Auch ein Blutalkoholgehalt von 0,6‰, wie er in vielen Ländern beim Fahren derzeit
noch erlaubt ist, kann die Fahrtauglichkeit schon erheblich einschränken. Dies zeigen
Untersuchungen von PD F. Schmähl, Oberarzt an der HNO-Klinik der Westfälischen Wilhelms-Universität
in Münster (Direktor: Prof. Dr. W. Stoll), für die er vor kurzem den höchstdotierten
deutschen Preis für HNO-Heilkunde, den Hennig-Vertigo-Preis 2004, erhalten hat. Schmähl
befasste sich mit der Auswirkung des Alkohols auf die Blickfeldstabilisierung. Ein
kompliziertes Wechselspiel zwischen Gleichgewichtsorgan und Gehirn sorgt beim gesunden
Menschen dafür, dass ihm nicht schwindlig wird.
Eine wichtige Funktion haben dabei die Augen. Sie erhalten aus dem Hirnstamm die vom
Gleichgewichtsorgan empfangenen Informationen, ihre Muskeln bewegen dann den Augapfel
exakt entgegen die Bewegung von Kopf oder Körper und halten so das Blickfeld stabil.
Die drei Bogengänge im Gleichgewichtsorgan registrieren Drehbewegungen, die Otolithenorgane
sind für lineare Bewegungen zuständig. Störungen des vestibulo-okulären Reflexes führen
dazu, dass Bilder auf der Netzhaut verwischen und ein scharfes Sehen nicht mehr möglich
ist.
Schmähl konzentrierte seine Untersuchungen auf die von den Otolithenorganen registrierten
geradlinigen Bewegungen und konstruierte für die Untersuchungen zusammen mit Prof.
Stoll einen Hubstuhl, mit dem die Blickfeldstabilisierung gemessen werden kann. Bei
der Untersuchung der Frage, in welchem Maße Alkohol die Ergebnisse beeinflusst, wurden
die Probanden zunächst auf einen Alkoholspiegel von 0,6-0,7‰ gebracht. Die ernüchternden
Ergebnisse: Im Ruhezustand konnten die leicht alkoholisierten Probanden die auf einem
Bildschirm dargebotenen Zahlen zu 100% erkennen, bei Auf- und Abbewegung aber nur
noch zu 75%. Nüchterne Probanden hatten keine Probleme.
Die Analyse zeigt, dass bei den alkoholisierten Probanden die Augenbewegung der Bewegung
des Stuhls zu spät folgt. Die normale Latenzzeit von 20-30 Millisekunden hatte sich
mehr als verdoppelt. Auch wenn es nur Verzögerungen im Millisekundenbereich sind -
in Verkehrssituationen kann dies entscheidend sein.