Seit der Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen der strukturierten Behandlungsprogramme
Disease-Management-Programmen (DMP) sind nun fast zweieinhalb Jahre vergangen. Auch
wenn zu ihrer Effektivität oder sogar zum Fortbestand unterschiedliche Vorstellungen
gesundheits- und vor allem standespolitischer Natur bestehen, so gehen die Hersteller
von Praxisverwaltungssoftware (PVS) davon aus, dass die DMP-Programme ausgeweitet
werden.
PVS-Hersteller setzen auf DMP-Ausweitung
PVS-Hersteller setzen auf DMP-Ausweitung
Die anfänglichen Wogen der Empörung um das komplizierte Ausfüllen von Dokumentationsbögen,
unter anderem um missverständliche Formulierungen haben sich etwas geglättet. Nicht
zuletzt, weil es ab Mitte 2004 einige deutliche Vereinfachungen gegeben hat. Hausärzte,
die an einem DPM teilnehmen wollen, werden sich mit ihrer zuständigen KV in Verbindung
setzen und einen Vertrag abschließen. Die Voraussetzungen sind auf den meisten Homepages
der KVen nachzulesen und beinhalten eine umfangreiche Fortbildungsverpflichtung, Einschreibungsprozedere,
Patientenschulungen, Dokumentationsintervalle, Vergütungen etc. (Beispiel: www.kvno.de/mitglieder/kvnoaktu/03_08/diab_faq.html). Ihnen wird dann außerdem mitgeteilt, welche Datenstelle zuständig ist. Zu dieser
werden die DMP-Bögen per Post oder Datenträger zur Datenerfassung geschickt.
Standardisierte Behandlungsschemata in den USA
Standardisierte Behandlungsschemata in den USA
DMP, eine Kreation der US-amerikanischen Pharma-, Diagnostika- und Medizintechnik-Industrie
aus den 80er Jahren (1, 2), soll aus Sicht dieser Industrien mittels standardisierter
Behandlungsschemata den Produkteinsatz am Patienten „optimieren” und ist aus gesundheitspolitischer
Sicht in den USA bereits nach zehn Jahren gescheitert - die Kosten steigen trotz (oder
eher wegen?) DMPs kontinuierlich weiter (3). Die überbürokratisierte DMP-Umsetzung
in Deutschland dient hingegen primär der absolutistischen Gesundheitsverwaltung, weniger
Patienten oder Ärzten. Dies zeigt sich selbst dort, wo Ansätze zur Qualitätsoptimierung
der Versorgung mit einfachsten Mitteln möglich wäre, zum Beispiel der praxiseigenen
Praxisverwaltungssoftware (PVS). Diese enthält zwar mittlerweile einige notwendige
Werkzeuge („DMP-Module”), um die bürokratischen Erfordernisse der DMP-Programme etwas
leichter zu überbrücken (eine KV meldet gerade stolz: „... nur noch etwas weniger
als 50 % der DMP-Dokumentationsbögen sind falsch ausgefüllt! ...”). Doch die mittels
der gleichen Software mögliche Optimierung der individuellen Patientenversorgung ist
für Software-Hersteller offenbar uninteressant.
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Garrido MV, Busse R (TU Berlin). Are Disease Management Programmes effective interventions
for improving the quality of health care delivery for the chronically ill? Berlin,
2003 (www.wm.tu-berlin.de/~mig/files/2003/projekt_HEN_Disease-Manag.pdf)
-
Lauterbach K. Die neuen Disease Management Programme der GKV - effektiver und solidarischer
als amerikanische Managed Care Konzepte. SPW - Zeitschrift für sozialistische Politik
und Wirtschaft 2002; 125 (3) (www.spw.de/125/gkv_programme.htm)
-
NN (OTS/news aktuell). Vorbericht zum Symposium „Disease Management: Qualitätsorientierung
und Evaluation im deutschen sowie amerikanischen Gesundheitswesen” am 11.3.2005, Landesvertretung
Schleswig-Holstein in Berlin. Rendsburg, 26.1.2005 (www.presseportal.de/story.htx?nr=640900)
D2D (Doctor-to-Doctor)
D2D (Doctor-to-Doctor)
Auch wenn technische Möglichkeiten zur direkten, abgesicherten Online-Versendung von
Daten zum Beispiel über die so genannte D2D (Doctor-to-Doctor)-Schnittstelle besteht, so sind diese noch relativ selten im Einsatz.
Vorreiter der geschützten Praxisrechner-Serververbindung ist die KV Nordrhein (www.kvno.de). In Nordrhein gibt es bislang nur 100 Ärzte, die sich für diese moderne Datenübertragung
entschieden haben. Wegen der hohen Auflagen zur Sicherung der Computer-Kommunikation
sowie den technischen Anforderungen ist vielen Ärzten diese Option zu teuer. Im Bereich
der KV Bayern hingegen müssen alle Bögen digital erfasst werden, beispielsweise über
das DMP-Portal der KVB (via KVB-SafeNet, Demo: 195.227.134.183, Kennung: testuser05, Kennwort: testuser95). Der KVB-Vorsitzende Dr. Axel Munte freut
sich jetzt über maximal 3 % falsch ausgefüllte Bögen und dadurch viel gesparte Zeit,
die letztlich auch den Patienten zugute kommt.
DMP-Bögen Standardprocedere
DMP-Bögen Standardprocedere
Die meisten DMP-Bögen werden bundesweit immer noch ausgedruckt, mit Hand ausgefüllt
und per Post verschickt. An die Dokumentationsbögen zu gelangen ist kein Problem:
Alle Softwarehersteller haben sie in die DMP-Module ihrer PVS integriert. Doch selbst,
wenn sich Arzt oder Helferin an die Bögen gewöhnt haben, schleichen sich leicht Fehler
beim Ausfüllen ein. Wurde ein Kreuzchen oder ein Untersuchungswert vergessen oder
Regeln der Plausibilität nicht beachtet (Beispiel: Nichtraucher - zum Raucherentwöhnungsprogramm
angemeldet), prompt wird der Bogen von der Datenstelle zurückgesandt. Ein- bis dreimalige
Rückläufe pro Bogen kommen durchaus vor. Dann ist der Ärger vorprogrammiert: Der hohe
Zeitaufwand (25-30 Minuten/Dokumentation) steht in keinem wirtschaftlichen Verhältnis
zur Kostenerstattung. Für die Erstdokumentation erhalten Ärzte 25 Euro, für die nachfolgenden
15 Euro. Ist der Fehler beim Rückläufer gefunden und korrigiert, muss das Dokument
ein weiteres Mal eingeschickt werden.
DMP-Bögen mit PVS
DMP-Bögen mit PVS
Als Alternative zum händischen Ausfüllen bietet sich die Computerunterstützung an.
Entweder als singuläre Lösung ohne PVS-Einbindung. Zum Beispiel bietet die KV Westfalen-Lippe
eine Erst- und Folgedokumentations-Software mit Plausibilitätsprüfungs-Möglichkeit
(Diabetes Typ 2) zur Online-Nutzung oder als Windowsprogramm zum kostenlosen Herunterladen
an (www.kvwl.de/ arzt/q_sicherung/dmp/plausi_erst/dmp_flash_true.html). Ähnliches bietet das Pharmaunternehmen Merck mit der kostenpflichtigen Software
„Qmax DPM” (siehe Tabelle). Dieses Programm erlaubt immerhin die Datenübernahme aus
der Arztpraxissoftware via BDT. Da sich jedoch 85 % der Ärzte schon für ein PVS entschieden
haben, sollten sich diese an ihre PVS-Ansprechpartner wenden und Informationen über
bereits vorhandene integrierte Lösungen einholen. Denn die meisten Hersteller haben
selbst oder mit Partnerhäusern DMP-Module entwickelt, die die Arbeit im Rahmen der
jeweiligen PVS erheblich erleichtern. Rund 50 solcher Lösungen sind bislang von der
KBV zertifiziert. Die Kosten unterscheiden sich je nach Hersteller: Einige haben ein
DMP-Extramodul entwickelt, das auch extra bezahlt werden muss. Teilweise sogar mit
monatlicher „Pflegepauschale”, mit der immer wieder nötige Modul-Erweiterungen oder
nötige Updates bezüglich der DMP-Dokumentationen bezahlt werden. Andere PVS-Anbieter
bieten ihre DMP-Module ohne weitere Kosten an. DMP-Updates werden mit dem allgemeinen
Aktualisierungen mitgeliefert (Vorsicht: Immer wieder einmal fällige Aktualisierungen
der Dokumentationsbögen müssen gewährleistet sein, deshalb empfiehlt sich das Quartals-Update!).
Auch neue Programme werden so übermittelt (derzeit z. B. von einigen Herstellern zu
DMP KHK). Eine Liste von der KBV zertifizierter Praxiscomputersysteme mit DMP-Modul
findet sich auf der KBV-Website (PDF, 248 KB, daris.kbv.de/daris/link.asp?ID=1003741539).
Arbeitserleichterungen
Arbeitserleichterungen
Für Ärzte, die sich für die computergestützte Arbeitsweise entscheiden, bieten sich
Arbeitserleichterungen an. Die meisten DMP-Module ermöglichen die Übernahme von Patientendaten
aus der Patienten-Datenbank in die DMP-Bögen. So werden per Tastendruck zum Beispiel
aktuelle Werte wie HbA1c, Gewicht, Cholesterin, LDL aus der Praxis-EDV übernommen.
Viel wichtiger aber: Am Ende des Ausfüllens wird automatisch eine Plausibilitätskontrolle
durchgeführt. Hierbei wird überprüft, ob Kreuzchen oder Eingabewerte fehlen, unlogische
Antworten vorkommen oder korrekte Absendefristen eingehalten wurden. Erst nach Durchlauf
dieser Kontrolle kann der Dokumentationsbogen ausgedruckt beziehungsweise zum Versand
per Diskette endgültig abgespeichert werden. Da die Datenstelle vergleichbare Plausibilitätskontrollen
verwendet, ist so die ärgerliche Rücksendung von Dokumentationsbögen - theoretisch
- vermeidbar. Theoretisch, weil nach wie vor völlig korrekt ausgefüllte Bögen als
falsch an die Praxen zurückgesandt werden. Weitere mögliche Vorteile aus der gemeinsamen
Nutzung von PVS und DMP (je nach Produkt): Einige Praxislösungen enthalten Terminplanungen
mit zumeist herstellerspezifischen Bezeichnungen wie zum Beispiel „Recall-System”
oder „To-Do-Listen”. Hiermit können sich Ärzte daran erinnern lassen, wann welche
Untersuchungen nötig werden, oder sich Terminvorschläge zur Patienteneinbestellung
ausgeben lassen.
Praxiserfahrung
Praxiserfahrung
Hausärzte werden nicht gezwungen an DMPs teilzunehmen, doch über ihre Patienten werden
sie schon damit konfrontiert. Für Dr. Frank Neldner, Hamburg, ist beispielsweise nicht
die Teilnahme am DMP aus Kosten-Nutzen-Gründen ausschlaggebend. Ihm geht es darum,
„dass meine Patienten nicht irgendwelche Nachteile bei der Krankenkasse haben”, so
Neldner. Denn: Patienten-Schulungen übernehmen einige Kassen grundsätzlich nur noch
dann, wenn die Patienten am DMP-Programm teilnehmen. Von seinen 150 Diabetes-Patienten,
nehmen 18 am DMP-Programm teil. Neldner organisiert es so, dass alle DMP-Patienten
an zwei Vormittagen im Jahr in die Praxis kommen. Seine PVS ist von Turbomed (integriertes
DMP-Modul, Aktualisierung automatisch). Er treibt die DMP-Teilnahme seiner anderen
chronisch kranken Patienten jedoch nicht voran, weil er die gesamte DMP-Dokumentation
kritisch einschätzt. „Viele Patienten haben zum Beispiel das Gefühl, dass ich mich
mehr mit dem Programm als mit ihnen beschäftige”, sagt er. Auch eine optimierte Behandlungskontrolle
werde durch DMP nicht erreicht, zumal sie über seinen Qualitätszirkel abgedeckt wird.
Auch wenn die Krankenkassen immer mehr Druck auf die Patienten ausüben (schließlich
geht es für die Kassen über den Risiko-Struktur-Ausgleich RSA um eine Menge Geld ...),
so sieht Neldner in seiner Praxis, dass ohnehin nur jene Patienten am Programm teilnehmen,
die gut eingestellt sind und von selbst proaktiv bei der Therapie mitarbeiten.
Computerunterstütztes Ausfüllen von DMP-Bögen
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Hersteller
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DMP in PVS integriert
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Ausfüllung mit EDV-Unterstützung, Modul-Kosten
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Schnittstelle für PVS-Datenüber- nahme?
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Plausibilitäts-kontrolle?
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Erinnerungs-System Doku-Zyklen
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To-Do- oder Recall-Funktionen
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DMP-Bogen-Versand?
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Bedienung Software (Selbstbeschreibung)
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Compugroup: Medistar & Turbomed |
Ja |
DMP-Assist kostenlos |
Ja |
Ja, automatisch |
Übersichtslisten + Terminverwaltung |
Ja |
Papier Diskette EMail-Anhang online D2D |
„ergonomisch” wird den Anforderungen angepasst |
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Compugroup: Albis, Data-Vital, CompuMED |
Ja, DMP-Bogen vorhanden, kann jedoch nur manuell ausgefüllt werden |
DMP-Assist Anschaffung 189 Eur
Monatliche Kosten 9 Euro |
Ja |
Ja, automatisch |
Übersichtslisten + Terminverwaltung |
Ja |
Papier Diskette EMail-Anhang online D2D |
„ergonomisch” wird den Anforderungen angepasst |
|
Merck-Pharma/CMC-Systems |
Nein: eigenständiges Programm |
Qmax DPM Lizenz: 50 Euro DMP 50 Euro KBV-Prüfmodule kostenlos Gesetzliche Änderungen
DMP-Bogen kostenpflichtig |
Ja via BDT |
Ja, automatisch |
Ja, integrierte Recall-Funktion |
Ja, integrierte Recall-Funktion |
Papier -Datenträgerexport (Disk) D2D |
„selbsterklärend”, Zusatzfunktionen mit Handbuch, Schulungen möglich |
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Duria |
Ja, quartalsweise Aktualisierung |
DMP-Modul kostenlos |
Ja |
Ja, kann aber abgeschaltet werden bei Bedarf |
Nachsorge- Vorsorge-Funktion |
Ja, Nachsorge- Vorsorgefunktion |
Papier Disketten CD Online-Versand D2D-Schnittstelle |
„selbsterklärend” für Neuanwender werden Schulungen empfohlen - das gilt für alle
PVS |