Der konkrete Fall
Der konkrete Fall
Anamnese
Eine 28-jährige Patientin bemerkte schon seit gut einem Jahr, dass es bei Kälteeinwirkung
immer wieder zu plötzlichen Weißverfärbungen einzelner Finger kommt. Während eines
Aufenthaltes vor 3 Monaten in Tansania hatte sie eine kurze Episode einer Durchfallerkrankung.
Wenige Tage danach verspürte sie polyartikuläre Gelenkschmerzen mit Befall großer
und kleiner Gelenke, sie bemerkte Schwellungen verschiedener Fingergelenke. Auch kam
es in der Folgezeit immer wieder zu erhöhten Temperaturen bis 38 °C. Leichte Hautausschläge
an den Armen und im Bereich des Dekolletés sah sie selbst als eine Sonnenallergie
an.
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland veranlasste ihre Hausärztin zunächst eine tropenmedizinische
Untersuchung zum Ausschluss einer Malaria oder eines persistierenden Darminfektes,
wobei sich kein entsprechender Befund ergab. Bei den Laboruntersuchungen fand sich
eine beschleunigte BSG mit 43 mm/h, CRP war negativ ebenso wie die Rheumafaktoren.
Wegen eines mit 360 U/ml erhöhten Antistreptolysintiters wurde eine Therapie mit Penicillin
verordnet. Außerdem erhielt die Patientin Diclofenac wegen der weiterhin auftretenden
Gelenkschmerzen und -schwellungen. Letztlich erfolgte eine Überweisung mit der Fragestellung
einer reaktiven Arthritis oder einer seronegativen rheumatoiden Arthritis.
Untersuchungen
Bei der klinischen Untersuchung fand sich eine symmetrische spindelförmige Schwellung
der Fingermittelgelenke beidseits. Der Blutdruck betrug 150/95 mm Hg. Darüber hinaus
fand sich klinisch kein pathologischer Befund, auch kein Exanthem. Labormedizinisch
waren folgende Laborbefunde bemerkenswert: BSG 60 mm/h, Kreatinin 1,2 mg/dl, CRP und
Rheumafaktoren negativ, ANA 1:1280 mit homogenem Fluoreszenzmuster, SS-A-Antikörper
positiv, SS-B-Antikörper ebenso wie Sm-Antikörper negativ, ds-DNA-Antikörer (RIA)
mit 179 U/ml signifikant erhöht, C3 mit 54 mg/dl und C3 mit 7 mg/dl signifikant vermindert,
Cardiolipin-Antikörper und Lupus-Antikoagulans negativ. Die Untersuchung des Urins
zeigte eine Mikrohämaturie, Leukozytenzylinder und eine Proteinurie von 4 g im 24
h Urin. Die Kreatinin-Clearance war normal; im Urin fanden sich vereinzelt dysmorphe
Erythrozyten.
Die histologische Untersuchung einer Nierenbiopsie erbrachte Befunde einer Lupus Nephritis
vom Typ der mesangioproliferativen Glomerulonephritis mit fokal segmentalen Nekrosen
und Sklerosen vom WHO-Typ IVc (tubulointerstitieller Chronizitätsfaktor > 1).
Therapie und Verlauf
Die Patientin wurde über die Notwendigkeit einer immunsuppressiven Therapie aufgeklärt.
Insbesondere wegen der möglichen Gonadentoxizität wollte sie keine Therapie mit Cyclophosphamid
durchführen lassen. Durchaus vergleichbare Erfolge können möglicherweise bei diffuser
proliferativer Lupus-Nephritis mit Mycophenolat-Mofetil erzielt werden [4], das allerdings für diese Indikation bislang keine Zulassung besitzt. Diese Therapie
wurde mit 2 × 1 g/d begonnen, kombiniert mit Prednisolon in einer initialen Dosierung
von 40 mg tgl.. Außerdem erfolgte eine Behandlung mit Enalapril 20 mg/d.
Nach unmittelbarer Remission der Krankheitssymptome war auch eine kontinuierliche
Besserung der Laborbefunde zu verzeichnen, wobei vor allem die Proteinurie kontinuierlich
abnahm auf 194 mg im 24 -Stunden-Urin bei stets normalem Kreatinin unter Beibehaltung
der Dosis von 2 g Mycophenolat-Mofetil über 12 Monate und einer Erhaltungstherapie
mit Prednisolon zuletzt 5 mg/d. Unter der Behandlung mit Enalapril waren die Blutdruckwerte
stets niedrig normal.
Fazit
Nicht jede Polyarthritis ist im Sinne einer rheumatoiden Arthritis oder chronischen
Polyarthritis zu erklären. Der symmetrische Befall der Fingermittelgelenke sprach
auch nicht für eine reaktive Arthritis. Die Patientin hatte eine Symptom- und Befundkonstellation,
die recht schlüssig schien für einen systemischen Lupus erythematodes (SLE). Arthritiden
und Hautaffektionen sind mit Abstand die häufigsten Initialsymptome. Unspezifisch
erscheinende Exantheme sind weitaus häufiger als das pathognomonische Schmetterlingserythem.
Gerade die Assoziation einer neuerdings aufgetretenen Sonnenunverträglichkeit („Sonnenallergie”)
der Haut mit Gelenkaffektionen muss an einen systemischen Lupus erythematodes denken
lassen. Auch besteht eine enge Korrelation einer Raynaud-Symptomatik mit Erkrankungen
aus dem Formenkreis der Kollagenosen.
Die immunserologischen Befunde bestätigten die Annahme eines SLE. Letztlich war auch
schon eine Lupus-Nephritis festzustellen. Die Langzeitprognose eines SLE ist durch
eine frühe Diagnose mit kritischer Beurteilung der Krankheitsausprägung zu verbessern,
da auf diese Weise schwerwiegende Organmanifestationen frühzeitiger erkannt und adäquat
behandelt werden können.
Diagnostik
Diagnostik
Der Systemische Lupus erythematodes (SLE) ist Prototyp einer multisystemischen Autoimmunerkrankung.
Die Erkrankung betrifft vorwiegend Frauen im jüngeren Lebensalter und ist durch verschiedenartige
klinische Symptome, laborchemische Manifestationen und einen sehr variablen Verlauf
charakterisiert. Trotz deutlich verbesserter Langzeit-Überlebensrate leiden mehr als
die Hälfte der Betroffenen im Verlauf ihres Lebens unter permanenter Einschränkung
eines oder mehrerer Organsysteme. Arthritis und Hautmanifestationen sind die häufigsten
Symptome; renale, hämatologische und neurologische Manifestationen tragen neben Infektionen
und vorzeitiger Arteriosklerose erheblich zu der Morbidität und Mortalität der Erkrankung
bei. Moderne Therapieansätze verfolgen das Ziel einer aktivitätsangepassten Behandlung
unter Minimierung der Langzeit-Steroid-Therapie.
Epidemiologie, Ätiopathogenese
Mit einer Prävalenz von ca. 20-50/100 000 und einer geschätzten Inzidenz von 5/100
000 pro Jahr ist der SLE die häufigste systemische Bindegewebserkrankung in Deutschland
[20]. Die Ursache ist nicht vollständig geklärt. Hormonelle Faktoren scheinen von Bedeutung
zu sein. Dafür könnte sprechen, dass Frauen im gebärfähigen Alter am häufigsten betroffen
sind (9/10 Patienten sind weiblich), sich die Erkrankung durch Östrogene verschlechtern
kann und nicht selten nach der Menopause fast vollständig rückläufig ist. Als prädisponierende
Faktoren gelten außerdem genetische Einflüsse (HLA-Allele, Null-Komplement-Allele).
Umweltfaktoren wie Sonnenlicht, Infektionen und einige Medikamente (z. B. Sulfonamide)
werden als Auslöser diskutiert. In Mausmodellen überwiegen genetische Einflüsse, hier
reicht eine einzige Mutation im sog. programmierten Zelltod (Apoptose) aus, um SLE
hervorzurufen. Beim Menschen geht man davon aus, dass über 100 verschiedene Gene mitverantwortlich
zur Krankheitsentstehung beitragen können. Die B-Lymphozyten weisen beim SLE eine
vermehrte Aktivierung und damit eine gesteigerte Immunglobulin-Synthese auf. Es kommt
unter anderem zur Bildung der typischen Autoantikörper, deren pathophysiologische
Bedeutung noch nicht endgültig geklärt ist. Manche dieser Autoantikörper und die daraus
entstehenden Immunkomplexe sind pathogen.
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kurzgefasst: Die Ätiologie des SLE ist weiterhin ungeklärt, genetische Faktoren sowie Umwelteinflüsse
wie UV-Licht spielen eine Rolle.
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Diagnose: SLE
Die Diagnose beruht auf klinischen und laborchemischen Bausteinen, die individuell
sehr unterschiedlich ausfallen. Oft leiden die Betroffenen bei aktiver Erkrankung
an unspezifischen Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit, Gewichtsabnahme oder Fieber,
die eine Diagnostik auch erschweren können. Ein einzelner diagnostisch beweisender
Befund ist eine absolute Rarität, 100 % spezifische Laborparameter fehlen (Ausnahme:
Anti ENA Sm) oder sind so wenig sensitiv, dass sie nur ein Baustein in der Diagnostik
sein können. Das hat zur Erstellung sog. Klassifikationskriterien der ARA (jetzt ACR)
geführt, die 1997 revidiert wurden (Tab. [1]) [9]
[18]. Definitionsgemäß sollen vier der 11 ausgewählten Kriterien vorliegen, um einen
gegebenen Patienten als SLE zu klassifizieren. Diese Kriterien wurden primär für wissenschaftliche
Untersuchungen konzipiert; es muss daher dabei bedacht werden, dass bei vielen Patienten
gerade zu Beginn der Erkrankung spezifische Befunde fehlen. Trotzdem kann die Diagnose
schon gestellt werden.
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kurzgefasst: Da einzelne beweisende Befunde fehlen, beruht die Diagnose SLE auf klinischen und
laborchemischen Bausteinen, die individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können.
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Tab. 1 Klassifikationskriterien für den Systemischen Lupus Erythematosus (ACR) (1997), (9,
18).
<TD VALIGN="TOP">
1. Schmetterlingserythem
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
2. diskoide Hautveränderungen
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
3. Sonnenempfindlichkeit
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
4. Schleimhautulzerationen
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
5. Arthritis
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
6. Serositis
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
7. Glomerulonephritis
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
8. neurologische Symptome
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
9. hämatologische Befunde
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
10. immunologische Befunde
-
Anti-ds-DNS-AK oder Anti-Sm-AK oder
-
LE-Zellen im Blut oder Anti-Phospholipid-AK Typ IgG oder IgM, positives Lupus-Aantikoagulanz oder eine falsch positive Lues-Reaktion
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
11. Antinukleäre AK
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
* Zur Diagnose eines SLE sollen mindestens vier der folgenden Symptome/Befunde gleichzeitig oder aber im Laufe der Zeit vorhanden
sein (AK = Antikörper).
</TD>
Haut- und Schleimhautveränderungen
Diagnostisch richtungweisend ist bei etwa 50 % der Patienten eine Photosensitivität.
Dieser Begriff beschreibt eine inadäquat deutliche Rötung exponierter Hautbezirke
nach natürlicher (Sonne) oder künstlicher UV-Einstrahlung (v. a. UV-B). Dabei ist
insbesondere von Bedeutung, dass auch geringe UV-Belastungen zu massiven SLE-Schüben
führen können. Die charakteristische Hauterscheinung ist das Schmetterlingserythem
mit Rötung und fühlbarer Infiltration im Wangenbereich und über dem Nasenrücken, dabei
sind die Nasolabialfalten ausgespart [23]. Diese Hautveränderung geht oft mit einer systemischen Exazerbation der Erkrankung
einher. Insgesamt entwickeln jedoch nur etwa 30 % aller SLE-Patienten diesen Befund
im Verlauf. Häufiger sind fleckige oder ringförmige Hautveränderungen, die zum Teil
erhaben oder schuppend sind und alle Hautareale, v. a. Brust, Rücken und Finger betreffen
können (Abb. [1]). Als eine besondere Verlausform abgegrenzt wird der subakut-kutane LE, der (wie der diskoide LE) häufig ohne systemische Krankheitsaktivität beobachtet
wird. Bei dieser Form kommt es wiederholt zu nicht vernarbenden, polyzyklischen und
konfluierenden Erythemen überwiegend im Bereich sonnenexponierter Areale, speziell
im Schulter-Nacken-Bereich und an den Streckseiten der Oberarme. Charakteristisch
ist die Assoziation mit Antikörpern gegen SS-A(Ro) und SS-B(La). Der diskoide LE ist meist auf die Haut beschränkt, nur bei 5 % der Patienten tritt nach längerem
Verlauf ein SLE auf. Die scharf begrenzten, scheibenförmigen („diskoid”) Hautveränderungen
sind tastbar verdickt und zentral oft mit fest haftenden weißlichen Schuppen bedeckt.
Diese Hautveränderungen treten vorwiegend an Sonnen exponierter Haut im Gesicht, Hals
und Armen lokalisiert oder generalisiert auf, und können narbig abheilen. Treten solche
Läsionen im behaarten Kopfbereich auf, verursachen sie eine irreversible Alopezie
der betroffenen Areale. Ein diffuser reversibler Haarausfall (Effluvium) wird aber
auch bei anderen LE-Typen häufig beobachtet. Große, teils schmerzhafte Ulzera der
Mund- oder Nasenschleimhaut sind ein weiteres häufiges Symptom (und Diagnosekriterium).
Vaskulitische Veränderungen an den Fingern und Nekrosenbildungen bei gleichzeitig
ausgeprägtem Raynaud-Syndrom sind ein typischer Befund für Patienten mit RNP-AK. Eine
Livedo racemosa ist ein charakteristischer Hautbefund bei Patienten mit Antiphospholipid-AK.
Abb. 1 Hautveränderungen bei SLE.
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kurzgefasst: Der SLE ist durch unterschiedlichste Hautveränderungen charakterisiert, typisch sind
UV-Empfindlichkeit und Schmetterlingserythem, das aber nur bei ca. 30 % der Patienten,
meist in aktiven Erkrankungsphasen, auftritt.
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Muskel- und Skelettsystem
Nahezu 90 % aller Patienten weisen bereits initial Manifestationen am Skelettsystem
auf. Schmerzen werden häufig im Bereich von Fingern, Knien, Schultern und Hüften angegeben,
oft ohne, dass an den Gelenken äußerlich etwas auffällt. Eine SLE-Arthritis lässt
sich dagegen teilweise nur schwer von der bei der rheumatoiden Arthritis unterscheiden,
denn auch beim SLE kommt es oft zu einem symmetrischen Befall der Fingergrund- und
-mittelgelenke sowie der Handgelenke. In fortgeschrittenen Fällen können sich selten
Deformitäten entwickeln, welche die Funktion der Hand schwer beeinträchtigen können
(Jaccoud-Arthropathie). Definitionsgemäß führt die Arthritis im Rahmen des SLE aber
nicht zu radiologisch nachweisbaren Gelenkdestruktionen, in der MRT lassen sich Tendovaginitiden
und Kapselentzündungen als Ursache der auftretenden Deformität nachweisen [14]. Unspezifische Muskelschmerzen treten v. a. in Phasen einer aktiven Erkrankung gehäuft
auf. Differenzialdiagnostisch muss insbesondere an Steroid- oder (Hydroxy)-Chloroquin
induzierte Myopathien gedacht werden. Häufiger finden sich sekundär fibromyalgische
Beschwerden (in bis zu 25 % der Fälle), die dazu führen können, dass die SLE-Aktivität
überschätzt wird. Muskelentzündungen mit erhöhten Muskelenzymen im Serum und histologisch
typisch myositischen Veränderungen sind beim SLE gelegentlich als Begleitmyositis
beschrieben.
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kurzgefasst: Fast alle Betroffenen entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung Manifestationen am muskulo-skelettalen
System wie Arthralgien und Myalgien. Die Arthritis führt typischerweise nicht zu radiologisch
nachweisbaren Gelenkdestruktionen.
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Eine weitere Skelettmanifestation des SLE ist die bevorzugt an den Hüften auftretende
aseptische Knochennekrose (betroffen sind ca. 15 % aller SLE-Patienten). Als Ursache
werden insbesondere hohe Steroid-Dosen und die Vaskulitis im Rahmen des SLE diskutiert
[16]. Frühveränderungen lassen sich nur mit der MRT erfassen und können dann oft effektiv
mittels Hüftkopfdekompression behandelt werden. Meist wird die Diagnose aber wegen
der unspezifischen Klinik so spät gestellt, dass die therapeutischen Möglichkeiten
sich (bei den oft jungen Patienten!) auf einen Gelenkersatz beschränken. Studien habe
gezeigt, dass nur ca. 35 % der prämenopausalen Frauen mit SLE eine normale Knochendichte
haben. Neben einer Osteoporoseprophylaxe (Vitamin D, Calcium) sind regelmäßige Knochendichtemessungen
sinnvoll. Das Osteoporoserisiko kann über eine Begrenzung der Steroidtherapie minimiert
werden.
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kurzgefasst: Komplikationen wie die aseptische Knochennekrose und Osteoporose können über ein
Minimieren der Steroidtherapie reduziert werden.
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Kardiale Beteiligung
Die klassische kardiale Manifestation ist die nach ihren Erstbeschreibern benannte
abakterielle Endokarditis Libman-Sacks. Ebenso häufig sind eine Perikarditis bzw.
Myokarditis. Klinisch können diese Manifestationen nicht von denen anderer Ursache
unterschieden werden. Die Diagnostik wurde durch die Einführung der Echokardiographie
entscheidend verbessert. Endokard-Veränderungen können zur bakteriellen Endokarditis
prädisponieren (Antibiotikaprophylaxe bei bestimmten Eingriffen!). Eine Coronariitis
wird klinisch meist erst auffällig, wenn sich Stenosen entwickelt haben. Dann ist
die Prognose jedoch sehr schlecht, weil aufgrund der meist perlschnurartigen Stenosierungen
weder eine Angioplastie noch eine Bypassoperation hilfreich sein können. Eine der
Hauptkomplikationen nach längerer Erkrankung stellt die frühzeitige Arteriosklerose
dar. Zwischen 6 und 10 % der Patienten haben eine klinisch manifeste Arteriosklerose.
Bei Screening-Untersuchungen scheint die Prävalenz subklinischer arteriosklerotischer
Veränderungen jedoch deutlich höher zu liegen (bei bis zu 40 % der Patienten) [12]. Die Pathogenese ist multifaktoriell und schließt direkte Auswirkungen der Erkrankung
und Nebenwirkungen der Therapie ein. Insbesondere höhere Steroiddosen führen über
Veränderungen von Serum-Cholesterin, Homozystein, Gewicht und Blutdruck zu erhöhtem
Arteriosklerose-Risiko [15]. Zudem findet sich bei bis zu 15 % der SLE-Patienten mit einem hohen Homozystein-Spiegel
ein zusätzliches Arteriosklerose-Risiko.
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kurzgefasst: Insbesondere die frühzeitige Arteriosklerose mit ihren typischen Komplikationen wie
Myokardinfarkten sind nach längerer Erkrankungsdauer die Haupttodesursache bei SLE-Betroffenen.
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Pulmonale Beteiligung
Etwa jeder 2. Patient mit SLE entwickelt im Verlauf seiner Erkrankung eine Beteiligung
der Lunge. Die häufigste Manifestation ist die Pleuritis (40-60 %). Die Patienten
schildern dabei klassischerweise atemabhängige Schmerzen im Thorax/Rippenbogenbereich.
Nicht in allen Fällen lässt sich die Pleuritis auskultatorisch oder sonographisch/radiologisch
(meist nur Winkelergüsse) darstellen. Klinisch oft dramatisch verläuft die akute Lupus-Pneumonitis,
die aber selten ist (3-9 % der Patienten mit SLE). Die Schwierigkeit dieser mit flächigen
Verschattungen einhergehenden Erkrankung ist die Differenzierung gegenüber einer Pneumonie,
die bei Patienten im Schub unter Immunsuppression auch keine Seltenheit ist. Der Stellenwert
der Bronchoskopie mit Lavage besteht daher vor allem im Ausschluss einer Infektion;
darüber hinaus finden sich gegebenenfalls mit einer Lupuspneumonitis einhergehende
Befunde wie eine lymphozytäre Alveolitis. Es sollte zunächst davon ausgegangen werden,
dass es sich um eine Pneumonie handelt und eine antibiotische Therapie eingeleitet
werden. Bei fehlendem Keimnachweis und Nicht-Ansprechen einer solchen Behandlung ist
eine immunsuppressive Therapie unverzüglich erforderlich. Eine Lungenfibrose mit langsam
progredienter Belastungsdyspnoe und trockenem Reizhusten ist klinisch erst sehr spät
zu erkennen, in der Regel handelt es sich um eine zufällig röntgenmorphologisch (insbesondere
durch das HRCT) gestellte Diagnose. In Einzelfällen kann eine BAL sinnvoll sein, um
eine neutrophile Alveolitis als Ursache einer Lungenfibrose zu erkennen.
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kurzgefasst: Häufigste pulmonale Beteiligung ist die trockene oder feuchte Pleuritis. Sehr selten
kommt es zu der lebensbedrohlichen Lupus-Pneumonitis, die differentialdiagnostisch
von einer Pneumonie abgegrenzt werden muss.
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Hämatologische und RES-Veränderungen
Autoimmun-hämolytische Anämie (in der Regel Coombs-positiv), Thrombozytopenie und
Leuko- und Lymphozytopenie gehören zu den Klassifikationskriterien des SLE (Tab. [1]). Obwohl es sich auf den ersten Blick um relativ unspezifische Befunde handelt,
sind diese nicht selten richtungweisend. So entwickeln z. B. Patienten mit rheumatoider
Arthritis in der Regel als unspezifisches Zeichen des entzündlichen Prozesses eine
Thrombozytose, Patienten mit primärer Vaskulitis wegen Wegenerscher Granulomatose
oder Panarteriitis nodosa haben dagegen eher eine Leukozytose. Relativ häufig sind
bei SLE mikrozytäre Anämien bei chronischer Entzündung, eventuell Niereninsuffizienz
und schließlich auch Eisenmangel (gynäkologisch bei den oft jungen Frauen, NSAR-Nebenwirkungen).
Anlass zu einer fehlgeleiteten Diagnostik geben nicht selten Lymphadenopathien, die
bei 30 % der Patienten im Schub der Erkrankung zu beobachten sind. Ebenso häufig ist
eine Splenomegalie.
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kurzgefasst: Zytopenien sind typisch für den SLE und nicht selten diagnostisch richtungweisend.
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Antiphospholipid-AK-Syndrom
Das Antiphospholipid-AK-Syndrom ist eine der wichtigsten Ursachen für eine erworbene
Hyperkoagulabilität in der Bevölkerung. Antiphospholipid-AK sind je nach Studien-Design
und -Population bei SLE-Patienten zumindest zeitweise in einer Häufigkeit von bis
über 60 % nachzuweisen [11]. Sie verursachen das Phänomen des Lupus-Antikoagulanz und die falsch positive Lues-Reaktion,
ein Diagnosekriterium des SLE, und sind mit einem erhöhten Risiko für Aborte, arterielle
und venöse Thrombosen, Herzklappenauflagerungen und zerebrovaskulären Insulten assoziiert.
Eine Livedo racemosa, eine Thrombozytopenie und die meist klassische Anamnese sind
richtungweisend. Der alleinige Nachweis positiver Antiphospholipid-AK ist in der Regel
nicht therapiebedürftig. Von einem Antiphospholipid-AK-Syndrom spricht man erst bei
Vorhandensein typischer klinischer Manifestationen, an denen sich dann die Behandlung
orientiert. Validierte bzw. standardisierte Therapieempfehlungen bei diesem komplexen
Krankheitsbild fehlen, es muss auf entsprechende Publikationen verwiesen werden [13].
Niere
Klinisch manifeste Nierenbeteiligungen finden sich, je nach Kollektiv und Dauer der
Erkrankung, in bis zu 50 % der Patienten, histologische Nierenveränderungen werden
aber bei nahezu allen Patienten gefunden [3]
[8]. Auch mit intensiver Therapie führt die Nierenbeteiligung vor allem bei verzögerter
Diagnostik zu oft erheblicher Morbidität im Langzeitverlauf. Einer der entscheidenden
Schritte zur Prävention eines chronischen Nierenversagens ist die frühzeitige Diagnose!
Da es sich um Glomerulonephritiden handelt, sind sie an einer Proteinurie, Erythrozyturie
(insbesondere dysmorphe Erythrozyten!) und Zylindern im Urinsediment zu erkennen.
Umstritten ist, ob bei primärer Manifestation eine Nierenbiopsie zur histologischen
Klassifizierung erforderlich ist. Letztlich ist diese aber nicht nur für Therapiestudien
wichtig, sondern auch für den einzelnen Patienten von Bedeutung, da sich durch das
Ausmaß an Aktivität und Chronizität der histologischen Veränderungen die Prognose
und gegebenenfalls auch die Therapie abschätzen lässt. Histologisch werden traditionell
fünf verschiedene Formen unterschieden, von denen die diffus proliferative Glomerulonephritis
die schlechteste Prognose hat. 2004 wurde eine neue Klassifikation (ISN/RPS) publiziert,
die eine differenziertere Einteilung erlauben soll [22].
Ein bereits deutlich erhöhtes Serumkreatinin stellt ebenso wie eine hohe Gesamtaktivität
des SLE und ein Alter < 25 Jahren ein ungünstiges Kriterium hinsichtlich des Verlaufs
dar. Durch die Therapie sollte möglichst eine Normalisierung der Proteinurie und Erythrozyturie
erreicht werden. Um eine zusätzliche Schädigung der Niere zu verhindern, ist insbesondere
auf einen normalen Blutdruck zu achten. Es bieten sich aufgrund ihrer renoprotektiven
Wirkung insbesondere ACE-Hemmer an, die von den meisten SLE-Patienten gut vertragen
werden.
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kurzgefasst: Bis zu 50 % der SLE-Patienten entwickeln eine Nierenbeteiligung. Voraussetzung für
eine frühzeitige Therapie und damit verbesserte Prognose ist ein rechtzeitiges Erkennen
der Lupus Nephritis. Typische Marker sind eine Proteinurie und Erythrozyturie im Urin!
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Nervensystem
Etwa 15-50 % der Patienten erfahren eine ZNS-Manifestation, die sehr variabel sein
kann (Tab. [2]). Die Sicherung einer ZNS-Manifestation ist eines der schwierigsten Probleme im
Rahmen des SLE überhaupt: sind die psychischen Auffälligkeiten eines Patienten direkte
oder nur mittelbare Folge der Erkrankung? Wird eine Psychose durch die Erkrankung
oder durch die Steroidmedikation ausgelöst? Haben die eingesetzten Antikonvulsiva
einen medikamentösen LE ausgelöst, oder war die Epilepsie bereits die Erstmanifestation
des SLE? Sind die Kopfschmerzen oder anderen Symptome Folge einer Vaskulitis im ZNS?
Diese und eine Reihe anderer Fragen sind im Einzelfall nur schwer zu beantworten,
da es eine endgültige Sicherung der Diagnose bzw. den „Goldstandard” nicht gibt. Es
gibt verschiedene Ansätze, die Diagnostik einer Beteiligung des ZNS zu verbessern.
In manchen Fällen sind schon der klinische Befund und das EEG richtungweisend. Mit
dem sensitiveren Verfahren der MRT erfasst man etwa bei 50 % der klinisch auffälligen
Patienten einen pathologischen Befund. Auch ohne bildmorphologische Auffälligkeiten
ist ein entzündliches Liquor-Syndrom bei ZNS-Beteiligung möglich. Die Liquoruntersuchung
ist in vielen Fällen - v. a. zum Ausschluss von Infektionen - ein Muss, aber für die
Diagnosesicherung im positiven Sinn leider selten hilfreich, da spezifische Befunde
fehlen. Ein anderer Ansatz ist die Erfassung über neuropsychologische Tests, die bei
> 90 % der klinisch auffälligen Patienten pathologisch ausfallen. Auch Neuropathien
manifestieren sich im Rahmen eines SLE, sowohl an Hirnnerven als auch am peripheren
Nervensystem. Gesichtsfeldausfälle, Ptosis, Augenmuskellähmungen, Trigeminusneuralgie
können Zeichen dieser Beteiligung sind, ebenso eine Polyneuropathie.
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kurzgefasst: Eine ZNS-Beteiligung beim SLE ist klinisch sehr variabel und oft schwer zu diagnostizieren,
da kein „Goldstandard” zur Sicherung existiert.
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Tab. 2 Beispiele neurologischer Manifestationen bei SLE.
<TD VALIGN="TOP">
</TD>
Immunologische Befunde und deren Nutzen für die Differenzierung und Verlaufskontrolle
Ein sehr sensitiver immunologischer Befund bei systemischen Bindegewebserkrankungen
ist der Nachweis von antinukleären Antikörpern (ANA). Dieser Test wird heute auf kultivierten
humanen Zellen durchgeführt, was die Sensitivität verbessert hat. Nur etwa 50 % aller
Patienten mit positiven ANA haben aber eine Kollagenose oder eine andere Autoimmunerkrankung,
beispielsweise steigt im Alter die Häufigkeit von ANA in der Normalbevölkerung auf
etwa 10 %. Trotzdem ist der Immunfluoreszenz-Nachweis von ANA immer noch der geeignete
Screening-Test bei Verdacht auf einen SLE. Der Nachweis eines homogenen Immunfluoreszenzmusters
in der indirekten Immunfluoreszenz ist Hinweis auf das Vorliegen von AK gegen native
ds-DNA. Bei etwa 60-70 % der SLE Patienten sind diese Antikörper (AK) im Radioimmunoassay
oder ELISA nachweisbar. Die Spezifität dieser AK für den SLE ist relativ hoch. Ein
Nachteil besteht jedoch darin, dass bei einem Teil der Patienten diese AK erst im
Verlauf der Erkrankung nachweisbar werden. Anti-ENA Sm AK wurden bisher nur bei SLE-Patienten
nachgewiesen, leider ist aber die Sensitivität dieses Befundes gerade in der weißen
Bevölkerung gering. Anti-SS-A(Ro) und Anti-SS-B(La) AK kommen beim Sjögren-Syndrom
und beim SLE vor. Beim SLE definieren diese AK zudem verschiedene Subtypen der Erkrankung.
Der wichtigste Befund ist, dass Patienten mit AK gegen SS-A(Ro) und ohne AK gegen
SS-B(La) häufiger eine Nierenbeteiligung entwickeln, Patienten mit beiden AK haben
dagegen fast nie eine Lupus-Nephritis. Eine häufige Assoziation von Anti-SS-A(Ro)/Anti-SS-B(La)
AK findet sich außerdem mit einer Sicca-Symptomatik (bzw. einem sekundärem Sjögren-Syndrom)
und dem subakut-kutanen LE.
Prognostische Parameter sind leider rar. Wichtigste Verlaufsparameter sind die individuellen
Befunde im Sinne der Erfassung einer Lupus-Aktivität. Dazu bieten sich spezielle Aktivitätsscores
an (z. B. ECLAM, BILAG; siehe auch www.rheumanet.org). Laborparameter dienen insbesondere
der Bestätigung des klinisch gewonnenen Eindrucks (Tab. [3]). Von den Auto AK haben insbesondere ds-DNA-AK bei einigen Patienten eine Bedeutung
für den Krankheitsverlauf, wobei die absolute Höhe alleine wenig besagt, sondern nur
der intraindividuelle Vergleich. Ansteigende Konzentrationen deuten auf eine Verschlechterung
des Krankheitszustandes hin, ein Absinken der Werte im Verlauf unter Therapie deutet
in der Regel auf ein Ansprechen der Behandlung hin. Die Höhe des ANA-Titers korreliert
nicht mit der klinischen Aktivität. Zu erwähnen ist, dass das CRP beim SLE eher nicht
mit der Krankheitsaktivität korreliert, lediglich eine Arthritis und eine Serositis
sind mit einem (eher geringen) CRP-Anstieg assoziiert. Wenn klinisch differentialdiagnostisch
die Frage im Raum steht, ob z. B. Fieber Ausdruck eines Lupus-Schubes oder einer Infektionskomplikation
ist, deutet ein hohes CRP auf eine (in der Regel bakterielle) Infektionskomplikation.
Tab. 3 Empfehlenswerte Kontrollen beim SLE (Frequenz abhängig von Schwere des Krankheitsbildes/Krankheitsaktivität:
ca. alle 3 - 6 Monate).
<TD VALIGN="TOP">
Anamnese und körperliche Untersuchung (Erfassen einer Lupus-Aktivität, z. B. nach
ECLAM)
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Labor:
-
BSG
-
Blutbild, Differentialblutbild
-
Kreatinin
-
Leberwerte
-
Urinstatus (gegebenenfalls 24-h-Sammelurin)
-
CRP (DD: Infekt, Serositis)
-
Komplement C3, C4
-
DNS-AK
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
in Abhängigkeit von Klinik/Befunden: Bildgebung etc.
</TD>
Neben unspezifischen Entzündungsparametern kommt hämatologischen Befunden (Zytopenie?)
und der Bestimmung der Komplementfaktoren C3 und C4 eine wesentliche Bedeutung zu.
Vor allem bei Patienten mit Nierenbeteiligung sollte durch die Therapie eine Normalisierung
der Komplementfaktoren erreicht werden, da ein persistierender Komplementverbrauch
oft Zeichen einer progredienten Nierenerkrankung ist. Ein bei Lupus-Patienten nicht
seltener, angeborener Komplementmangel sollte als Ursache der Komplementerniedrigung
in Erwägung gezogen werden.
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kurzgefasst: Als Suchtest eignet sich in der immunologischen Diagnostik der Nachweis von ANA in
der Immunfluoreszenz. In der Beurteilung der SLE-Aktivität sind neben der Klinik vorrangig
hämatologische Befunde und Komplementfaktoren heranzuziehen.
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Therapie
Therapie
Die Behandlung des SLE gibt es nicht. Dies ist bei der Vielzahl verschiedener Verlaufsformen
unter dem Oberbegriff SLE nur logisch. Die Therapie des SLE setzt sich aus der Vermeidung
von Schub-auslösenden Faktoren und aus der medikamentösen, krankheitsadaptierten Therapie
zusammen.
Eine der häufigsten Todesursachen des SLE sind krankheits- und therapieinduzierte
Infektionen. Vor jeder Behandlung eines „Schubes” muss man daher eine Infektion ausschließen!
Bei Unsicherheit sollte zunächst immer wie bei einer Infektion behandelt werden. Unterstützt
wird die Behandlung durch symptomorientierte Maßnahmen (z. B. eine antiepileptische
Therapie).
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kurzgefasst: Die Therapie des SLE setzt sich aus der Vermeidung von Schub-auslösenden Faktoren
und aus der medikamentösen, krankheitsadaptierten Therapie zusammen. Insbesondere
Infektionen müssen vor jeder Immunsuppression ausgeschlossen werden!
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Prävention
Viele Patienten sind sensitiv gegen eine UV-Bestrahlung. Durch die Sonnenbestrahlung
werden dann nicht nur Hautveränderungen induziert, sondern es können Schübe der Erkrankung
ausgelöst werden. Diese Patienten, die ihre Empfindlichkeit meist aus der Erfahrung
sehr gut kennen, benötigen nicht nur einen Sonnenschutz mit hohem Lichtschutzfaktor
(>60), sondern sie sollten direkte Sonnenbestrahlung weitgehend meiden. Bereits eine
leichte Bedeckung der Haut ist dabei hilfreich. Auch eine große Zahl von Medikamenten
kann den SLE verschlechtern. Einige Patienten reagieren auf Lokalanästhetika, wie
sie in der Zahnheilkunde eingesetzt werden, bei anderen verschlechtert sich der Zustand
unter östrogenhaltigen Antikonzeptiva. Auf letztere sollte daher möglichst verzichtet
werden. Impfungen sollten nur in klinischen Phasen der Remission durchgeführt werden,
sind dann aber komplikationslos möglich. Nicht selten werden Schübe der Erkrankung
durch physischen oder psychischen Stress ausgelöst. Auch Veränderungen des Lebensstils
sind sinnvoll, um assoziierte Probleme wie eine Hyperlipidämie oder Hypertonie zu
reduzieren oder ihnen vorzubeugen.
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kurzgefasst: Schubauslöser sind insbesondere UV-Bestrahlung, Infektionen, Medikamente (z. B. Hormone,
Sulfonamide) und teilweise auch physischer oder psychischer Stress.
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Medikamentöse Therapie
NSAR
Arthralgien und Arthritiden im Rahmen eines SLE sprechen meist auf eine Therapie mit
NSAR an. Prinzipiell können alle NSAR eingesetzt werden, wobei bei Nierenbeteiligung
auf überwiegend renal ausgeschiedene Formen wie Ibuprofen-Präparate verzichtet werden
sollte. Auch Allgemeinsymptome der Erkrankung wie Fieber und Gliederschmerzen können
sich unter NSAR deutlich bessern, ein weiteres Indikationsgebiet ist die Serositis.
Wenn es die klinische Symptomatik erlaubt, sollte bei dieser Manifestation vor dem
Einsatz von Steroiden ein Behandlungsversuch mit NSAR unternommen werden. Etwa 1/3
bis die Hälfte der Patienten sprechen auf eine solche Behandlung gut an.
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kurzgefasst: Bei Arthralgien, Myalgien und Serositis sind NSAR Therapie der ersten Wahl.
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Antimalariamittel
Antimalariamittel (Hydroxychloroquin, Chloroquin) sind eine der Hauptsäulen der SLE-Therapie.
Sie sind insbesondere bei ausgeprägten Hautveränderungen und bei Gelenkbeschwerden,
die nicht ausreichend auf NSAR ansprechen, indiziert. Neuere Untersuchungen bestätigen
unsere eigene über Jahrzehnte gepflegte Strategie einer Schubprävention mit dem frühzeitigen
Einsatz von Antimalariamitteln, was auch zu einer verbesserten Prognose des SLE führt
[19]. Auch die lipidsenkenden und antikoagulatorischen Eigenschaften von Antimalariamitteln
wirken sich für den Patienten positiv aus [1]. Patienten, die konstante Beschwerden der Erkrankung haben, sollten nach Diagnosestellung
für mindestens 2 Jahre mit Antimalariamitteln behandelt werden. Die tägliche Dosis
ist vom Gewicht abhängig (Tab. [4]). Eine optimale Wirksamkeit ist erst nach 3-6 Monaten zu erwarten. Unter dieser
Behandlung sind halbjährliche augenärztliche Kontrollen, insbesondere wegen möglicher
retinaler Ablagerungen dieser Substanzen erforderlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass
bleibende Veränderungen auftreten, beträgt jedoch unter 1 %! Bei einigen Patienten
mit schweren Hautveränderungen ist die übliche Dosis von (Hydroxy-)Chloroquin nicht
ausreichend. Quinacrine (Mepacrine) in einer Dosis von 100 mg/Tag kann additiv eingesetzt
werden, ohne das Risiko der Retinopathie zu erhöhen. Dieses Medikament ist allerdings
in Deutschland nicht zugelassen.
Tab. 4 Dosierungsschema für Antimalariamittel.
<TD VALIGN="TOP">
Gewicht (kg) (kalkuliertes Idealgewicht)
</TD><TD VALIGN="TOP">
Chloroquin (Tabl. à 250 mg)
</TD><TD VALIGN="TOP">
Hydroxychloroquin (Tabl. à 200 mg)
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
30-39
</TD><TD VALIGN="TOP">
œ
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
40-49
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD><TD VALIGN="TOP">
1
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
50-64
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD><TD VALIGN="TOP">
1, jeden 2. Tag 2
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
ab 65
</TD><TD VALIGN="TOP">
1
</TD><TD VALIGN="TOP">
2
</TD>
Alternativen bei Haut- und Gelenkbeteiligung
Bei Patienten mit Hautbeteiligung, die Antimalariamittel nicht vertragen oder bei
denen diese keine ausreichende Wirkung zeigen, sind z. B. Dapson oder Retinoide weitere
Therapieoptionen. Retinoide sollen nur unter sicherer Antikonzeption eingesetzt werden.
Eine der effektivsten Therapieformen bei Hautmanifestationen stellt Thalidomid dar,
aufgrund der teratogenen Effekte und der hohen Inzidenz von peripherer Neuropathie
wird diese Substanz allerdings nie weit verbreiteten Einsatz finden. Bei Polyarthritiden
mit ständigem Steroidbedarf wurde Methotrexat (Dosis: 7,5-20 mg/Woche) zum Teil erfolgreich
eingesetzt [17] (Cave: Patienten mit Nierenbeteiligung: Methotrexat muss an die Nierenfunktion angepasst
werden!).
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kurzgefasst: Antimalariamittel stellen nicht nur in der Behandlung von Hautveränderungen und Gelenkbeschwerden
die Hauptsäule der SLE-Therapie dar, es gibt auch Hinweise auf eine Minderung der
Schubprävention.
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Steroide (Glukokortikoide)
Viele Krankheitsmanifestationen des SLE sprechen gut und rasch auf eine Behandlung
mit Steroiden an. Meist reichen Dosen um initial 25-30 mg Prednisolon-Äquivalent aus.
Wichtig ist, dass eine dauerhafte Steroidtherapie in einer Dosierung > 7,5-10 mg Prednison-Äquivalent/Tag
vermieden werden sollte, da dies zu bekannten Nebenerscheinungen wie Gefäßfragilität
und Disposition zu Bandläsionen führt. Die beschleunigte Arteriosklerose (s. o.) wird
insbesondere in Verbindung mit einer kumulativ hohen Steroiddosis gebracht. Auch unter
der Cushingschwelle sollte an die Osteoporose-Gefahr gedacht und von Beginn an Kalzium
und Vitamin D verordnet werden. Nicht zu unterschätzen ist das erhöhte Infektionsrisiko
unter einer Dauer-Cortisonbehandlung. Bei gleichzeitiger Gabe von NSAR und Steroiden
ist das Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen (z. B. Ulzera) potenziert, es sollte
daher ein Magenschutz mit Protonenpumpeninhibitoren erfolgen.
Indikation zu einer kurzzeitig begrenzten Steroidmedikation sind Allgemeinsymptome,
Arthritiden und pleurale Veränderungen, die auf eine Therapie mit NSAR nur unzureichend
ansprechen. Patienten mit sehr schweren kutanen Verlaufsformen benötigen gegebenenfalls
hohe Steroiddosen und bei hoher Erhaltungsdosis (> 10 mg/Tag) additiv immunsuppressive
Medikamente (z. B. Azathioprin). Bei hämatologischen Veränderungen wie hämolytischer
Anämie oder Thrombozytopenien sind Steroide eine adäquate Therapieform. Ein einmaliger
Steroidstoß (initial 1 mg/kg KG) führt bei einem Teil der Patienten zum Sistieren
dieser Befunde [5]
[6], dann ist eine begleitende immunsuppressive Therapie möglicherweise nicht erforderlich.
Sollte es zu einem Rezidiv kommen, ist auch in diesen Fällen aber eine Kombinationsbehandlung
anzustreben. Patienten mit milderen Formen einer Nierenbeteiligung (z. B. mesangiale
Glomerulonephritis) sprechen oft auf eine Steroid-Therapie (initial z. B. 2 mg/kg/d)
allein oder in Kombination mit Azathioprin an. Bei rechtzeitigem Therapieeinsatz kann
dadurch eine Progression der Nierenerkrankung verhindert werden. Ein Rezidiv nach
Ansprechen, ein einmaliges Therapieversagen oder eine Nierenmanifestation unter laufender
Steroidmedikation sind dagegen eine Kontraindikation gegen eine alleinige Steroidmedikation.
Dies gilt in der Regel auch für zentralnervöse Begleiterscheinungen des SLE. In diesen
Fällen ist eine immunsuppressive Therapie zwingend erforderlich.
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kurzgefasst: Eine kurzfristige höher dosierte Steroidtherapie ist bei akuten Exazerbationen nicht
zu ersetzen. Aufgrund der Langzeitnebenwirkungen sollte bei einem längerfristigen
Steroidbedarf von > 10 mg Prednison/Tag eine Steroid-sparende immunsuppressive Therapie
eingesetzt werden.
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Immunsuppressiva
Eine Indikation für eine Immunsuppression ist eine trotz Antimalariamittel-Therapie
persistierende Aktivität des SLE, auch ohne direkte Organbeteiligung, also z. B. bei
Patienten, bei denen unter Antimalariamitteln weiterhin Allgemeinsymptome wie Fieber,
Muskelschmerzen, Hautveränderungen als Ausdruck einer Krankheitsaktivität bestehen.
Mittel der ersten Wahl ist dabei meist Azathioprin (s. u.).
Eine aktive ZNS-Beteiligung und eine diffuse proliferative Glomerulonephritis werden
in der Regel mit Cyclophosphamid behandelt. Klinische Studien des NIH haben Protokolle mit möglichst geringer Langzeittoxizität
entwickelt. Prinzipiell wird Cyclophosphamid heute wegen des erhöhten Nebenwirkungsrisikos
einer oralen Dauermedikation und wegen des verzögerten und schlechteren Ansprechens
meist als Stoßtherapie eingeleitet [2]. Cyclophosphamid wird in einer Dosierung von 750-1000 mg/m2 Körperoberfläche und unter zusätzlicher Hydratation, Gabe von Antiemetika und Mesna
(Uromitexan, bindet den toxischen Cyclophosphamid-Metaboliten Acrolein, um eine hämorrhagische
Zystitis zu vermeiden) eingesetzt. Die Therapie kann zu einer Leukopenie mit Nadir
um den 10. Tag führen. Neben der Infektionsgefahr haben Patienten, die diese Therapie
erhalten, ein leicht erhöhtes Risiko für spätere maligne Erkrankungen. Eine bedeutende
Komplikation ist ein vorzeitiger Verlust der Eierstockfunktion (dosisabhängig bei
bis zu 60 % der Frauen, die im Alter > 30 Jahren behandelt werden). Eine in der Therapiephase
schützende Eierstockblockierung mit GnRH-Agonisten wäre diesbezüglich eine interessante
Option, die gerade in Studien getestet wird. Es existieren andere Protokolle zur Einsparung
von Cyclophosphamid, z. B. im Rahmen des so genannten Euro-Lupus Nephritis Trial (ELNT),
in dem nach einer remissionseinleitenden niedrig dosierteren Cyclophosphamid-Puls-Therapie
(500 mg in 14-tägigen Abständen über 3 Monate) und nachfolgender Azathioprin-Therapie
vergleichbare Resultate über 2 Jahre erreicht wurden [10]. Da insbesondere die längere Gabe von Cyclophosphamid anscheinend zu einer niedrigeren
Rezidiv-Rate führt, setzen wir insbesondere bei einer früh diagnostizierten Nierenbeteiligung
(< 6 Monate) eine niedrig dosierte Cyclophosphamid-Bolus-Therapie (12 Pulse a 10 mg/kg
KG) über 2 Jahre ein.
Mycophenolat-Mofetil (MMF) und auch Azathioprin werden in der Folge einer Cyclophosphamid-Therapie oder bei weniger schweren Organmanifestationen
eingesetzt. In letzter Zeit mehren sich Studien zum Einsatz von MMF, einem selektiven
Hemmer der Proliferation der T- und B-Lymphozyten, bei der Erstbehandlung der Lupus-Nephritis.
Erste Ergebnisse zeigen ein dem Cyclophosphamid ähnlich gutes Ansprechen in der Induktionstherapie,
allerdings stehen Langzeitresultate zur Rezidivquote und zum Erhalt der Nierenfunktion
noch aus.
Sowohl Azathioprin als auch MMF sind im Wesentlichen gut verträglich. Von Azathioprin
werden meist 100-200 mg, von MMF 1-2 g täglich eingesetzt. Ausgeprägte Leukopenien
können auftreten, neben dem Blutbild müssen die Transaminasen kontrolliert werden.
MMF führt darüber hinaus vereinzelt zu Diarrhöen und in Einzelfällen auch zu ausgeprägter
Enteritis. Eine „alternative” Immunsuppression bei höherer Krankheitsaktivität ist
z. B. eine Behandlung mit Cyclosporin. Es gibt einige gute Ergebnisse in der Behandlung
der membranösen Lupus Nephritis. Wir setzen es auch bei hämatologischen Veränderungen
ein, da es nicht Knochenmark suppressiv ist. Problematisch sind vor allem das nephrotoxische
Potential von Cyclosporin A und der häufig vorkommende Blutdruckanstieg.
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kurzgefasst: Immunsuppressiva werden insbesondere bei mäßiger und schwerer SLE-Aktivität zur Steroidersparnis
eingesetzt. Cyclophosphamid ist effektiver als Steroide in der Therapie der schweren
Lupus-Nephritis.
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Neue Therapieoptionen
Eine Reihe von Biologika könnten demnächst den Spielraum erheblich erweitern. So scheint
der anti-CD20-AK Rituximab (u. a. in Kombination mit Cyclophosphamid) in Fallserien
erfolgreich und eine Reihe weiterer Biologika werden aktuell in internationalen Studien
getestet. Die autologe Stammzelltransplantation kann ausgewählten schwerstkranken
Patienten möglicherweise dauerhaft helfen.
Prognose und Verlauf
Die Langzeitprognose des SLE hat sich durch verbesserte Frühdiagnose und Therapiefortschritte
in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend verbessert. Neuere Langzeituntersuchungen
gehen von einer 10-Jahres-Überlebensrate von 85-90 % aus [21]. Dabei sterben Patienten in frühen Erkrankungsphasen meist an der aktiven Erkrankung
oder Infektionen, während nach über 5-jähriger Krankheitsdauer insbesondere arteriosklerotische
Komplikationen überwiegen.
Der SLE ist eine Erkrankung, die sich vor allem zu Beginn oft noch verändert. Daher
besteht für einen Patienten mit initialen Haut- und Gelenkmanifestationen prinzipiell
das Risiko, eine Organbeteiligung zu entwickeln. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen
sind daher bei allen Patienten zu empfehlen, in Abhängigkeit von der Aktivität und
einer Organbeteiligung z. B. alle 3-6 Monate. Dabei ist insbesondere die Zusammenarbeit
zwischen Hausarzt, Rheumatologen und anderen betreuenden Ärzten essentiell.
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kurzgefasst: Die 10-Jahres-Überlebensrate bei SLE beträgt etwa 85-90 %. In frühen Erkrankungsjahren
sterben Patienten an aktiver Erkrankung und Infektionen, später vor allem an arteriosklerotischen
Komplikationen.
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SLE und Schwangerschaft
Die lange Zeit geltende Meinung, dass Patientinnen mit SLE generell nicht schwanger
werden sollten, ist überholt. Eine Schwangerschaft sollte möglichst bei einer nicht
oder wenig aktiven Erkrankung geplant werden. Einige der verwendeten Medikamente (wie
Cyclophosphamid) sind in einer Schwangerschaft kontraindiziert. Frauen mit aktivem
SLE, Nierenbeteiligung oder einer Prednison-Therapie > 20 mg/Tag haben ein höheres
Risiko einer vorzeitigen Geburt. Eine Übertragung eines SLE auf ein Kind ist nicht
bekannt, die neonatale Form ist nur ein vorübergehendes Phänomen. Bei Frauen mit SS-A/SS-B
AK besteht ein leicht erhöhtes Risiko eines fetalen AV-Blockes (ca. 1-2 %). Bei Frauen
mit Antiphospholipid-AK-Syndrom kann eine Therapie mit niedrig dosiertem ASS und Heparin
in der Schwangerschaft eingesetzt werden [7]. Um das generelle Risiko für Mutter und Kind möglichst klein zu halten, ist bereits
in die Planung einer Schwangerschaft der behandelnde Rheumatologe mit einzubeziehen,
ebenso wie eine gute Zusammenarbeit zwischen Rheumatologen und Gynäkologen (und gegebenenfalls
Pädiatern) in der Schwangerschaft Voraussetzung ist.
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kurzgefasst: Eine Schwangerschaft sollte möglichst zu einem Zeitpunkt geringer Erkrankungsaktivität
geplant werden. Die meisten Frauen erleben eine normale Schwangerschaft und Geburt.
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Fazit
Bei der Betreuung von SLE-Patienten sind neben ausreichender Behandlung von Erkrankungsaktivität
die Prophylaxe von Schüben und eine sorgfältige Patientenaufklärung von Bedeutung.
Die Therapie des aktiven SLE unterscheidet sich individuell in Abhängigkeit von den
betroffenen Organsystemen und der Krankheitsschwere und schließt oft auch eine Kombination
von Medikamenten ein. Weiteres Ziel ist ein Vermeiden von negativen Auswirkungen der
Therapie, insbesondere eine „Über”-Therapie muss umgangen werden. Zur Limitieren der
Steroidexposition werden Immunsuppressiva zur Steroideinsparung eingesetzt.
Konsequenz für Klinik und Praxis
Konsequenz für Klinik und Praxis
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Die Diagnose SLE beruht in erster Linie auf klinischen Manifestationen und wird über
laborchemische Marker bestätigt.
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Die individuelle (Multi-)Organbeteiligung bestimmt die Prognose und Therapienotwendigkeit.
Eine rheumatologische Anbindung ist daher für jeden Patienten erforderlich.
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Die Patienten müssen umfassend über ihre Eigenverantwortlichkeit im Umgang mit ihrer
Krankheit aufgeklärt werden.
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Auf die Notwendigkeit regelmäßiger Kontrolluntersuchungen und einer gegebenenfalls
erforderlichen Therapie sollte aufmerksam gemacht werden.
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Eine laufende Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Rheumatologen ist in der Langzeit-Begleitung
der Patienten essentiell.
Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben,
deren Produkt in dem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die
ein Konkurrenzprodukt vertreibt).