Pigmente gibt es im Pflanzenreich, in der Tierwelt und beim Menschen. Sie haben eine
lange Vorgeschichte. Pflanzenzellen und Einzeller verfügen über Abwehrmechanismen,
welche durch kurzfristige Freisetzung von Phenolen eingedrungene Mikroorganismen denaturieren
und damit ausschalten. Zur Limitierung der Wirkung werden die Phenolverbindungen durch
Polymerisation inaktiviert und an Trägerproteine gebunden. Letztere werden als große
und dadurch farbige Konglomerate intrazellulär abgelagert. Daraus entwickeln sich
im Laufe der Phylogenese bei den Wirbeltieren und den Menschen eigentliche Organelle
mit charakteristischer Struktur, die Melanosomen.
Die Abwehr- und Schutzfunktion kommt abhanden und wird abgelöst von freigesetzten
Abwehrstoffen wie Lysozym in der Tränenflüssigkeit oder Defensine der Hautoberfläche
[1]. Die hoch entwickelten Organismen bilden differenzierte und spezifische Abwehrsysteme
aus mit Phagozytose der Fremdstoffe durch Granulozyten, Makrophagen und Killerzellen.
Zudem werden immunologische Verstärkungssysteme entwickelt, bei den Wirbeltieren das
T-Zell-System mit Prägung im Thymus, und bei den Vögeln das B-Zell-System mit Prägung
in der Bursa Fabricii sowie bei Säugetieren und Menschen im lymphatischen System.
Die intrazelluläre Fremdstoffabwehr durch phenolische Denaturierung ist also entwicklungsgeschichtlich
obsolet geworden. Der Mechanismus aber bleibt als Relikt der Phylogenese partiell
bestehen und kommt als Pigmentwerk in Haut und Auge zu neuer Bedeutung. Die Melanosomen,
mit den hochkomplex polymerisierten Melaninen in ihre Lamellenstruktur eingebunden,
finden sich nur noch in den Melanozyten, die im dritten Embryonalmonat aus der Neuralleiste
ins Auge und die Haut auswandern. Dort versorgen sie die Zellen der Aderhaut und der
Epidermis, die Keratinozyten eben, mit Melanosomen. Beim Menschen gibt es, genetisch
unterschieden, das braunschwarze Eumelanin und das rotgelbe Phäomelanin. Entsprechend
der Anteile der beiden Melaninformen stellt sich die Hautfarbe mit gleitender Skalierung
von gelb-rötlich bis dunkelschwarz dar. Durch Steigerung der Bestückung der Keratinozyten
mit Melanosomen, die sich als Polkappen über die Zellkerne legen, kann die genetisch
festgelegte Pigmentierung vorübergehend gesteigert werden. Dies kann durch UV-Bestrahlung
und auch auf chemischem Weg stimuliert werden und wird Bräunung genannt. Das Gegenteil,
Abblassen der Pigmentierung, erfolgt durch Vermeidung der Stimulierung (Lichtschutz
also) oder kann auf chemischem Wege versucht werden (Bleichung). Beides, Bräunung
und Bleichung, sind Probleme und Anliegen, die sich durch die gesamte Kulturgeschichte
der Menschheit ziehen.
Der Pigmentgehalt und damit die Farbe der Haut ist ein wesentlicher Bestandteil der
sichtbaren Ausrüstung des Menschen, eines der rassischen Merkmale also. Und es gibt
Unterschiede, nicht in der Zahl der Melanozyten, aber in deren Leistungen. So sind
die Melanosomen der schwarzen Haut größer und werden einzeln den Keratinozyten transferiert,
welchen sie während der ganzen Differenzierung, bis in die Hornschicht, erhalten bleiben
und so die dunkle Farbe ausmachen. Bei den Weißen, auch Kaukasier bezeichnet, sind
die Melanosomen kleiner, werden von den Keratinozyten in Gruppen getragen und während
der Differenzierung schon in der Mitte der Epidermis abgebaut. Es resultiert eine
hellere, meist nur leicht braune Pigmentierung.
Den Extremfall mit weißer, gar nicht pigmentierbarer Haut, verbunden mit Lichtscheu
und Nystagmus, stellt der Albinismus dar, eine Mutation mit Ausfall der Tyrosinase, Schlüsselenzym der Melanogenese. Dieses
Enzym und seine Bedeutung zur Pigmentbildung wurde 1916, also vor 90 Jahren, von Bruno
Bloch (1878 - 1933) entdeckt [2], dem ersten dermatologischen Ordinarius in Basel ab 1908 und dann in Zürich 1916
- 1933. Im Gegensatz zu diesem „Tyrosinase-negativen Albinismus” kann man einen „Tyrosinase-positiven
Albinismus unterscheiden, ein Membrandefekt der Melanosomen, der im Laufe der Zeit
eine leichte rotgelbe Pigmentierung erreicht, ausschließlich durch Phäomelanin und
zudem recht spärlich (Abb. [1]).
Abb. 1 Trosinase-neg. Albino mit leicht gelblicher Einfärbung von Haut und Haaren im Alter,
sowie vorzeitige Hautalterung mit multiplen Basaliomen durch die ungeschützte Sonnenbelastung
im Gesicht.
Auch innerhalb der weißen Rasse gibt es markante Unterschiede, die sowohl die Basispigmentierung
als auch deren Stimulierbarkeit betrifft. Sie basieren auf dem genetisch determinierten
Verhältnis von schwarzbraunem Eumelanin und dem rotgelben Phäomelanin. Ein brauchbares
Schema zur Einteilung stammt von Thomas Fitzpatrick (Tab. [1] und Abb. [2])
Tab. 1 Tabelle der Hauttypen I - VI nach Fitzpatrick*
| Hauttyp |
Hautfarbe |
Entwicklung von Sonnenbrand/Sonnenbräune |
| I |
sehr helle Haut, Sommersprossen, rote Haare, helle Augen (keltischer Typ) |
Verbrennt praktisch immer/bräunt praktisch nie |
| II |
helle Haut, blonde Haare, helle Augen (skandinavischer Typ, Kaukasier) |
Verbrennt leicht/bräunt minimal |
| III |
hellbraune Haut, hellbraune bis dunkelbraune Haare, helle oder braune Augen |
Verbrennt gelegentlich/bräunt gut |
| IV |
mittelbraune Haut, dunkle Haare, dunkle Augen (mediterraner Typ) |
Verbrennt selten/bräunt sehr gut |
| V |
dunkelbraune Haut (asiatischer Typ, Orientalen, Lateinamerikaner) |
Verbrennt sehr selten,bräunt sehr gut |
| VI |
schwarze Haut (Afrikaner, Afroamerikaner) |
Verbrennt extrem selten bis gar nicht/sehr dunkle Pigmentierung |
| * Abb. C-21.1 aus Dermatologie von I. Moll, 6. Aufl. Duale Reihe 2005, Seite 534 |
Abb. 2 Hauttyp I, Gesicht einer jungen Frau mit rötlichem Haar und fehlender Pigmentierung.
Die Sommersprossen stellen Inseln dar mit geringem, durch Sonne wenig stimulierbarem
Melanozytenbesatz.
Zur Kulturgeschichte der Pigmentierung
Nach der Entstehung der Hominiden in Afrika vor 2,5 Mio. Jahren kam es zur Ausbreitung
in drei Wellen, Out-of-Afrika nach Europa und Asien, immer über die Landbrücke des
vorderen Orients. Mit der zweiten Welle vor 0,8 Mio. Jahren kam der Homo Heidelbergensis
und daraus der Neandertaler (vor 300 000 - 35 000 Jahren) nach Europa. In der dritten
Welle kam vor 150 000 Jahren der Homo sapiens, der heutige Mensch, nach Europa und
besiedelte zunächst die südlichen Regionen, um dann später auch weit nach Norden vorzudringen.
Frühe Siedelungen sind nachzuweisen und seit 60 000 Jahren auch Kulturdokumente.
Eine rassische Segregation erfolgte, als die Bevölkerungszunahme zu Begegnungen der Völker und zur Konkurrenz
um Land, Wasser und Ressourcen führten. Dabei spielte die Pigmentierung, dunkel im
Süden und hellhäutig im Norden, eine entscheidende Rolle im Wechselspiel des Pigmentschutzes
gegen übermäßige Sonnenexposition und der Möglichkeit der Photosynthese von Vitamin
D in der Haut durch Sonneneinstrahlung.
Mit dem Ende der letzten Eiszeit vor 14 000 Jahren beginnt die massive Besiedelung
der fruchtbaren Flusstäler. Siedelungen und Städte entstehen, die Bevölkerung nimmt
zu und die ersten Hochkulturen entstehen. Erneut entbrennt der Kampf um Land, Wasser,
Ressourcen und Handelswege. Politische und militärische Macht wird entfaltet und religiös
unterlegt. Dies führt wiederum zu Verschiebungen von Völkern oder Teilen derselben,
aktiv oder passiv. Eroberung oder Vertreibung, Aufstieg und Fall bestimmen die Weltgeschichte,
ohne dass die Klimaverträglichkeit der Menschen am neuen Standort berücksichtigt wird.
Dies setzt sich fort in den Völkerwanderungen, in der Entdeckung neuer Kontinente,
in der Kolonialisierung einerseits und der Versklavung anderseits.
Und auch die moderne Globalisierung führt dazu, dass viele Menschen mit der ihnen
eigenen Pigmentierung nicht in das zugewiesene Klima passen, resp. zum Bestehen des
Strahlungsklimas weder gerüstet noch geschult sind. Die einstmalige rassische Segregation
ist massiv durcheinander gekommen.
In Europa und dem vorderen Orient wird den hellhäutigen Rassen, wohl egozentrisch,
eine Dominanz zugeordnet, die auch in Kulturdokumenten festgehalten wird. Aber auch
innerhalb der hellhäutigen Völker wird blasse Haut als vornehm herausgestellt und
die Bräunung als Zeichen der Feldarbeit geschmälert. Dagegen erhebt sich verständlicherweise
Widerstand.
Es fängt schon früh an, beginnt doch das Mädchen den Wechselgesang im Hohen Lied [4] von König Salomo (965 - 926 v. Chr.) mit dem berühmten „ Nigra sum, sed formosa”:
„Braun bin ich zwar, doch hübsch,
ihr Töchter Jerusalems
wie die Zelte Kedars,
wie die Teppiche Salomos.
Seht mich nicht an,
dass ich so gebräunt bin,
dass mich die Sonne verbrannt hat.
Die Söhne meiner Mutter zürnten mir,
bestellten mich,
die Weinberge zu hüten -
meinen eigenen Weinberg
habe ich nicht gehütet.”
Sie gefällt sich, obschon sie sonnengebräunt ist von der Arbeit im Weinberg, die sie
unter Vernachlässigung der eigenen Blässe für die Brüder tat, braun wie die dunklen
Zelte der Nomadenstämme von Kedar oder wie das Lager von König Salomo selbst, das
er mit der schwarzen Königin von Saba teilte. Sie erachtet sich den blassen Töchtern
Jerusalems als gleichwertig.
Erst im 9. Jahrhundert nach Christi Geburt wurde der jüngste der drei Könige, die
dem Christkind an der Krippe zu Bethlehem huldigten, als Caspar der Mohr mit schwarzer
Hautfarbe dargestellt. Das Christentum ist für alle Menschen da, so sei es ausgedrückt,
und mache keine Rassenunterschiede.
Und in der Zeit der Kreuzzüge finden Begegnungen aller Art mit den Sarazenen oder
Mauren statt, welche deren Gleichwertigkeit mit den Kreuzrittern offen legen, zunächst
im Kampf, dann aber auch im höfischen Leben. Wolfram von Eschenbach hat dem Helden
Parzival einen Halbbruder, den Mischling Feirefiz gegenübergestellt, der im Duell
und am Hofe als Liebling der Damen durchaus gleichwertig auftritt [5]. Und im Mittelalter führt die Begegnung und die Konfrontation das alten Kontinents
mit Afrika und Asien zur Auseinandersetzung mit den Menschen schwarzer Haut [6] und den Asiaten mit gelber Haut hauptsächlich zur Rassendiskriminierung. Die Entdeckungen von Nord- und Südamerika, von Australien und den Pazifischen Inselgruppen
lassen die ganze Vielfalt menschlicher Rassen und insbesondere deren Pigmentierung
klar werden. Kolonialisierung und Versklavung sind Folgen davon und führen zur problemgeladenen
Bewältigung von Rassentrennung und Apartheid im vergangenen Jahrhundert.
Und auch die Bibel ist nicht ganz frei davon. Ham, der älteste Sohn Noahs, sah diesen
nackt und betrunken im Zelt liegen und wurde deshalb vom Vater verflucht [7]. Er und seine Nachkommen sollen seinen Brüdern als „Knecht der Knechte” dienen und
Hams Sohn Kusch trug als Zeichen des Fluchs schwarze Haut. Er gilt als Stammvater
der Äthiopier und der Schwarzafrikaner. Diese Auslegung diente zeitweise zur Argumentierung
des Sklavenhandels [8] und wurde erst Mitte des 20. Jahrhunderts aufgegeben.
Seit gut hundert Jahren zeigt sich unter den hellhäutigen Menschen eine neue Entwicklung.
Die weiße Haut als Zeichen des Wohlstandes ohne Feldarbeit kommt außer Mode. Die Naturalisten
und verwandte Bewegungen implizieren die natürliche Bräunung durch die Sonne infolge
ausgedehnten Aufenthalts im Freien. Wandern, Baden, Sport, Sonnenbaden etc. werden
propagiert und bewegen die Massen. Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Freiheit sind
Argumente und Wohlbefinden, Anmut der Bewegung, Schönheit und gemeinsame Unternehmungen
die Ziele. Gebräunte Haut ist schön und vermittelt Gesundheit sowie Freiheit. Bräunung
wird angestrebt und, wo sie durch die natürliche Sonne nicht erreicht wird, durch
künstliche Lichtquellen (Höhensonnen, Solarien etc.) ergänzt. Es entwickelt sich wahrlich
ein Bräunungswahn. Unkontrollierte und wiederholte Überexposition führt zu Sonnenbrand und zur Induktion
der lichtbedingten Hauttumoren nach Latenzzeiten von 1 - 3 Jahrzehnten, zur Photokarzinogenese. Das vernünftige Sonnenverhalten mit repetierten suberythematösen Dosen musste erst
vermittelt und erlernt werden. Noch ist das Ziel bei weitem nicht erreicht.
Und die Reaktion der Afrikaner aus Afrika und Amerika war zusammen mit der „Black
Power”-Bewegung selbstbewusst: „Black is beautiful!” Neuerdings aber ist diese Devise
nicht mehr konsistent. Die Bleichung der dunkelschwarzen Haut, die Aufhellung nimmt
überhand und dominiert die Mode der dekorativen Kosmetik. Aber der Bleichungswahn geht noch weiter, permanente Bleichung ist das neue Ziel mit einer Vielzahl von traditionellen
Rezepturen, effektiven, schädlichen und nur scheinbar wirksamen. Viele basieren neben
besonderen Kräutern meistens auf Kortikosteroiden und Hydrochinon und müssen immer
wieder aufgetragen werden, auch wenn Reizungen, Narben und die gefürchtete „Dyschromia
in Confetti” (Abb. [3]) drohen. Eine erst später manifeste Karzinogenese ist nicht ausgeschlossen. „Haut
light” ist das Traumziel vieler junger Frauen, ähnlich der hellbraunen Pigmentierung
der Mischlinge, nach dem französischen métis (Mischling, eigentlich falsch gewoben; Mulatte). „Le look métis” gilt als Maß der Dinge und die Haare sowie die Körperformung
werden zurecht gepasst [9].
Abb. 3 Dyschromia in Confetti, die missglückte, nur inselförmige, permanente Depigmentierung
an der Wange durch Anwendung von hydrochinonhaltiger Bleichcreme bei Chloasma uterinum.
Die gesuchte Bräunung der weißen und die Bleichung der schwarzen Haut scheinen ja
zu konvergieren. Sollte eine Einheitsfärbung in Hellbraun das Resultat der Bemühungen
sein, so müsste ja die Kreuzung der Rassen zum Ziel führen. Doch damit würde die Hautfarbe
zur Prägung der Individualität entfallen und müsste ersetzt werden durch andere, gemalte
(Body painting) oder „gestylte” Eigenheiten, wie es mit permanenter Kosmetik, mit
Tattoo und kosmetischen Operationen schon in bunter Vielfalt angeht.