Projektleiter und Institution
Prof. Dr. Dr. Uwe Heinrich, Fraunhofer Institut für Toxikologie und Experimentelle
Medizin, Hannover
Stipendiat
Tibor Veres
Die Integrität der Atemwegsschleimhaut bei Kontakt mit potenziell schädlichen Substanzen
(wie z. B. Allergenen, Umweltverschmutzungen) und Mikroorganismen, die sich in der
eingeatmeten Luft befinden, wird durch diverse physiologische Mechanismen aufrechterhalten.
Die erste Abwehrlinie wird durch die sehr effektive mechanische Barriere von Zilienepithelzellen
und Atemwegssekret gebildet. Schädliche Substanzen, die diese Barriere überwinden,
müssen vom Organismus detektiert werden, um angepasst aktive Eliminierungsmechanismen
zu induzieren. Diese Aufgabe wird im Wesentlichen von zwei verschiedenen sensorischen
Netzwerken der Atemwegsschleimhaut erfüllt.
Das erste Netzwerk bilden die sensorischen Nerven, deren Endigungen bis ins Epithel
reichen. Sie werden von verschiedenen unspezifischen Reizen, wie z. B. kalter oder
verschmutzter Luft, aktiviert. Neben den resultierenden zentralen Reflexen, die z.
B. zu Husten führen, werden durch den so genannten Axonreflex auch lokale Effekte
hervorgerufen. Hierbei werden lokal wirksame Neuropeptide wie Substanz-P (SP) und
Calcitonin-Gene Related Peptide (CGRP) aus benachbarten Nervenendigungen freigesetzt.
Das Ergebnis ist eine Permeabilitätssteigerung der Blutgefäße, erhöhte Schleimproduktion,
Bronchokonstriktion und eine verstärkte Entzündung. Dieses Phänomen wird auch als
„neurogene Entzündung” bezeichnet. Der Atemwegshyperreaktivität beim Asthma bronchiale
liegt unter anderem eine dauerhafte Hyperaktivität sensorischer und motorischer Nervenfasern
zugrunde [1].
Das zweite Netzwerk, das eine sensorische Funktion in der Atemwegsschleimhaut erfüllt,
wird von den pulmonalen dendritischen Zellen gebildet. Auch diese Zellen nehmen Umweltinformationen
(-antigene) auf, die nach ihrer Prozessierung in den drainierenden Lymphknoten T-Lymphozyten
präsentiert werden [2]. Damit fungieren sie als „sensorische Zellen” des Immunsystems. Dendritische Zellen
spielen eine entscheidende Rolle in der Pathogenese des Asthma bronchiale [3], da sie nicht nur für die allergische Sensibilisierung verantwortlich sind, sondern
auch zur Aufrechterhaltung der allergischen Entzündung beitragen.
Da sich Nerven und dendritische Zellen im selben anatomischen Kompartiment der Atemwegsmukosa
befinden und teilweise ähnliche Funktionen erfüllen, lässt sich vermuten, dass es
zwischen den beiden sensorischen Netzwerken eine direkte Interaktion gibt. Forschungen
der letzten Jahre zeigen tatsächlich, dass dendritische Zellen in vitro dem Einfluss
neuronaler Signale unterliegen, und gleichzeitig selber mit Neuronen kommunizieren
können. Neuropeptide wie CGRP wirken auf unreife dendritische Zellen chemotaktisch
und können ihre Ausreifung fördern [4]. Umgekehrt können von dendritischen Zellen freigesetzte Botenstoffe, z. B. Neurotrophine
wie Nerve Growth Factor (NGF), auf Neurone wirken und ihre Aktivität modulieren. Unklar
ist aber, ob und wie diese Interaktion in situ im Lungengewebe funktioniert.
Ziel des Forschungsvorhabens ist es, erstmals die Interaktion von dendritischen Zellen
mit Neuronen in der allergisch entzündeten Lunge zu beleuchten. Hierzu sollen zunächst
sowohl morphologische als auch funktionelle Untersuchungen im murinen Tiermodell des
allergischen Asthma bronchiale durchgeführt werden. Die anatomische Charakterisierung
der räumlichen Interaktion zwischen Nerven und dendritischen Zellen erfolgt durch
immunhistologische Färbungen von so genannten Whole-Mount Präparaten (Abb. [1]). Diese Technik ermöglicht die Erhaltung der dreidimensionalen Struktur des Lungengewebes
durch eine Mikropräparation der intrapulmonalen Atemwege. Die mit entsprechenden fluoreszenzgekoppelten
Antikörpern markierten Präparate werden mittels konfokaler Laserscanmikroskopie analysiert,
wobei Multikanal-Z-Serien von aufeinanderliegenden optischen Schnitten aufgenommen
werden. Die Z-Serienaufnahmen von dendritischen Zellen und Nerven werden mit der Software
IMARIS (Bitplane) mittels Oberflächen- und Volumenrendering dreidimensional rekonstruiert.
Anschließend werden verschiedene quantitative Analysen, wie z. B. die Messung der
Länge der Nervenfasern und die Bestimmung der Größe kolokalisierter Areale, in einem
definierten Volumen durchgeführt. Die Methode ermöglicht darüber hinaus die in situ
Charakterisierung dendritischer Zellen bezüglich der Expression von Neuropeptidrezeptoren
und Neurotrophinen.
Abb. 1 Pulmonale dendritische Zellen befinden sich im engen Kontakt mit Nervenfasern. Die
dendritischen Zellen (grau) sind gegen das Antigenpräsentationsmolekül MHC II und
die Nerven (weiß) gegen den Pan-Neuronalmarker PGP 9.5 gefärbt. Dargestellt ist eine
Projektion von laserscanmikoskopischen Z-Serienaufnahmen.
Für die funktionellen Untersuchungen der Interaktion zwischen pulmonalen dendritischen
Zellen und Nerven werden lebende Lungenschnitte (Precision Cut Lung Slices, PCLS)
verwendet. Die Schnitte werden aus den Lungen von CD11c-EYFP transgenen Mäusen angefertigt
[5], in denen die dendritischen Zellen das Fluoreszenzprotein EYFP exprimieren. Nach
Beladung der Schnitte mit einem fluoreszierenden Calcium-Indikator werden die sensorischen
Nerven stimuliert und die Aktivation der dendritischen Zellen durch die Messung der
intrazellulären Ca-Konzentration in den CD11c-EYFP+ dendritischen Zellen mittels konfokaler Laserscanmikroskopie untersucht.
Unsere Strategie ist es, während des Projektes Methoden zu etablieren, die eine Charakterisierung
der Interaktion zwischen pulmonalen dendritischen Zellen und Nerven morphologisch
und funktionell in situ ermöglichen. Die in dieser Studie gewonnenen Erkenntnisse
könnten entscheidend zur Entwicklung eines genaueren pathophysiologischen Konzeptes
des Asthma bronchiale beitragen.