Einen Bogen zu spannen von der Grundlagenforschung bis hin zur Anwendung - insbesondere
bei der Versorgung der Patienten, dies war das ehrgeizige Ziel der 39. Jahrestagung
der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft (DMykG e.V.), die in diesem Jahr
in Leipzig stattfand. Da sich das Spektrum der Mykologie stetig verändert, ist der
wissenschaftliche Austausch der verschiedenen Fachdisziplinen enorm wichtig, konstatierte
Prof. H. Hof, Vorsitzender der Gesellschaft. "Lag früher der Schwerpunkt auf der Dermatologie
und Mikrobiologie, haben heute immer mehr Internisten großes Interesse an dem Thema
Mykosen." Dies ist nicht weiter verwunderlich, wenn man sich die stetig steigenden
Inzidenzen systemischer Mykosen in den Intensivstationen vor Augen hält.
Das Gefährdungspotenzial reicht von Allergien...
Das Gefährdungspotenzial reicht von Allergien...
Angefangen von den Schimmelpilzen in unserer Umgebung bis hin zu systemischen Mykosen
- die Gefahr, die von Schimmelpilzen ausgeht, wird oft falsch eingeschätzt. "Vieles,
was berichtet wird, ist qualitativ wenig hochwertig", konstatierte Prof. G. Fischer,
Aachen. Insbesondere die Publikumsmedien neigen dazu, die Gefahren - zum Beispiel
von Schimmelpilzen - zu übertreiben. Dementsprechend fürchten sich die meisten Menschen
erheblich mehr vor Infektionen als vor der Entwicklung einer Allergie durch Schimmelpilze.
Tatsächlich ist es genau umgekehrt: Das Risiko, eine Schimmelpilzallergie zu entwickeln,
ist deutlich größer als die Gefahr einer Intoxikation durch Mykotoxine oder sogar
einer Infektion.
"Allerdings ist es oft schwer, das verantwortliche Allergen zu identifizieren", konstatierte
Prof. H. Merck, Aachen, "auch wenn wir diesbezüglich in der letzten Zeit einige Fortschritte
erzielen konnten." So scheint nach aktuellen Erkenntnissen die Gattung des Pilzes
eine weit weniger wichtige Rolle zu spielen als man bislang vermutet hatte. Viel wichtiger
ist wohl, woher der Pilz stammt, genauer gesagt, wo er gewachsen ist. Inzwischen lassen
sich mithilfe von Mikroarray-Techniken unterschiedlichste Allergene sicher identifizieren.
"Wir hoffen, dass dies in Zukunft dazu führen kann, bessere Extrakte zu entwickeln,
um die Allergiker zu behandeln."
... bis hin zur systemischen Mykose
... bis hin zur systemischen Mykose
Wenn auch Schimmelpilzallergien oder Dermatomykosen die Patienten belasten und sicherlich
deutlich häufiger auftreten als systemische Mykosen sind es doch die schweren systemischen
Pilzinfektionen, die klinisch immer stärker an Bedeutung gewinnen. Vor allem bei immunsupprimierten
und hämatoonkologischen Patienten sind solche systemischen Mykosen in Lunge, Leber
und anderen Organen bis hin zum Gehirn lebensbedrohliche Komplikationen. In dieser
Situation kehrt sich die falsche Bewertung der Pilze ad absurdum - meist wird deren
Gefahr nicht über-, sondern unterschätzt.
"Es sind zwei Dinge, die uns diesbezüglich besondere Sorgen bereiten", erklärte PD
O. Cornely, Köln, "zum einen ist dies der Anstieg der Inzidenz, insbesondere bei abwehrgeschwächten
Patienten, zum anderen die erhebliche Mortalität!" Bereits 1995 zählten laut den Angaben
der EPIC[1]-Studie die Pilze mit 17,1% zu den wichtigsten Erregern nosokomialer Infektionen.
Doch während die Rate bakterieller Infektionen in den letzten Jahren mehr oder weniger
gleich blieb, stieg die Zahl der Pilzinfektionen stetig an. Die häufigsten Erreger
sind dabei Hefen der Gattung Candida - und zwar nicht nur Candida albicans, sondern
auch immer häufiger Candida glabrata - und Aspergillen.
Die Gefahr dabei ist: Kommt zu einer Grunderkrankung, wie zum Beispiel einer Leukämie,
noch eine invasive Aspergillose hinzu, erhöht sich die Mortalität der Patienten nochmals
erheblich. "Und im Laufe ihrer Erkrankung entwickelt die Mehrzahl der Leukämiepatienten
eine invasive Aspergillose", betonte Cornely.
Doch nicht nur immunsupprimierte und hämatoonkologische Patienten zählen zur Hochrisikogruppe,
erinnerte PD D. Schmitt, Leipzig. "Dass wir immer ältere Patienten auch mit interventionellen
Verfahren behandeln, ist einer der wesentlichen Gründe dafür, dass wir immer mehr
systemische Mykosen sehen. Lag zum Beispiel das Durchschnittsalter in der Herzchirurgie
vor rund zehn Jahren noch bei 62 Jahren, sind die Patienten heute im Schnitt 72 Jahre
alt." Mit einem etwas geringeren, aber durchaus beachtenswerten Risiko schlagen Faktoren
wie eine Intensivtherapie von mehr als drei Tagen, die Beatmung, eine Katecholamintherapie,
zentrale Venenkatheter, eine parenterale Ernährung oder Grunderkrankungen wie ein
bestehender Diabetes mellitus zu Buche.
Doch obwohl sich inzwischen immer mehr Ärzte mit systemischen Mykosen, die unter Umständen
auch eine Sepsis auslösen können, beschäftigen, liegt noch vieles im Argen. So erhielten
nach Daten von Kollef 34,3% der Patienten mit nosokomialen Infektionen keine adäquate
antimikrobielle Therapie - obwohl sich die Letalität der Patienten dadurch nachgewiesenermaßen
signifikant senken lässt (von 42 auf 17,7%, p < 0,001). "Warum wir falsch behandeln?
Weil wir die Pilzinfektionen noch immer nicht ernst genug nehmen!", meinte Schmitt
dazu. "Dabei könnten wir durch einen frühzeitigen Einsatz von Antimykotika das Mortalitätsrisiko
der Patienten um bis zu 50% reduzieren!"
Labordiagnostik ist kein Sparschwein!
Labordiagnostik ist kein Sparschwein!
Ein frühzeitiger Behandlungsbeginn ist also von entscheidender Bedeutung. Somit ist
auch die rechtzeitige Diagnose einer Systemmykose (überlebens)notwendig. "Doch gerade
in kleineren Krankenhäusern wird an der Labordiagnostik gespart, obwohl die labormedizinischen
Kosten nur 3% der Behandlungskosten betragen", konstatierte Prof. G. Haase, Aachen.
"Bei einer Herztransplantation zum Beispiel, die rund 200000 Euro kostet, ist es kontraproduktiv,
an 50-100 Euro Laborkosten für die Pilzdiagnostik zu sparen".
Nach Ansicht von Haase sollten gefährdete Patienten generell einem sinnvollen Monitoring
unterzogen werden. So könne zum Beispiel mithilfe von Überwachungskulturen eine voranschreitende
Kolonisierung der Patienten und damit die steigende Gefahr einer Systemmykose erkannt
werden. Außerdem forderte Haas ein Antigenscreening auf Zellwandbestandteile von Aspergillus
fumigatus im Blut. Eine Stufendiagnostik, die eine schnelle Identifizierung der häufigsten
Pathogene erlaubt, erleichtere dem behandelnden Arzt dann die Auswahl eines geeigneten
Antimykotikums.
Neben den in der Regel relativ lang dauernden etablierten Methoden der Identifizierung
der Mykoseerreger - zum Beispiel die Fluoreszenzfärbung oder andere enzymatische Reaktionen
- ermöglichen der Einsatz von chromogenen Kulturmedien und Gensonden eine rasche,
sichere und auch preiswerte Identifizierung von Pilzen. In der Regel lassen sich die
meisten Pilze binnen 36 Stunden über eine Gensondenhybridisierung identifizieren.
Die Zukunft der Pilzdiagnostik sieht Haase jedoch mit dem Einsatz der Massenspektroskopie,
die mithilfe von Musteranalysen auf statistischer Basis mit Datenbankvergleichen eine
schnellere Identifizierung der Pathogene erlaubt als dies bislang möglich war. Noch
befindet sich diese Methode jedoch im experimentellen Stadium. Schon etwas weiter
entwickelt ist die Genchiptechnologie: Inzwischen ist ein erster Genchip auf dem Markt,
mit dem sich Hefen mittels speziesspezifischer Hybridisierungsreaktionen an ihrem
Genprofil erkennen lassen. Geplant ist, das Analysespektrum weiter zu ergänzen, bis
voraussichtlich Anfang 2006 eine Vollversion auf dem Markt erscheint, die über 40
Pilzerreger identifizieren kann.
Brückenschlag von Naturwissenschaft zur Medizin - Was macht einen Pilz zum Pathogen?
Wie ein normalerweise harmloser Pilz wie Candida albicans für den Menschen lebensgefährlich
werden kann, erforscht der Chemiker PD S. Rupp mit seiner Arbeitsgruppe am Stuttgarter
Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB. Für seine Forschungsarbeiten
um den weit verbreiteten, potenziell pathogenen Pilz Candida albicans erhielt er den
Forschungsförderpreis 2005 der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft. Denn
weit mehr Menschen tragen einen Pilz wie Candida albicans mit sich (Kolonisation),
als tatsächlich an einer Candidose erkranken. Lebensbedrohlich wird eine solche Kolonisation
insbesondere für immunsupprimierte Patienten.
Signalwege in Infektions- und Gewebemodellen untersucht
Candida albicans kann an Rezeptoren der menschlichen Schleimhäute binden, diese durch
spezielle Enzyme lysieren und so in die Blutbahn gelangen. Einer der kritischen Faktoren
dabei ist die Zellwand. "Wir haben genetische und molekulare Analysemethoden entwickelt,
um diese Proteine und die Abläufe in der Zelle untersuchen zu können. Außerdem haben
wir eine Infektion im Reagenzglas simuliert, um so die Infektionsmechanismen von Candida
albicans im Detail zu studieren", erklärte Rupp.
Wie erwartet, ist es eine Vielzahl von Proteinen, die wiederum in komplexen Signalwegen
gekoppelt sind, die an der Kolonisation und später auch an der Infektion beteiligt
sind. "Gegenwärtig versuchen wir, diese Mechanismen zu entschlüsseln und haben dabei
bereits einige neue Proteine entdeckt, die für eine Infektion durch Candida albicans
notwendig sind."
Diese Ergebnisse wiederum sind die Voraussetzung für de Entwicklung neuer, wirkungsvoller
Medikamente gegen Candida-albicans-Mykosen, die an den erforschten Signaltransduktionswegen
ansetzen - ein förderungswürdiges Forschungsprojekt also, das nicht nur die Deutschsprachige
Mykologische Gesellschaft mit der Verleihung ihres Forschungsförderpreises 2005 auszeichnet.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt zum Beispiel ein Verbundprojekt,
in dem die Fraunhofer-Forscher zusammen mit einem interdisziplinären Team nach neuen
antimykotischen Wirkstoffen suchen.
Die Virulenz der unterschiedlichen Candida-Stämme wird an Gewebemodellen untersucht Bild: Fraunhofer-Institut, Stuttgart
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Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist gefragt
Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist gefragt
Diagnose und Therapie schwerer Pilzinfektionen sind eine interdisziplinäre Aufgabe,
konstatierte Prof. M. Ruhnke, Berlin. In den meisten Kliniken fehlt jedoch ein Experte
für Mykosen, der dazu beitragen könnte, die Probleme, die am Krankenbett auftauchen
- und vor allem deren Lösungsansätze - zusammenzuführen. Diesem interdisziplinären
Abstimmungsproblem entgegenzuwirken, sieht Ruhnke als designierter Vorsitzender der
DMykG für die nächsten drei Jahre als deren große Aufgabe. Wichtigstes Ziel dabei
ist nach Ansicht des Internisten, neben der Vermittlung von Wissen, Standards für
Diagnose und Therapie zu definieren.
Klar ist, dass auf die DMykG viel Arbeit wartet. "Inzwischen sind Pilzinfektionen
ein alltägliches Szenario in unseren Kliniken", schloss Ruhnke. "Insbesondere in der
Hämato-Onkologie und in der Transplantationsmedizin brennt es inzwischen lichterloh
und in der Intensivmedizin fängt es gerade an!" Und so schließt sich der Kreis: Nur
interdisziplinär lässt sich der Herausforderung "Pilzinfektion" begegnen
Quelle: Presserunde "MYK 2005 - 39. Wissenschaftliche Tagung der Deutschsprachigen
Mykologischen Gesellschaft"