar. Es handelt sich um eine Deformität und Funktionsstörung des wichtigen ersten
Fußstrahles, über den in aller Regel etwa 40% der Mittel- und Vorfußbelastung abgewickelt
wird.
Zur Behandlung des Hallux valgus stehen zahlreiche operative Verfahren zur Verfügung.
In den letzten 100 Jahren wurden mehr als 150 Operationsmethoden entwickelt und publiziert.
In unserer Klinik werden jährlich über 200 Vorfußkorrekturen durchgeführt.
Im Wesentlichen unterscheidet man je nach Ausprägungsgrad der Fehlstellung sowie Kongruenz
im Metatarsophalangealgelenk (MTP) drei verschiedene Korrekturprinzipien:
1. Bei inkongruentem MTP-Gelenk mit Intermetatarsalewinkel über 11°: die basisnahe
Metatarsale-I-Korrektur-Osteotomie mit distalem Weichteileingriff (laterales Kapselrelease
und mediale Raffung der Grundgelenkskapsel unter Einbeziehung der Abductor hallucis-Sehne.
2. Bei kongruentem MTP-Gelenk: Prinzip der subkapitalen Osteotomien.
3. Die diaphysären Osteotomien (z.B. Scarf) als Kompromiss zwischen 1 und 2. Eine
Kombination der genannten Methoden ist möglich.
Gemeinsam ist allen Techniken regelhaft die Notwendigkeit einer Raffung der medialen
elongierten Grundgelenkkapsel unter Einbeziehung der meist dislozierten M.-abductor-hallucis-Sehne
mit oder ohne lateralem Weichteilrelease, je nach Ausprägungsgrad der Fehlstellung.
Ein Problem stellt die in der Literatur bis zu 25% angegebene Rezidivhäufigkeit aufgrund
eines Korrekturverlustes bei knöchernen Eingriffen wie auch aufgrund der Elongation
der medialseitig gerafften Kapsel dar).
Ein weiteres Problem der Hallux- valgus-Chirurgie stellt die Gelenk-(teil-)steife
dar. Postoperativ ist daher zur Erreichung einer guten Bewegungsfunktion eine funktionelle
Nachbehandlung anzustreben. Insbesondere bei den basisnahen Osteotomien mit einem
Intermetatarsale-I/II- Winkel > 15° liegt häufig eine erhebliche Spannung auf der
frisch vernähten medialen Kapsel trotz ausgiebigem lateralen Weichteilrelease vor,
zudem ist oftmals die Kapsel ausgedünnt bzw. bereits vorbestehend rupturiert. In diesen
Fällen besteht die erhöhte Gefahr eines Korrekturverlustes aufgrund Nahtinsuffizienz
bei funktioneller Nachbehandlung.
Der Seniorautor G.L. hat ein flexibles externes System entwickelt, welches das Problem
des Korrekturverlustes in der unmittelbar postoperativen Phase durch Insuffizienz
der frisch vernähten medialen Grundgelenkkapsel zuverlässig vermeidet und eine problemlose
funktionelle Nachbehandlung erlaubt. Im Folgenden wird dieses einfach zu handhabende
System vorgestellt.
Eigene Operationstechnik
Als Zugangsweg wird die mediale Inzision über der Pseudoexostose gewählt. Anschließend
wird nach Durchtrennung des Subkutangewebes auf der medialen Kapsel hinreichend weit
nach dorsal und plantar präpariert. Daraufhin wird die Kapsel U-förmig eröffnet und
der knöcherne Eingriff durchgeführt. Danach wird bei meist deutlichem medialen Kapselüberschuss
quer ein bis zu ca. 10 mm breiter Kapselstreifen reseziert. Anschließend wird die
mediale Kapsel mit durchgreifenden Nähten fest vernäht. Bei gleichzeitig bestehender
Hallux-valgus-interphalangeus-Bildung stellen wir großzügig die Indikation zur Akin-Osteotomie
bei gravierender Fehlstellung. Wenn lateral nach der Akin-Osteotomie die Kortikalis
steht, ist neben der elastischen Fixation keine zusätzliche Osteosynthese erforderlich
(vgl. u.). Mit der elastischen externen Fixation zeigt diese Osteotomieform eine sichere
knöcherne Konsolidierung. Es werden daraufhin je ein Kirschner-Draht der Stärke 1,8
mm proximal und distal des Grundgelenkes von medial eingebracht. Nach dem Hautverschluss
und Anlage eines sterilen Verbandes wird auf die Kirschner-Drähte ein Adapter aufgebracht
und ein elastischer Ring darüber gespannt (Abb. [1]).
Abb. 1: Falldarstellung: 56-jährige Frau mit ausgeprägter Hallux-Valgus- und Spreizfußbildung
bds. und Hammerzehenbildung DII bds., links betont. a) Klinischer präoperativer Befund.
b) Klinischer postoperativer Befund, nach komplexer Vorfußkorrektur und reizfreiem
Sitz der elastischen Fixation. c) Radiologischer Befund präoperativ mit ausgeprägter
Hallux-Valgus-Bildung, Dislokation des med. Sesambeines und Verbreiterung des Intermetatarsale-I/II-Winkels.
d) Radiologischer Befund 1 Woche postoperativ nach Pseudoexostosenabtragung, med.
Kapselraffung, closed-wedge Metatarsale-I-Osteotomie mit Schrauben- und Kirschner-Drahtosteosynthese,
Akin-Osteotomie, Anlage der elatischen Fixation, extendierender Weilosteotomie DII,
Osteosynthese mit Kleinfragmentschraube und OP n. Hohmann DII und transartikulärer
Kirschner-Drahtfixation.
Durch die Verwendung von Gummiringen verschiedener Shore-Härten und -Längen kann die
Stellung im Grundgelenk bis zur definitiven Weichteilheilung individuell beeinflusst
werden.
Mit der elastischen externen Fixation ist dadurch die medial geraffte, vernähte Kapsel
zuverlässig geschützt und eine funktionelle Nachbehandlung somit ohne weiteres möglich.
Eine ggf. durchgeführte Akin- Osteotomie kann durch die elastisch externe Fixation
sicher knöchern konsolidieren.
Das System ist universell anwendbar, unproblematisch zu handeln und findet seitens
der Patienten große Akzeptanz, nachdem der Patient hier aktiv mitwirken kann und auch
postoperativ die Stellung der Großzehe beeinflusst werden kann. Die Mobilisation mit
einem Vorfußentlastungsschuh ist mit diesem System bei geringem Platzbedarf möglich.
Weiterhin ist das vorgestellte System einfach mit einem Fixateur externe zu koppeln,
der zur Osteosynthese nach Metatarsale-I-Osteotomien verwendet werden kann (Abb. [2]).
Abb. 2: Möglichkeit der Koppelung des elastischen Fixationssystems mit einem Minifixateur
externe zur Osteosynthese nach Metatarsale-I-Osteotomie.
Der externe elastische Kapselschutz wird für 4 Wochen belassen und kann dann ohne
Mühe durch Zug der Kirschnerdrähte entfernt werden.
Insbesondere für die ambulante Vorfußchirurgie mit unmittelbarer Abhängigkeit des
Operateurs von der Compliance des Patienten hat das vorgestellte System eine hohe
Relevanz. Inwieweit sich dadurch die Operationsergebnisse verbessern lassen, wird
eine derzeit durchgeführte prospektive Studie zeigen.
Literatur bei der Verfasserin.
Kerstin Stauner, Georg Liebel, Günther Zeiler, Alexander Schuh
Orthopädische Klinik Wichernhaus, Rummelsberg, Schwarzenbruck