Einleitung
Einleitung
Saubere Luft kann als ein wesentlicher Grundpfeiler der Gesundheit gelten. Dabei ist
die Luftqualität nicht nur für den Respirationstrakt und Gasaustauschprozesse wichtig,
sondern beeinflusst den gesamten Organismus [1 ]. Alle nationalen und internationalen Lungenverbände weisen letztlich auf die enorme
Relevanz der Einhaltung von Richtlinien zur Luftreinhaltung hin, wobei dies sowohl
für die Außenluft mit der Thematik der Umweltschadstoffe als auch für die Innenraumluft
(Tabakrauch) gilt [2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ]
[6 ]. Eine entscheidende Frage bezieht sich auf den Umgang von Gesetzgeber, Industrie
und Öffentlichkeit mit der Luftreinhaltung, wobei dies aus globaler, nationaler und
regionaler Sicht zu betrachten ist. Für die Europäische Union wurden aufgrund pneumologischer
und umweltmedizinischer Erkenntnisse schärfere Grenzwerte für die Mitgliedsstaaten
verabschiedet, die ab 2005 bzw. 2010 eingehalten werden müssen (Tab. [1 ]). Betrachtet man den Sektor der Luftreinhaltung über den Zeitraum der letzten zwanzig
Jahre, so wurden wesentliche Fortschritte in Deutschland erzielt: Es wurden Industrieanlagen
und Kraftwerke umgerüstet und mit modernen Filteranlagen ausgestattet, sowie Gebäudeheizungen
auf Fernwärme und Erdgas umgestellt [7 ]. Ebenso wurden nach der Einführung von Katalysatoren gewerbliche Fahrzeugflotten
und private Pkws durch abgasärmere Fahrzeugtypen ersetzt, so dass in Teilen eine erhebliche
Verbesserung der Luftqualität erreicht wurde: Am Beispiel der Berliner Luft konnte
so unter anderem für das Schwefeldioxid eine Abnahme von über 90 % erreicht werden.
Tab. 1 Neue PM10 und NO2 -Grenzwerte
Mittelungszeit
Grenzwert
einzuhalten ab
24 Stunden
50 µg/m3 PM10 35 Überschreitungen
01.01.2005
1 Jahr
40 µg/m3 PM10
01.01.2005
1 Stunde
200 µg/m3 NO2
18 Überschreitungen
01.01.2010
1 Jahr
40 µg/m3 NO2
01.01.2010
Trotz der erheblichen Verbesserung der Luftqualität bestehen in vielen Bereichen weiterhin
ernste Probleme durch zu hohe Schadstoffemissionen. Aus diesen Gründen wurden EU-weit
geltende und im Vergleich zu den alten Grenzwerten deutlich strenger ausfallende Luftqualitätsstandards
verabschiedet, wobei insbesondere die Feinstaubwerte nicht eingehalten werden.
Feinstaub/Schwebstaub
Feinstaub/Schwebstaub
Alle festen und/oder flüssigen Teilchen, die in der Umgebungsluft suspendiert sind,
werden als Feinstaub bzw. Schwebstaub bezeichnet. Die internationale Bezeichnung lautet
Particulate Matter (PM), wobei die physikalischen und biologischen Eigenschaften des
Feinstaubs von der Größe der Partikel und ihrer chemischen Zusammensetzung bestimmt
werden. Ein wichtiger Parameter ist dabei der Partikeldurchmesser, der von wenigen
Nanometern bis zu ca. 100 Mikrometern reicht [8 ]. Partikel ab einem Durchmesser ≥ 0,1 µm werden durch den aerodynamischen Durchmesser
(dae ) beschrieben. Dabei umfasst PM10 alle Partikel, die einen größenselektierenden Lufteinlass
passieren, der für Referenzpartikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von 10 µm
(2,5 µm für PM2,5) eine Abscheidewirksamkeit von 50 % besitzt (Definition aus EU-Richtlinien).
Probenahmesysteme für die einzelnen PM-Größen werden durch die europäische Norm EN
12 341 beschrieben.
Feinstaub-Quellen
Feinstaub-Quellen
Es gibt natürliche und anthropogene Quellen für Feinstaub, die sich jeweils in primäre
und sekundäre Quellen unterteilen lassen. Zu den primären anthropogenen Quellen gehören
ortsfeste Quellen wie Kraftwerke, Müllverbrennungsanlagen, Industrieprozesse, Schüttgutumschlag,
oder Hausbrand. Darüber hinaus sind mobile Quellen wie der Straßenverkehr mit Feinstaub
aus Abgasen sowie aus dem Abrieb von Reifen, Bremsen und Kupplungsbelägen von großer
Bedeutung [7 ].
Bei den sekundären anthropogenen Quellen werden reaktive Gase wie Schwefeldioxid (SO2 ), Stickstoffoxide (NOx ) oder Ammoniak (NH3 ) freigesetzt, die in der Atmosphäre eine sekundäre Feinstaubbildung bewirken. Hauptquellen
für sekundären Feinstaub sind stationäre Verbrennungsanlagen (SO2 , NOx ), Landwirtschaft (NH3 ) und die chemische sowie petrochemische Industrie.
Primärer Feinstaub natürlichen Ursprungs entsteht bei Vulkanausbrüchen, Waldbränden,
auf den Meeren, bei Bodenerosion und als biologisches Material als Pollen oder Sporen.
Zum sekundären Feinstaub natürlichen Ursprungs gehören Gase aus Vulkanen (SO2 , NH3 ), Nitrat aus Böden und Gewässern, Schwefelwasserstoff aus Meerwasser und Methan aus
Feuchtgebieten.
Entwicklung der Feinstaubemissionen
Entwicklung der Feinstaubemissionen
Die jährlichen Staubemissionen betrugen in der BRD und der DDR vor ca. 40 Jahren noch
weit über 3 Millionen (Mio.) Tonnen (t) pro Jahr. Durch den Einsatz von Filteranlangen
in Kraftwerken und Industrie wurde anfangs vor allem in der BRD eine deutliche Minderung
erzielt, so dass ein Rückgang der Emissionen um ca. 1 Mio. t von 1,4 Mio. t auf 0,4
Mio. t bis 1990 erfolgte. In der DDR waren die Gesamtemissionswerte bis zur Wiedervereinigung
auf einem hohen Niveau von ca. 2 Mio t. Der Rückgang der Feinstaubemission nach der
Wiedervereinigung von 1990 - 1995 um 1,6 Mio. t wurde daher vor allem durch Verbesserungen
in den neuen Bundesländern erzielt [7 ].
Momentan liegen die PM10-Jahresmittelwerte in Deutschland meist zwischen 20 und 35
µg/m3 . Dabei wird auch immer häufiger der Wert 40 µg/m3 überschritten, wobei dies vor allem in Großstädten an Messstationen mit hohem Straßenverkehrsaufkommen
der Fall ist (Abb. [1 ]). Im Gegensatz zu kurzfristigen Tagesmittel-Überschreitungen eines PM10-Wertes von
50 µg/m3 aufgrund innerstädtisch-lokaler Spitzen bei hohem Verkehrsaufkommen, können sehr
hohe PM10-Tagesmittelwerte auch großflächig-regional als Folge ungünstiger meteorologischer
Bedingungen über mehrere Tage anhalten.
Abb. 1 Grenzwertüberschreitungen 2000 - 2003. A: Anteil der deutschen Messstationen (absolut und prozentual) mit PM10-Jahreswerten
> 40 µg/m3 . B: Anteil der deutschen Messstationen (absolut und prozentual) mit mehr als 35 Überschreitungen
von 50 µg/m3 PM10 (Quelle: Bundesumweltamt [7 ]).
Gesundheitlich noch gefährdender ist Feinstaub der Klasse PM2.5. Allerdings ist die
Einschätzung der PM2.5-Belastung in Deutschland derzeit noch sehr schwierig, da es
noch kein flächendeckendes Meßsystem gibt. Die Anzahl der Messstationen steigt jedoch
kontinuierlich, so dass es bald auch für diese Partikelklasse eine gesicherte Datenlage
geben wird.
Biologische Effekte des Feinstaubs
Biologische Effekte des Feinstaubs
Ein Großteil der negativen Folgen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit ist auf
die Feinstaubbelastung zurückzuführen. Dabei handelt es sich um temporäre Beeinträchtigungen
(Zunahme von Atemwegssymptomen), erhöhten Pharmakabedarf bei Patienten mit Lungenerkrankungen,
vermehrte Krankenhausaufenthalte und letztlich auch um eine Zunahme der Mortalität
[1 ]
[9 ], nicht nur aufgrund von Lungen- sondern auch aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen.
Man kann davon ausgehen, dass es beim Feinstaub keinen Schwellenwert gibt, unterhalb
dessen keine negativen Effekte vorhanden sind. Dies bedeutet, dass negative Wirkungen
durch Reduktion des Feinstaubs vermindert, aber nicht völlig verhindert werden können.
Die unterschiedliche Empfindlichkeit einzelner Individuen gegenüber Feinstaub wird
als Ursache hierfür diskutiert.
Der Feinstaub dringt je nach Partikelgröße in die Atemwege vor. Partikel über 10 µm
werden in den oberen Atemwegen herausgefiltert. Partikel kleiner 10 µm (PM10) und
vor allem kleiner 2,5 µm (PM2.5) erreichen die kleinen Atemwege und die Lungenperipherie.
Für Partikel kleiner 0,1 µm ist darüber hinaus bekannt, dass diese über die Alveolen
in die Blutbahn vordringen können und in den verschiedensten Organen nachweisbar sind.
Wenngleich die vorhandenen epidemiologischen Studien prinzipiell keinen klaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang
beweisen können, so lassen sich trotzdem aufgrund einer Vielzahl von Studien quantitative
Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen ableiten [10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]. Neben Zeitreihen-Untersuchungen mit der Mortalität als untersuchter Wirkung stehen
dabei auch Kohortenstudien zur Verfügung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt
in einem Leitfaden zum Thema Luftverschmutzung aufgrund von Zeitreihenuntersuchungen
für Husten und die Anwendung bronchodilatierender Pharmaka durch Asthmatiker eine
Zunahme der Sterblichkeit von etwa 3 % pro 10 µg/m3 PM10 Konzentrationsunterschied an. Kohortenstudien kamen zusätzlich zu dem Ergebnis,
dass pro 10 µg/m3 PM10 mit einer durchschnittlichen Verkürzung der Lebenserwartung der gesamten Bevölkerung
um knapp 6 Monate und pro 10 µg/m3 PM2.5 um etwa 8 Monate zu rechnen sei [7 ]. Da bei diesen Untersuchungen annähernd lineare Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen
bestanden, wurde darauf geschlossen, dass nicht nur Konzentrationsspitzenwerte, sondern
auch Langzeitspiegel einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Gesamtbelastung haben.
Dies bedeutet für die Diskussion bezüglich des Übertretens von Spitzenwerten an einzelnen
Tagen, dass dem Jahresmittelwert vermutlich eine wesentlich größere Gesamtbedeutung
zukommt als den Tagesmittelwerten oder Einzelspitzen [7 ]. Für den Bereich der Lungenentwicklung konnte in jüngsten Studien gezeigt werden,
dass Feinstaub und eine Reihe anderer Luftschadstoffe ebenfalls einen negativen Einfluss
auf die Entwicklung der Lungenfunktion bei gesunden Kindern haben [14 ].
Luftqualität am Beispiel der Hauptstadt Berlin
Luftqualität am Beispiel der Hauptstadt Berlin
Am Beispiel der Berliner Luft lässt sich der Stand der Realisierung der einzelnen
Richtlinien nachvollziehen. Die Luftqualität der Hauptstadt wird an über 20 Stationen
des B erliner Lu ftgüte-Me ssnetzes „BLUME” gemessen [15 ]. Dabei werden hauptsächlich kontinuierliche Messungen von Ozon, Stickstoffdioxid,
Kohlenmonoxid, Benzol, Schwefeldioxid sowie Ruß und Feinstaubstaub durchgeführt und
die Messdaten automatisch an die Zentrale mit einer stündlichen Darstellung der aktuellen
Messwerte im Internet übertragen. Insgesamt hat sich die Qualität der Berliner Atemluft
in den letzten Jahren durch die Umstellung von Ofenheizungen auf Fernwärme und Gas
sowie den Einbau von Filteranlagen in Kraftwerke und die Neuerungen in der Autoindustrie
zwar erheblich verbessert, allerdings zeigen die aktuellen Messwerte auch, dass in
verkehrsbelasteten Straßen die Grenzwerte der Luftbelastung im Bereich von Benzol,
Schwebstaub und Stickoxiden nach wie vor überschritten werden.
Forschungsprojekte zur Luftqualität
Forschungsprojekte zur Luftqualität
Stellvertretend für andere deutsche Großstädte hat sich Berlin gemeinsam mit den weiteren
europäischen Großstädten Paris, Rom, Rotterdam, Leicester und Prag an dem von der
Europäischen Kommission mitfinanzierten Projekt HEAVEN - Healthier Environment through
Abatement of Vehicle Emissions and Noise beteiligt. Dieses Projekt soll zu einer gesünderen
Umwelt durch die Verminderung fahrzeugbedingter Schadstoff- und Lärmemissionen führen
und die Ergebnisse der einzelnen Messstationen lassen eine Analyse der Qualität der
Berliner Luft zu. Berlin hat sich die Aufgabe gestellt, Wege zu entwickeln, wie der
Autoverkehr so gesteuert werden kann, dass die Luft- und Lärmbelastung unter die entsprechenden
Grenzwerte gesenkt wird. Die Bewertung der Qualität der Berliner Luft orientiert sich
dabei an Grenz- und Richtwerten aus Verordnungen und Verwaltungsvorschriften zum Bundesimmissionsschutzgesetz
und aus Richtlinien der Europäischen Union. In einem praktischen Modellversuch im
Rahmen des europäischen HEAVEN-Projekts wird getestet, wie wirksam die Umwelt durch
verschiedene Arten der Verkehrslenkung verbessert werden kann. Dabei wurde unter den
als hoch belastet eingestuften Straßenabschnitten ein Testgebiet gewählt, in dem gesondert
Messdaten erhoben werden.
Schwerpunkte in der Bekämpfung der Luftverschmutzung
Schwerpunkte in der Bekämpfung der Luftverschmutzung
Insgesamt kommt es weiterhin langfristig darauf an, den Schadstoffausstoß aus Industrieanlagen,
Kraftwerken, Verkehr und auch aus privaten Haushalten zu reduzieren. Aktuelle Schwerpunkte
sind dabei insbesondere die Bekämpfung der Feinstaub- und Stickoxid-Emissionen. Dazu
werden bundesweit Daten über die Menge der ausgestoßenen Feinstaub- und Stickstoffdioxid-Emissionen
gesammelt und eine zusammenfassende Beurteilung der Luftqualität erhoben. Zusätzlich
zu der retrospektiven Datenanalyse wird die Entwicklung der Emissionen auch prospektiv
abgeschätzt, um den Bedarf neuer Maßnahmen zur Minderung der Schadstoffemissionen
zu beurteilen. Die bisherigen Maßnahmen haben bereits zu wesentlichen Verbesserungen
geführt. Allerdings werden sie in ihrer Gesamtheit nicht ausreichen, die Feinstaubgrenzwerte
bundesweit einhalten zu können. Aus diesem Grunde sind auch gerade in Bezug auf die
noch strengeren Richtgrenzwerte ab dem Jahr 2005/2010 zusätzliche Maßnahmen notwendig.
Ein Beispiel dafür kann die Umstellung der Dieselkraftstoff-Qualität auf die ab 2005
in der EU vorgeschriebene Qualität sein. Darüber hinaus wird das Ersetzen älterer
Fahrzeuge durch neuere, nach den strikteren EURO-IV- und -V-Emissionsnormen ausgestattete
Fahrzeuge und der Einsatz von Partikelfiltern die Luftqualität verbessern. Abschätzungen
haben ergeben, dass der Einsatz von Partikelfiltern in Deutschland im Mittel zu einer
Reduktion der Feinstaubbelastung um ca. 3 µg/m3 bzw. 20 % führen könnte [7 ].
Fazit
Fazit
Die Luftqualität hat sich in Deutschland in den letzten Jahrzehnten entscheidend verbessert
dank der Entwicklung neuer Schadstoff-reduzierender Techniken vor allem in industriellen
Bereichen wie der Energieversorgung oder der Automobilindustrie. Trotzdem gibt es
nach wie vor Bereiche, in denen kurz- und längerfristig Grenzwerte überschritten werden.
Aus pneumologischer Sicht sind eine weitere Verbesserung der Luftqualität und die
Erforschung von Mechanismen der Lungenschädigung durch Feinstaub und andere Noxen
von entscheidender Bedeutung für eine zukünftige Verbesserung der Prävention und Behandlung
von Lungenerkrankungen. Diesbezüglich wären nicht nur strenge Grenzwerte, sondern
auch bessere nationale und internationale projektgebundene Fördermöglichkeiten bezüglich
der Erforschung Luftschadstoff-bedingter Lungenveränderungen zu begrüßen.