Einleitung
Die Zahl der Patienten mit allergischer Rhinitis oder allergischem Asthma gegen Aeroallergene
nimmt kontinuierlich zu. Man geht davon aus, dass heute in der Bundesrepublik Deutschland
etwa ein Drittel der Bevölkerung von einer der beiden Erkrankungen betroffen ist und
dass die Zahl der Betroffenen kontinuierlich zunimmt [1]. Die subkutane Immuntherapie (SCIT) ist eine etablierte Behandlungsform für diese
Erkrankungen, aber das Risiko für auch schwer verlaufende Nebenwirkungen bis hin zu
solchen mit letalem Ausgang [2] limitiert den breiten Einsatz bei einer großen Zahl von Patienten. Daher rücken
alternative Applikationswege zunehmend in den Blickpunkt des akademischen Interesses,
wobei die sublinguale Immuntherapie (SLIT) heute am besten untersucht ist. Es liegen
bereits zahlreiche Reviews und Meta-Analysen internationaler Experten und Arbeitsgruppen
vor [3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]. Auch in Deutschland wurde die wissenschaftliche Diskussion gestartet [9].
Eine einstimmige Meinung der Expertengruppen zur SLIT steht noch aus. Die Gründe hierfür
sind vielfältig. So unterscheidet sich die Auswahl der betrachteten Studien in den
verschiedenen Auswertungen. Für die Evaluation wurden verschiedenste Methoden von
einer arbiträren Auswertungsstrategie [7]
[8] bis zu evidenzbasierten systematischen Verfahren [5] verwendet. Beides stellt möglicherweise einen „Bias” dar. Ein weiterer wichtiger
Punkt scheint aber die verwendete Dosis zu sein. Die Wichtigkeit einer ausreichend
hohen Dosis für eine klinisch relevante Wirksamkeit wurde bereits in einem internationalen
Review dargelegt [4] und am Modell des Wiesenlieschgrases weiter verdichtet [10]. Daher soll im Folgenden das Datenmaterial zur SLIT für die allergische Rhinitis
und das allergische Asthma unter diesem Blickwinkel immunologisch und klinisch betrachtet
werden.
Immunologische Mechanismen
Pollen und Sporen sowie Makromoleküle und Proteine in biologisch und immunologisch
aktiver Form werden unter physiologischen Bedingungen durch die intakte Schleimhaut
hindurch resorbiert [11]
[12]
[13]
[14]
[15], wobei die Aufnahme von Makromolekülen allergologisch relevanter Größe bei atopischen
Patienten höher ist als bei Gesunden [16]
[17]
[18]. Somit können Allergene in immunologisch wirksamer Form und in relevanter Menge
durch die Schleimhaut hindurch resorbiert werden. Die Phänomene der immunologischen
Auseinandersetzung des Organismus mit den sublingual applizierten Allergenen sind
noch nicht vollständig aufgeklärt. Es existieren aber bereits einige Modelle zum Wirkmechanismus.
Aus zahlreichen Studien lässt sich ableiten, dass sich die immunologischen Effekte
in Abhängigkeit von der applizierten Dosis deutlich unterscheiden. So führt die Gabe
hoher Antigendosen (Ovalbumin) in sensibilisierten Ratten zu einer Verringerung der
IgE-Produktion [19]. Die Gabe niedriger Allergendosen führt dahingegen zu einer Erhöhung [20]. Eine Studie an Patienten konnte zeigen, dass die hochdosierte sublinguale Allergenapplikation
den saisonalen IgE-Anstieg in der nasalen Mukosa vermeiden kann, nicht aber die Gabe
einer niedrigen Dosis [21]. Eine große Menge an Allergen steigert die Allergenaufnahme durch die dendritischen
Zellen in der oralen Mukosa und somit den Grad der T-Lymphozyten-Stimulation. Auch
die T-Zell-Antwort wird durch die Antigenmenge beeinflusst [22]. So lösen niedrige Dosierungen eher eine Th2-Antwort mit der Produktion von IL-4
und IL-13 und somit einer bevorzugten IgE-Produktion durch B-Lymphozyten aus, während
große Antigenmengen eher eine Th1-Antwort mit der Produktion von IFN-γ auslösen und
wahrscheinlich regulatorische CD4- und CD25-positive T-Zellen stimulieren, so dass
die Produktion von TGF-β und IL-10 gesteigert wird [20]
[23].
In klinischen Studien ergibt sich aber noch kein klares Bild hinsichtlich immunologischer
Parameter. Während das spezifische IgE in einigen Studien durch die sublinguale IT
nicht beeinflusst zu werden scheint [24]
[25]
[26], zeigt sich in anderen Studien ein signifikanter Anstieg sowohl des spezifischen
IgE's alleine [27] als auch zusammen mit IgG4 [28]. Ein signifikanter Anstieg in den IgG-Subklassen wurde für IgG1 [24], IgG4 [24]
[25]
[29]
[30] und für das Verhältnis IgG4/IgG1 [24] beobachtet, während sich in einer anderen Studie keine Veränderung der IgG4-Antikörper
zeigte [26]. Darüber hinaus gibt es wie auch bei der subkutanen Hyposensibilisierung keinerlei
Zusammenhang mit immunologischen Parametern und Veränderungen im klinischen Bild des
Patienten.
Pharmakokinetik der SLIT
Bis vor kurzem gab es nur wenige Daten zur Pharmakokinetik lokaler Allergenextrakte.
Untersuchungen an Tieren und am Menschen, im Wesentlichen mit der nasalen Applikation,
weisen auf eine signifikante Resorption des Antigens über die Mukosa hin. Die Resorption
bei topischer Verabreichung ist im Vergleich zur parenteralen Verabreichung geringer.
Die Menge des resorbierten Antigens ist jedoch ausreichend hoch, um eine Reaktion
hervorzurufen [31].
Nachdem sie zunächst beim Tier nachgewiesen wurde [32], konnte die systemische Resorption von Allergenen nach topischer Verabreichung auch
beim Menschen bestätigt werden [33]. Das gereinigte Parietaria-judaica-Majorallergen Par j1 wurde radioaktiv mit 123I markiert und über den sublingualen Weg über 30 Minuten, ohne es herunter zu schlucken,
an gesunde Probanden verabreicht. Die eher unrealistische Verweildauer stand in Zusammenhang
mit einem der Studienziele, nämlich der Beurteilung der Allergenpenetration durch
die sublinguale Schleimhaut. Das Allergen wurde nicht durch den Speichel abgebaut,
und es konnte keine direkte Resorption durch die sublinguale Schleimhaut nachgewiesen
werden, da die Plasmaradioaktivität erst nach dem Herunterschlucken anstieg. Darüber
hinaus war eine relevante Menge 123I-markierten Par j1 noch über 48 h nach Verabreichung im sublingualen Bereich nachweisbar,
während das freie 123I schnell eliminiert wurde. Dieser Umstand weist auf eine lokale Verarbeitung des
Antigens hin und könnte für den Wirkmechanismus der SLIT von Bedeutung sein.
Klinische Wirksamkeit
Die Allergenextrakte werden als wässrige Lösungen vom Patienten zu Hause eingenommen.
Die Extrakte werden in der Induktionsphase täglich und während der Erhaltungstherapie
drei- bis siebenmal wöchentlich appliziert. Es liegen auch schon erste Daten für die
Verkürzung der Induktionsphase auf wenige Stunden vor. Heute wird nur noch die sublingual-orale
Applikation („sublingual-swallow”) empfohlen, da nur dieser Methode sowohl im WHO-Positionspapier
zur spezifischen Immuntherapie [3] als auch im ARIA-Workshop-Report [4] eine Wirksamkeit zugesprochen wird. Hierbei wird der Extrakt zur Resorption durch
die oralen Schleimhäute für ein bis zwei Minuten im Mund behalten und anschließend
heruntergeschluckt.
Für die folgende Betrachtung der Wirksamkeit mussten alle berücksichtigten Studien
diesen Kriterien genügen:
-
Plazebo-kontrolliertes, doppelblindes Studiendesign (DBPC-Studien)
-
Publikation in „peer-reviewed”-Zeitschriften auf Englisch
-
Definierte Allergenextrakte (Pollen oder Milben) und Dosierungen
-
„Sublingual-swallow”-Applikation mit nativen Allergenen
-
Klinische Wirksamkeit (Symptom-, Medikamentenscore, Provokationstests) als primäre
Zielparameter
Insgesamt wurden in einer Medline-Recherche 22 Studien gefunden (s. Tab. [1]). Diese untersuchten die Wirksamkeit der SLIT bei der allergischen Rhinitis und/oder
dem allergischen Asthma gegen Birkenpollen [34]
[35], Olivenpollen [26], Zypresse [36], Gräserpollen [29]
[37]
[38]
[39]
[40]
[41]
[42], Parietaria [25]
[30]
[43], Zwergambrosie [44], Hausstaubmilben [24]
[27]
[28]
[45]
[46]
[47]
[48]. Insgesamt wurden in diesen Studien 1646 Patienten untersucht. In sieben Studien
waren ausschließlich Kinder eingeschlossen, in neun Studien ausschließlich Erwachsene
und in sechs Studien Erwachsene und Kinder.
Tab. 1 Übersicht zu kontrollierten Studien mit der SLIT mit Angabe der kumulativen Dosis
Allergengruppe |
Allergen |
Autor |
Zeitschrift |
Jahr |
Ausgabe |
Krankheitsentität* |
Alter** |
Pat.zahl |
kum. Dosis |
Vielfaches SL/SC |
Milben |
Milben |
Bahceciler u. Mitarb. |
Pediatr Pulmonol |
2001 |
32; 49 - 55 |
AR, AA |
K |
15 |
7000 IR |
145 |
Milben |
Milben |
Bousquet u. Mitarb. |
Allergy |
1999 |
54; 249 - 60 |
AA |
B |
85 |
104 000 IR |
200 |
Milben |
Milben |
Guez u. Mitarb. |
Allergy |
2000 |
55; 369 - 75 |
AR |
B |
72 |
90 000 IR |
200 |
Milben |
Milben |
Hirsch u. Mitarb. |
Ped All Immunol |
1997 |
8; 21 - 7 |
AR, AA |
K |
30 |
1 080 000 SBU |
5 |
Milben |
Milben |
Mortemousque |
Clin Exp Allergy |
2003 |
33; 464 - 469 |
AC |
E |
60 |
90 000 IR |
NA |
Milben |
Milben |
Tari u. Mitarb. |
Allergol Immunol |
1990 |
18; 277 - 84 |
AR, AA |
K |
58 |
720 BU |
5 |
Milben |
Milben |
Tonnel u. Mitarb. |
Allergy |
2004 |
59; 491 - 497 |
AR |
E |
120 |
45 000 IR |
200 |
Pollen |
Birke |
Khinchi u. Mitarb. |
Allergy |
2004 |
59; 45 - 53 |
AR |
E |
71 |
4717 µg |
175 |
Pollen |
Birke/Erle/Hasel |
Voltolini u. Mitarb. |
Allergol et Immunopathol |
2001 |
29 (4); 103 - 110 |
AR, AA |
E |
30 |
819 BU |
NA |
Pollen |
Gräser |
Bufe u. Mitarb. |
Allergy |
2004 |
59; 498 - 504 |
AR, AA |
K |
161 |
2 625 000 AU |
10 |
Pollen |
Gräser |
Clavel u. Mitarb. |
Allergy |
1998 |
53; 493 - 8 |
AR |
B |
136 |
40 700 IR |
500 |
Pollen |
Gräser |
Pradalier u. Mitarb. |
Allergy |
1999 |
54; 819 - 28 |
AR, AA |
B |
126 |
11 000 IR |
150 |
Pollen |
Gräser |
Rolinck-Werninghaus u. Mitarb. |
Allergy |
2004 |
59; 1285 - 1293 |
AR |
K |
97 |
188 µg |
NA |
Pollen |
Gräser |
Sabbah u. Mitarb. |
Allergy |
1994 |
49; 309 - 13 |
AR |
B |
85 |
4500 IR |
50 |
Pollen |
Gräser |
Smith u. Mitarb. |
J Allergy Clin Immunol |
2004 |
114; 831 - 837 |
AR |
E |
136 |
52 200 IR |
270 |
Pollen |
Gräser |
Torres Lima u. Mitarb. |
Clin Exp Allergy |
2002 |
32; 507 - 514 |
AR |
E |
56 |
BU |
40 - 50 |
Pollen |
Olive |
Vourdas u. Mitarb. |
Allergy |
1998 |
53; 662 - 72 |
AR, AA |
K |
66 |
60 000 IR |
300 |
Pollen |
Parietaria |
La Rosa u. Mitarb. |
J Allergy Clin Immunol |
1999 |
104; 425 - 32 |
AR, AA |
K |
51 |
150 000 IR |
375 |
Pollen |
Parietaria |
Passalacqua u. Mitarb. |
J Allergy Clin Immunol |
1999 |
104; 964 - 968 |
AR |
E |
30 |
256 BU |
7 |
Pollen |
Parietaria |
Troise u. Mitarb. |
J Invest All Clin Imm |
1995 |
5; 25 - 30 |
AR |
E |
31 |
105 BU |
20 |
Pollen |
Ragweed |
André u. Mitarb. |
Int Arch Allergy and Immunology |
2003 |
131; 111 - 118 |
AR |
B |
110 |
21 950 IR |
NA |
Pollen |
Zypresse |
Ariano u. Mitarb. |
Allergol et Immunopathol |
2001 |
29 (6); 238 - 244 |
AR, AA |
E |
20 |
250 000 RU |
7 |
*AA = allergisches Asthma, AR = allergische Rhinitis, AC = allergische Konjunktivitis **E = Erwachsene, K = Kinder, B = beide Altersgruppen |
Die gewählten Zielkriterien unterscheiden sich bei den Studien teilweise erheblich
hinsichtlich Auswahl und Score-Definition. Dies macht einen Vergleich schwierig. Bei
einigen Publikationen wurde allerdings der aus Symptomverbesserung und Medikamentenreduktion
bestehende Gesamtscore angegeben. Hier fällt auf, dass bei Dosierungen unterhalb der
von der ARIA empfohlenen Minimalgabe des 50-fachen der subkutanen Dosis die beobachteten,
teilweise nicht signifikanten Veränderungen zwischen 15 und 23 % [34]
[39]
[40]
[43] niedriger ausfielen als die angegebene Verbesserung von 50 % bei einer höher dosierten
Sublingualtherapie [35]. So entsprach die Monatsdosis von etwa 465 µg Bet v1 hier der Gesamtdosis über 5
Monate in der Studie von Voltolini u. Mitarb., worunter es zu einer nicht signifikanten
Reduktion des Gesamtscores von etwa 16 % im Vergleich zu Plazebo kam [34].
Bei den Einzelscores sind die Veränderungen im Hinblick auf die applizierte Dosis
nicht immer so konsistent. Schon in einer der ersten Studien zur sublingualen Immuntherapie
an 85 Patienten mit einer Gräserpollenallergie, bei der noch mit einer recht geringen
Dosierung gearbeitet wurde, zeigte sich eine Verbesserung der rhinitischen Beschwerden.
Obwohl die kumulative Dosis lediglich 50-mal höher als bei s. c.-Applikation war,
zeigte sich eine Reduktion der rhinitischen Beschwerden insbesondere zu den Zeiten
des maximalen Pollenflugs, wobei z. B. der Score für „Niesen” um etwa 30 - 50 % reduziert
werden konnte. Diese Symptomverbesserung wurde von einer deutlichen Verringerung der
Medikamenteneinnahme begleitet. So lag die Zufuhr oraler Kortikoide unter Verum mit
um 90 % unter dem Verbrauch der Plazebo-Gruppe (p < 0,01) [37]. Der Medikamentenverbrauch war Hauptzielparameter in einer weiteren Studie an 136
Patienten mit einer allergischen Rhinokonjunktivitis durch Graspollen. Die Patienten
sollten ihre Symptome durch Einnahme von Anti-Sympathomimetika soweit als möglich
reduzieren. Dies wurde in beiden Gruppen erreicht, wie die vergleichbaren Symptomscores
zeigen. Die AUC des Medikationsscores lag aber in der Behandlungsgruppe um fast 70
% unter der der Kontrollgruppe (p < 0,01). Der Bedarf an Betamethason lag in der Behandlungsgruppe
um 80 % unter dem der Plazebogruppe (p < 0,01). In dieser Studie war die kumulative
Allergendosis 500-mal höher als die subkutan gegebene [29]. In einer Kinderstudie an 97 Patienten mit Gräserpollenallergie kam es zu nicht-signifikanten
Score-Verbesserungen zwischen 0 und 31 % im Vergleich zu Plazebo bei Augen-, Nasen-
und Bronchialsymptomen sowie einer Reduktion des Medikamentenverbrauchs von 43 % (p
= 0,0025). Die Dosis war in dieser Studie etwa 1,5-mal höher als bei der s. c.-Gabe
[40]. Dies legt wiederum die Vermutung nahe, dass das Ausmaß der Wirksamkeit auch bei
einer Gräserpollenallergie von der Dosis abhängt. Andererseits waren in 2 Tablettenstudien
mit einer 150- bzw. 270-fach höheren Dosis im Vergleich zur s. c.-Gabe die Verbesserungen
der Rhinitis- bzw. Medikationsscores zwischen etwa 20 und 45 % ebenfalls nur moderat
ausgeprägt [38]
[41]. Inwieweit dies durch die andere Galenik oder den Einschluss von therapierefraktären
Patienten [41] bedingt ist, kann nicht sicher beurteilt werden.
In einer Studie an 41 Kindern mit einer allergischen Rhinokonjunktivitis infolge Parietariapollen
wurde nachgewiesen, dass die Allergenschwellendosis bei der konjunktivalen Provokation
positiv beeinflusst wird. Bereits nach einjähriger Therapie war die zum Auslösen allergischer
Reaktionen notwendige Allergenmenge mehr als doppelt so hoch [30]. Auch bei der nasalen Provokation mit Parietaria verdoppelte sich der Schwellenwert
in einer weiteren Studie [43]. Für perenniale Allergene konnte eine Verdreifachung des Schwellenwertes zur Auslösung
konjunktivaler Reaktionen bei einer Milbenallergie gezeigt werden [47].
Eine interessante Therapieoption für saisonale Allergene stellt die Ultra-Rush-Titration
zu Beginn des Pollenflugs dar, bei der die Erhaltungsdosis innerhalb von 2 Stunden
erreicht wird. Die Wirksamkeit der saisonalen Therapie mit Titration über mehrere
Tage konnte bereits vor längerem gezeigt werden [26]. Nun liegen erste Daten aus kontrollierten Studien an Erwachsenen vor, welche eine
gute Verträglichkeit [49]
[50] und Wirksamkeit [50]
[51] dieses neuen Behandlungsschemas zeigen.
Bei der Milbenallergie sind die Ergebnisse unter sublingualer Behandlung häufig weniger
eindrücklich, wobei die negativen Ergebnisse bei den Symptom- und Medikationsscores
nicht selten ebenfalls durch eine niedrige Dosis bedingt zu sein scheinen [45]
[46], aber auch durch gleichzeitige Expositionsprophylaxe verursacht sein können [27]. Bei einer ausreichend hohen Dosis kann die SLIT aber auch bei Patienten mit trotz
Expositionsprophylaxe weiter bestehender ausgeprägter Symptomatik zu einer deutlichen
Verbesserung des klinischen Bildes führen. So konnten die Rhinitisscores in einer
zweijährigen Studie um ca. 50 % reduziert werden, wobei eine Abnahme der Symptome
bereits im ersten Monat beobachtet wurde [48].
Auch wenn die Datenlage für das allergische Asthma noch nicht so eindeutig ist wie
für die Rhinitis, so konnte eine Wirksamkeit der SLIT bei Asthma bereits in mehreren
Studien demonstriert werden. In einer Studie an 66 Kindern mit einer Baumpollenallergie
war der Dyspnoe-Score in der Verumgruppe in beiden Behandlungsjahren um ca. 50 % niedriger
als in der Plazebogruppe [26]. In einer weiteren Studie zeigte sich eine Verringerung der Tage mit Asthmabeschwerden
um mehr als 70 % im Vergleich zur Plazebogruppe. Nicht nur die Zahl der Asthma-Tage
verringerte sich, auch die Zahl der Patienten, die überhaupt noch Asthma-Symptome
hatten, war mit 15 % in der Verumgruppe deutlich geringer als in der Plazebogruppe
mit fast 40 % (p < 0,005) [38]. Dies wurde bereits vorher in einer Untersuchung ebenfalls an Patienten mit einer
Gräserpollenallergie gezeigt. Hier persistierte das Asthma unter der Therapie bei
10 % der behandelten Patienten vs. 50 % der Patienten ohne SLIT (p < 0,02) [29]. In einer zweijährigen Untersuchung an Patienten mit Milbenasthma zeigten sich auch
Einflüsse der SLIT auf Lungenfunktionsparameter, wenngleich sich kein Korrelat bei
den Symptom- und Medikationsscores fand. Es verbesserten sich der morgendliche und
abendliche Peak-Flow, Vitalkapazität, FEV1 und unspezifische Hyperreagibilität im Vergleich zur Ausgangssituation in der Verumgruppe
signifikant, während in der Plazebogruppe keine signifikanten Veränderungen zu beobachten
waren. Dies stand in Übereinstimmung mit der beobachteten Verbesserung der Lebensqualität
in den „Items” allgemeiner Gesundheitszustand, Schmerzen und Rollenverhalten wegen
körperlicher Funktionsbeeinträchtigung (alle p = 0,01) in der Verumgruppe [28]. Auch für das allergische Asthma fällt auf, dass negative Ergebnisse häufig in Studien
mit einer eher niedrigen Dosis beobachtet werden [40]
[46].
Die sublinguale und die subkutane Immuntherapie wurden bereits in mehreren kontrollierten
Studien verglichen, wobei methodische Mängel eine eindeutige Interpretation der Daten
erschwerten [52]
[53]
[54]
[55]. Beide Applikationsformen wurden nun aber in einer randomisierten doppel-blinden,
Plazebo-kontrollierten „double-dummy”-Studie verglichen. In der SLIT-Gruppe war die
kumulative Allergendosis hierbei 200-mal höher als in der SCIT-Gruppe. Sowohl SLIT
als auch SCIT zeigten eine signifikant bessere Wirkung im Vergleich zu Plazebo, wobei
diese Besserung des klinischen Bildes um 50 % in der SLIT-Gruppe und um 66 % in der
SCIT-Gruppe im direkten Vergleich nicht signifikant unterschiedlich waren. In der
SCIT-Gruppe kam es allerdings zu mehreren schweren systemischen Reaktionen bis hin
zur Anaphylaxie, während in der SLIT-Gruppe nur leichte bis mäßige Lokalreaktionen
im Mundbereich sowie einige leichte rhinokonjunktivitische Reaktionen zu beobachten
waren. Die Autoren kamen daher zu dem Schluss, dass methodisch bedingt zwar keine
Äquivalenz von SLIT und SCIT herausgearbeitet werden konnte, dass aber aufgrund des
überlegenen Sicherheitsprofils die SLIT bevorzugt werden sollte [35].
Offene Fragen zur klinischen Wirksamkeit
Wenngleich sich die Bedeutung einer ausreichend hohen Dosis zum Erzielen eines relevanten
therapeutischen Effekts aus den bisherigen Studien bereits ableiten lässt, so steht
doch der eindeutige Beleg noch aus. Zwar wurden 2004 auf der Jahrestagung der europäischen
Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EAACI) erste Daten einer Dosisfindungsstudie
präsentiert, die die ARIA-Empfehlungen zur Dosis zu bestätigen scheinen [56], die vollständige Publikation dieser Daten steht aber aus. Auch noch nicht vollständig
geklärt sind die Fragen zur Langzeit-Wirksamkeit und zum präventiven Effekt. Es existieren
aber bereits Daten aus klinischen Studien, die erste Hinweise geben. Hinsichtlich
des Langzeiteffekts konnte in einer kontrollierten Studie an 60 Kindern mit allergischem
Milbenasthma gezeigt werden, dass die über vier bis fünf Jahre durchgeführte Behandlung
mit SLIT zu einer deutlichen und signifikanten Reduktion des Asthma-Schweregrads führte,
welcher über die folgenden fünf Jahre unverändert bestehen blieb [57]. Auch für präventive Effekte gibt es erste Hinweise. So war in einer offenen Studie
an Kindern mit Rhinokonjunktivitis über drei Jahre die Zahl der Patienten mit einem
neu manifestierten Asthma in der Behandlungsgruppe doppelt so hoch wie in der Kontrollgruppe
[58]. In einer weiteren, ebenfalls dreijährigen Untersuchung waren Neusensibilisierungen
gegen weitere Aeroallergene in der Kontrollgruppe ebenfalls wesentlich häufiger als
in der Behandlungsgruppe [59]. Konfirmatorische, randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Studien an
einer ausreichenden Patientenzahl stehen aber noch aus.
Sicherheit der SLIT
Das gute Sicherheitsprofil zeigte sich auch in allen anderen Studien zur sublingualen
Hyposensibilisierung. So wurden bisher keine schweren systemischen Nebenwirkungen
beobachtet. Am häufigsten sind lokale Nebenwirkungen mit Juckreiz im Hals- Nasen-Mundbereich,
seltener gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Magenschmerzen.
In einer frühen Studie mit Kindern an Rhinitis und Asthma (n für Verum = 30) fanden
sich 32 Episoden mit systemischen Nebenwirkungen (3 Patienten mit Urtikaria, 11 Patienten
mit Asthma, davon 3 schweres Asthma und 4 Patienten mit Diarrhoe) [24]. Es ergeben sich jedoch Hinweise darauf, dass die scheinbaren Unterschiede zwischen
der Verum- und der Plazebo-Gruppe hauptsächlich auf zwei Ursachen zurückzuführen sind:
1. eine schlechte Dosisanpassung bei einigen Patienten, wobei es nach Dosisreduktion
zu einem Verschwinden der genannten Nebenwirkungen kam und 2. eine unvollständige
Darstellung der Ergebnisse, da die in der Plazebogruppe auftretenden Symptome im Gegensatz
zu denen in der SLIT-Gruppe nicht einzeln aufgeführt wurden. Darüber hinaus ist es
schwer zu erkennen, ob es sich bei den angegebenen Werten um die Anzahl der Patienten
oder der Ereignisse handelt. Die Beobachtungen von Tari u. Mitarb. ließen sich in
zahlreichen anderen Studien dann auch nicht bestätigen. So berichteten Di Rienzo u.
Mitarb. [60] über ihre Erfahrungen in der Behandlung von 268 Kindern, die eine SLIT-Therapie
einer Dauer von 3 Monaten bis 7 Jahren (Durchschnitt: 34 Monate) erhielten, was etwa
96 000 Einnahmen des Extrakts entspricht. Es wurden keine schweren systemischen Wirkungen
genannt und nur 8 Nebenwirkungen verzeichnet (abdominelle Schmerzen, juckende Konjunktiven,
Rhinitis, Urtikaria).
In einer unlängst publizierten Meta-Analyse zur Sicherheit der „Sublingual-swallow-”
Immuntherapie zeigten sich in den 8 untersuchten DBPC-Studien ebenfalls keine schweren
unerwünschten Ereignisse oder gar anaphylaktische Reaktionen. Leichte lokale Reaktionen
im Mundbereich und Gastrointestinaltrakt traten bei Erwachsenen und Kindern gleich
häufig auf [61]. Alle diese Beobachtungen wurden durch die Einschätzung der Cochrane-Gruppe bestätigt,
dass sich die sublinguale Immuntherapie wegen ihrer guten Verträglichkeit zur selbständigen
Behandlung durch den Patienten zu Hause eigne [5]. Neueren Untersuchungen zu Folge scheint das Auftreten von Nebenwirkungen bei der
sublingualen Therapie im Bereich des 5- bis 500-fachen der subkutanen Dosis nicht
dosisabhängig zu sein [62].
Die somit für die sublinguale Immuntherapie dokumentierte gute Verträglichkeit ist
insbesondere im Vergleich zur subkutanen Immuntherapie von Relevanz, da letztere ein
zwar geringes, aber doch vorhandenes Risiko für schwere Nebenwirkungen birgt. So wird
in einer aktuellen Übersicht des Paul-Ehrlich-Instituts eine Inzidenz zwischen 0,02
und 0,007 % pro verkaufter Packung nativer Allergenextrakte bzw. Allergoide für schwere,
nicht-fatale, systemische Nebenwirkungen angegeben und in einem Zehnjahreszeitraum
über das Auftreten von drei tödlich verlaufenden Zwischenfällen im Zusammenhang mit
der subkutanen Applikation von Allergenextrakten berichtet [2].