Die USA gehören wie Deutschland zu den Ländern mit einer niedrigen Tuberkulose- Inzidenz.
In dieser Situation wird in den USA - anders als in Deutschland - seit einiger Zeit
offen über die Behandlung von latenten Erkrankungen nachgedacht (JAMA 2005; 293: 2776-2784).
Die US-Centers of Disease Control and Prevention (CDC) hatten bereits im Jahr 1989
einen Plan zur Elimination der Tuberkulose in den USA veröffentlicht. Darin forderte
die Behörde, möglichst viele Patienten mit einer latenten Tuberkulose zu behandeln.
Dies scheiterte bisher daran, dass es weder einen geeigneten Suchtest gibt, noch eine
einfache und vor allem komplikationslose Therapie zur Verfügung steht. Der Tuberkulintest
verspricht zwar seit mehr als hundert Jahren eine Diagnose der Tuberkulose. Doch die
Beurteilung der Hautreaktion ist subjektiv und schwer zu standardisieren - und es
gibt falsch positive und falsch negative Ergebnisse. Falsch positiv kann der Test
infolge einer Kreuz-Reaktion mit anderen Mykobakterien ausfallen. Falsch negative
Ergebnisse sind bei Immungeschwächten möglich, deren Zahl infolge von HIV und medizinischem
Fortschritt (Organtransplantation, bessere Prognose von Immungeschwächten) ständig
zunimmt.
Die Probleme in der Tuberkulose-Behandlung sind vielfältig
Das größte Problem ergibt sich durch die BCG-Impfung, die zu einem positiven Ergebnis
führt, unabhängig davon, ob die Impfung erfolgreich war oder nicht. Große Hoffnungen
werden deshalb auf neue T-Zell-basierte Assays gesetzt, von denen einer in den USA
und ein anderer in Europa zugelassen sind. Beide bestimmen die Immunreaktion auf spezifische
Bestandteile von M. tuberculosis, die nicht vom BCG-Impfstoff exprimiert werden. Doch,
wie Blumberg et al., Atlanta/USA, feststellen, steht keineswegs fest, dass diese Tests
auch jene Patienten mit latenter Tuberkulose herausfiltern, die ein hohes Risiko auf
eine Progression zur aktiven Erkrankung haben und bei denen eine Therapie lohnenswert
wäre. Noch kann derzeit abgeschätzt werden, ob die Behandlung der positiv getesteten
Personen das Reservoir von Erkrankungen in einem Niedrig-Prävalenz-Land wie den USA
(und Deutschland) wirklich beeinflussen kann. Blumberg plädiert für eine Behandlung
aller frisch Infizierten (etwa Personen mit Kontakt zu einer offenen Tbc) oder Personen,
die ein erhöhtes Risiko auf eine Progression zu einer aktiven Erkrankung haben. Dies
sind beispielsweise Immungeschwächte wie HIV-Infizierte oder Immigranten aus Ländern
mit hoher Tb-Prävalenz. Beide Kategorien sind jedoch nur unscharf umrissen.
Das zweite Problem besteht im Fehlen eines effektiven und sicheren Medikamentes für
die latente Tuberkulose. Das Mittel der Wahl ist zurzeit Isoniazid. Die Effektivität
wird laut Blumberg mit 12 bis 92% angegeben, wobei diese Schwankungen vor allem auf
Adhärenzprobleme bei den Patienten zurückzuführen sein dürften. Bei hoher Kooperation
des Patienten könnte die Effektivität bei 90% liegen, vermutet Blumberg. Die Bereitschaft
ist jedoch häufig schlecht, weil die Patienten Isoniazid über 9 Monate einnehmen müssen,
ohne dass sie durch die Erfahrung einer symptomatischen und ihr Leben bedrohenden
Erkrankung dazu motiviert wären. Sie müssen allerdings mit dem Risiko leben, durch
die Behandlung zu Schaden zu kommen. Das Risiko einer Hepatitis, der wichtigsten Komplikation
von Isoniazid, beträgt zwar nur 1-3/1000 Personen. Asymptomatische Leberfunktionsstörungen
sind jedoch häufiger, wobei der Alkoholkonsum der wichtigste Kofaktor für eine Leberschädigung
ist. Die Alternative zu Isoniazid besteht in der Gabe von Rifampicin über 4 Monate.
In der einzigen großen randomisierten klinischen Studie kam es allerdings bei 10%
der Teilnehmer in den ersten 5 Jahren nach dem Ende einer 3-monatigen Therapie zu
einer aktiven Tuberkulose, was nicht gerade für eine hohe Effektivität spricht.
Therapie mit Nebenwirkungen
Als dritte Option wurde zwischenzeitig die Kombination aus Rifampicin plus Pyrazinamid
angesehen. Nach der Empfehlung dieser Therapie durch die American Thoracic Society
im Jahr 2000 kam es jedoch zu 48 dokumentierten Fällen einer schweren Leberstörung,
teilweise mit Todesfolge, weshalb diese Kombination nicht mehr empfohlen wird. Zurzeit
lässt die CDC in einer randomisierten kontrollierten Studie eine Kombination von Isoniazid
mit Rifapentin untersuchen. Vorteil: Die Patienten müssten die Medikamente nur einmal
wöchentlich und nur über 3 Monate einnehmen. Ergebnisse der Studie werden jedoch erst
in einigen Jahren vorliegen.
Fazit
Solange die Indikation zur Behandlung einer latenten Tuberkulose nicht genau gestellt
werden kann, die Adhärenz der Infizierten nicht gewährleistet ist und die Therapie
mit Risiko verbunden bleibt, wird sich das Konzept zur Behandlung der latenten Tuberkulose
nur schwer durchsetzen lassen.