Einleitung
Einleitung
Die chemische Modifizierung von Textilien erfolgt überwiegend, um ihre Gebrauchseigenschaften
zu verändern [1]. So färben die Menschen schon seit mehr als tausend Jahren Textilien, um durch die
Farbe ihre Individualität aber auch ihre gesellschaftlich Stellung zu dokumentieren.
Der letztgenannte Aspekt wurde erst mit der Entwicklung synthetischer Farbstoffe hinfällig.
Andere moderne textile Ausrüstungsverfahren dienen der Reduzierung der Knitterbildung
der Gewebe und z. B. auch der Verbesserung der Griffeigenschaften. Zur Reduzierung
der mechanischen Reizung der Haut durch die Fasern werden so genannte Weichmacher
eingesetzt. Von einigen der eingesetzten Chemikalien ist bekannt, dass sie z. B. für
eine Reizung der Haut verantwortlich sind. Einige Farbstoffe, die heute nicht mehr
verwendet werden, können Allergien auslösen.
Um zu modernen Ausrüstungsmöglichkeiten für Textilien zu gelangen, reicht es nicht
aus, die bestehenden Ausrüstungsverfahren zu optimieren oder problematische chemische
Substanzen durch andere zu ersetzen. So wie sich die Erkenntnisse der Naturwissenschaften
verändern, müssen auch völlig neue Wege bei der Veränderung der Trageeigenschaften
von Textilien beschritten werden. So wurde 1986 J.-M. Lehn für seine grundlegenden
Arbeiten in der Chemie zusammen mit D. Cram und C. Pedersen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet
[2]. J.-M. Lehn war einer der Begründer der Supramolekularen Chemie [3]. Sie beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Molekülen, die zur gezielten
Bildung von komplexen Strukturen führen. Dafür verantwortlich sind sich ergänzende
funktionelle Gruppen und die sterische Übereinstimmung zwischen Wirt- und Gastmolekül,
siehe Abb. [1].
Abb. 1 Schematische Darstellung der Wechselwirkungen zwischen einem Wirt- und Gastmolekül
[4].
Unterschiedliche Wechselwirkungsarten bei gleichzeitiger Kompabilität der Hohlraum-
bzw. Moleküldimensionen führen zur Bildung eines stabilen Komplexes zwischen beiden
Molekülen. Diese Wechselwirkungen können auch zur Bildung von Komplexen aus vielen
Einzelkomponenten führen. Aus der Biologie sind viele Beispiele für die Selbstorganisation
von Molekülen bekannt, die z. B. zum Aufbau sehr komplexer Strukturen, wie z. B. der
Zellmembran oder der DNA, führen. Da die gebildeten Komplexe größer als ein Nanometer
sind, ermöglichen sie einen chemischen Zugang zur Nanotechnologie.
Modifizierung von textilen Materialien durch supramolekulare Wirtmoleküle
Modifizierung von textilen Materialien durch supramolekulare Wirtmoleküle
Die bekannten Wirtmoleküle sind in Wasser oder organischen Lösungsmitteln gut löslich.
Um ihre Eigenschaften für Textilien nutzen zu können, müssen sie daher fest auf der
Faseroberfläche verankert werden. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, die
Wirtmoleküle zu unlöslichen Polymeren umzusetzen und diese z. B. als Einlagematerialien
zu verwenden. Zur Oberflächenmodifizierung von hautnah getragenen Textilien eignen
sich nur wenige Wirtmoleküle, die im Folgenden zusammen mit den zu erzielenden Effekten
kurz dargestellt werden sollen:
Cyclodextrine
Cyclodextrine
Cyclodextrine (CDs) entstehen durch den enzymatischen Abbau von Stärke. Sie sind Polysaccharide,
die aus sechs bis acht (α = 6, β = 7, γ = 8) D-Glukoseeinheiten bestehen [5]. Es sind zyklische Moleküle mit einem Hohlraum. Sie ähneln in ihrem molekularen
Aufbau einem konischen Torus. Die Durchmesser der relativ starren und hydrophoben
Hohlräume der Cyclodextrinmoleküle variieren von 0.50 bis 0.85 nm. Die Farben in Abb.
[2] zeigen die Polarität der äußeren und inneren Oberfläche der Cyclodextrinmoleküle.
Polare Gebiete sind blau und unpolare gelb gefärbt [6]. Die polaren Teile des Moleküls sind nach außen und die unpolaren überwiegend nach
innen gerichtet.
Abb. 2 Schematische Darstellung der Struktur und der Polarität der Oberfläche von Cyclodextrinen
(links: α-CD, Mitte: β-CD, rechts: γ-CD) (blau = polar, gelb = unpolar) [6].
Aus diesem Grund besitzen die Cyclodextrine eine gute Wasserlöslichkeit und vermögen
gleichzeitig unpolare Moleküle oder Teile von großen Molekülen in ihre Hohlräume einzulagern.
Daraus resultieren eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten. Durch die Komplexbildung
lässt sich die Löslichkeit von schwerlöslichen Substanzen in Wasser verbessern. Gleichzeitig
werden die eingelagerten Moleküle gegenüber äußeren Einflüssen, wie z. B. Licht, Hitze
und UV-Strahlung, stabilisiert. Bei leichtflüchtigen Substanzen wird durch die Komplexierung
der Dampfdruck erheblich verringert. So werden Cyclodextrine inzwischen im Bereich
der Pharmazie [7], Kosmetik [8], Lebensmittelindustrie [9] und zunehmend auch in der Textilveredlungsindustrie [10]
[11] eingesetzt.
Aufgrund ihrer bereits realisierten Anwendungen in pharmazeutischen und kosmetischen
Produkten liegen detaillierte Untersuchen über mögliche toxikologische und auch hautreizende
Wirkungen der Cyclodextrine vor [12]. Alle bekannten Untersuchungen haben keine negative Wirkung der Cyclodextrine gezeigt,
so dass auch bei hautnah getragenen Textilien keine Bedenken gegen die Verwendung
von Cyclodextrinen bestehen.
Auf Textilien, die in Kontakt mit der Haut kommen, lagern die Cyclodextrine die organischen
Bestandteile des Schweißes ein. Dadurch wird die Bildung des typischen Schweißgeruchs
verhindert. Während einer normalen Wäsche des Textils werden diese Moleküle aus den
Cyclodextrinen entfernt. Dass die Bestandteile des Schweißes wirklich in die Cyclodextrine
eingelagert werden, lässt sich durch Extraktion der Textilien mit einer anschließenden
gaschromatografischen Analyse leicht nachweisen [10]. Textilien mit Cyclodextrinen verhindern auch die Abgabe von Substanzen, wie z.
B. o-Cresol, Buttersäure und 1-Okten-3-ol, von der Hautoberfläche an die umgebende
Luft. Da diese Verbindungen Lockstoffe für die weibliche Stechmücke sind, können Textilien
mit Cyclodextrinen auch als passiver Mückenschutz dienen [13]. Es wird zwar nicht die Verwendung von Mückenschutzmitteln überflüssig, aber die
Größe der mit den Mückenschutzmitteln einzureibenden Hautflächen wird so verringert.
Die auf dem Textil befindlichen Cyclodextrine können vor dem Tragen mit hautpflegenden
Substanzen beladen werden. Beim Hautkontakt geben die Cyclodextrine bedingt durch
die Feuchtigkeit auf der Hautoberfläche diese Substanzen ab. Allerdings sind noch
nicht alle Fragen gelöst, die im Zusammenhang mit der Beladung von Cyclodextrinen
auf Textilien stehen. Aber prinzipiell besteht diese Möglichkeit, wie auch die Verwendung
von Cyclodextrinen in kosmetischen Präparaten zeigt.
Dendrimere
Dendrimere
Bei den Dendrimeren handelt es sich um Moleküle mit einem verzweigten Aufbau, der
an einen Baum erinnert [14]
[15]. Ein Beispiel ist in Abb. [3] dargestellt.
Abb. 3 Bild eines Baumes und die chemische Struktur eines Dendrimers.
Durch die molekularen Verzweigungen entstehen Hohl- bzw. Zwischenräume unterschiedlicher
Größe. Je nachdem, wie ein Dendrimer chemisch aufgebaut ist, können diese Hohlraume
polar oder unpolar sein. Abb. [4] zeigt die zweidimensionale Darstellung eines Dendrimers mit unpolaren Hohlräumen.
Abb. 4 Aufbau eines Dendrimers mit unpolaren Hohlräumen.
In die unpolaren Hohlräume können schwer wasserlösliche Substanzen eingelagert werden.
Polare Hohlräume können als Wasserspeicher dienen. Dendrimere werden schon in der
Medizin eingesetzt. Sie dienen u. a. als Transportmittel für Wirksubstanzen [16]. Diese Anwendungsmöglichkeiten lassen sich auch auf Textilien übertragen, wenn die
Dendrimere auf der Faseroberfläche verankert werden, siehe Abb. [5].
Abb. 5 Schematische Darstellung der Verankerung von Dendrimeren auf Faseroberflächen.
Ähnlich wie bei den Cyclodextrinen können in die dendritischen Hohlräume chemische
Substanzen eingelagert und wieder freigesetzt werden. Die Hohlräume können als Depot
für Wirkstoffe dienen. Dendrimere mit polaren Hohlräumen sind in der Lage eine große
Zahl von Wassermolekülen zu speichern. Auf diese Weise entsteht auf der Faseroberfläche
eine dünne Schicht, die als Wasserreservoir fungiert. Da sich diese Dendrimere mit
einfachen Verfahren auf Polyesterfasern verankern lassen, können deren Oberflächeneigenschaften
so verändert werden, dass dadurch der Tragekomfort der Textilien verbessert wird.
Allerdings befinden sich die Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet noch in einem frühen
Entwicklungsstadium, so dass es nicht möglich ist, schon jetzt alle Eigenschaften
anzugeben, die durch eine Oberflächenmodifikation durch Dendronen möglich werden.
Dieses Teilgebiet innerhalb der Supramolekularen Chemie befindet sich noch in einer
stürmischen Entwicklungsphase, so dass noch viele interessante Entwicklungen zu erwarten
sind.
Nano- und Mikrokapseln
Nano- und Mikrokapseln
Im Gegensatz zu den Cyclodextrinen und Dendrimeren sind Nano- und Mikrokapseln keine
einzelnen Moleküle [17]
[18]. Die Hüllen bestehen z. B. aus Stärke, Polysacchariden oder auch natürlichen oder
synthetischen Polymeren. Eine beliebige chemische Substanz ist im Innern der Kapseln
eingeschlossen, siehe Abb. [6].
Abb. 6 Schematischer Querschnitt durch eine mit Retinol gefüllte Mikrokapsel (links) und
eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Mikrokapseln (rechts).
Mikrokapseln, gefüllt mit Aromen, Parfümen, Kosmetika und Pharmazeutika, sind heute
kommerziell verfügbar. Der Mechanismus der Freisetzung dieser Substanzen ist abhängig
von den Substanzen, aus denen die Hülle besteht. So kann die Hülle mechanisch zerstört
oder durch eine Temperaturänderung für die eingeschlossene Substanz durchlässig werden.
Ebenso kann sich die Hülle auflösen oder durch eine Änderung des pH-Wertes der Umgebung
in Lösung gehen. Nano- und Mikrokapseln lassen sich auf textilen Oberflächen befestigen,
so dass sie dort als Depot für die eingeschlossenen Substanzen dienen.
Vergleich der unterschiedlichen Methoden zur Oberflächenmodifizierung
Vergleich der unterschiedlichen Methoden zur Oberflächenmodifizierung
Von den unterschiedlichen dargestellten Möglichkeiten, um hautnah getragene Textilien
zu modifizieren, werden Cyclodextrine und Mikrokapseln bereits eingesetzt und entsprechend
modifizierte Textilien sind kommerziell erhältlich. Textile Materialien mit Dendrimeren
befinden sich noch im Entwicklungsstadium. Da Cyclodextrine und Dendrimere permanent
auf der Faseroberfläche verankert werden, sind diese Ausrüstungen waschpermanent.
Das Hüllenmaterial der Mikrokapseln kann so gewählt werden, dass sich die Hülle beim
Waschen des Textils nicht auflöst. Um die eingeschlossene Wirksubstanz freizusetzen,
bleibt unter diesen Umständen nur die mechanische Zerstörung der Hülle. Nachdem aus
den Cyclodextrinen und Dendrimeren die eingelagerten Substanzen an die Haut abgegeben
wurden, können diese Wirtmoleküle wieder beladen werden. Da bei den Nano- und Mikrokapseln
die Freisetzung der eingeschlossenen Substanzen nur im Falle der Zerstörung der Hülle
erfolgen kann, ist eine erneute Beladung mit Wirkstoffen nicht mehr möglich. Bei Textilien
mit Nano- oder Mikrokapseln lassen sich daher nur Effekte erzielen, die nach einer
bestimmten Gebrauchsdauer des Textils nicht mehr vorhanden sind.
Danksagung
Danksagung
Wir danken dem Forschungskuratorium Textil e. V. für die finanzielle Förderung des
Forschungsvorhabens (AiF-Nr. 14103N), die aus Haushaltsmitteln des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen
„Otto-von-Guericke” e. V. (AiF) erfolgte.