Z Orthop Ihre Grenzgeb 2006; 144(1): 4-10
DOI: 10.1055/s-2006-933569
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Differenzialdiagnose des Rückenschmerzes: Standard einer orthopädisch-manualdiagnostischen Funktionsdiagnostik des Rückenschmerzes

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Dr. Hermann Locher

Facharzt für Orthopädie Spezielle Schmerztherapie Chirotherapie Sportmedizin

Lindauer Straße 16/1

88069 Tettnang

Publication History

Publication Date:
23 February 2006 (online)

 
Table of Contents

Die rationale Differenzialdiagnose des Rückenschmerzes ist ein äußerst umfängliches Vorgehen, das Ruhe, Zeit, viel Aufmerksamkeit und Raum für ungestörtes Gespräch mit dem Patienten erfordert; gilt es doch, verschiedenste Symptome zusammenzutragen und vor allem anamnestische Angaben, klinische Befunde und psychosoziale Gesamtsituation des Patienten zu einer Diagnose zu vereinen, bei der die bildgebenden Verfahren in aller Regel nur eine exkludierende Funktion haben.

Der folgende Beitrag stützt sich auf eine persönliche Befragung, Untersuchung, Dokumentation und Behandlung von ca. 27000 Patientinnen und Patienten mit tief sitzendem Rückenschmerz (Low-back-pain), die in meiner Facharztpraxis für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin und Spezielle Schmerztherapie seit Dezember 1987 untersucht, befragt und behandelt worden sind. Die Anzahl ist an der Gesamtzahl der Röntgenuntersuchungen LWS in 2 Ebenen im Zeitraum von 1987 bis 2003 ermittelt.

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Die Schmerzanalyse

Um die Möglichkeiten der klinischen Untersuchung und insbesondere der Funktionspalpation vollständig auszuschöpfen, ist es unabdingbar, sich vorab mit einigen Grundbegriffen der so genannten Schmerzanalyse vertraut zu machen.

Die Internationale Gesellschaft für Orthopädische Schmerztherapie hat 2001 auf ihrem Konzeptionstreffen in Romanshorn (Schweiz) folgende Schwerpunkte der Schmerzanalyse formuliert:

  1. Nozigeneratoren

  2. Somatopsychische Reflexantwort

  3. Chronifizierungsmechanismen

  4. Inhibitorische Systeme

Nur die Betrachtung dieser einzelnen Themenkreise und deren Kombination, erlaubt, eine Schmerzsituation am Bewegungsorgan richtig einzuschätzen und sie vor allem einer rationalen Therapie zuzuführen.

Der Beitrag beschreibt eine erlernbare Technik zur funktions-palpatorischen Differenzierung verschiedener Schmerzzustände am Achsenorgan, wobei Kriterien der primären und sekundären Hyper-algesie analysiert werden. Grundlage ist die von der IGOST formulierte Schmerzanalyse am Bewegungsorgan unter Rückgriff auf Nozigeneratoren, somatopsychische Reflexantwort, Chronifizierungsmechanismen und inhibitorische Systeme. Sie setzt einen Kontrapunkt zum vielerorts formulierten palpatorischen Nihilismus in der Schmerzevaluation am Achsenorgan. Zugrunde liegen 27000 untersuchte Patienten in den Jahren 1987-2003.

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Nozigeneratoren

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Rezeptorschmerz

Die C- oder A-Delta-Faser reagiert auf adäquate Reize, das heißt überschwellige nozizeptive Noxen, wie Schlag, Druck, Schnitt, Hitze, Säure mit elektrischen Entladungen, die über die C-Faser, das Spinalganglion (Pericaryon der C-Faser) zum Rückenmarkhinterhorn geleitet werden, wo sie über eine glutamaterge Synapse auf das zweite Neuron (Wide-dynamic-range-Neuron) übertragen werden. Charakteristisch für den Rezeptorschmerz ist, dass mit Beendigung der Noxe auch der Schmerz meist sehr schnell wieder aufhört, das klassische Beispiel für einen Rezeptorschmerz ist eine Wirbelgelenksblockierung, die über reaktive Muskelverspannung und Nozireaktion aus der artikulären Region zu einer schmerzhaften Funktionsstörung führt. Bei rechtzeitiger Remobilisierung einer solchen Funktionsstörung auf dem Boden eines Rezeptorschmerzes ist der Schmerz sofort und nachhaltig zum Verschwinden zu bringen.

Tritt eine Noxe wiederholt ein oder wird die motorische Nozireaktion nicht unterbrochen oder besteht eine lang anhaltende noxische Einwirkung, so setzt im Zeitraum von Stunden bis Tagen die so genannte neurogene Entzündung ein, bei der durch die Sekretion von Substanz P aus den Dendriten des ersten Neurons eine Aktivierung von Entzündungsreaktionen eintritt. Hier wird insbesondere durch die Phospholipase A 2 vermittelte Freisetzung von Arachidonsäure aus den Zellmembranen und deren Umsetzung in Prostaglandin E 2 durch Zyklooxygenase II das gesamte nozizeptive System peripher aktiviert. Es kommt zu einer Vasodilatation, zu einer Extravasation mit hämodynamischen Veränderungen und Veränderungen des Gewebsmilieus, was insgesamt zu einer Absenkung der Reizschwelle für Nozizeptoren führt. Eine biochemische Veränderung der Umgebung der Nozizeptoren in der oben beschriebenen Weise führt zur so genannten primären Hyperalgesie, das heißt Reize, die vorher nicht schmerzhaft waren, werden jetzt schmerzhaft.

Eines der häufigsten Beispiele für dieses Phänomen ist der Sonnenbrand, bei dem es durch strahlenbedingte neurogene Entzündung der Hautnozizeptoren zu Schmerzempfindungen bei normalen Berührungen kommt, die vor dem Sonnenbrand nicht schmerzhaft waren. Dieser Vorgang ist besonders bedeutsam für alle Nozizeptoren, die im Bereich der Wirbelsäule anzutreffen sind, insbesondere in Gelenken, Bändern, Nukleus-pulposus-Randschichten, Dura mater und Wirbelbogen- und Wirbelkörperperiost. So können die Vorgänge der primären Hyperalgesie eine erheblich veränderte Reaktionslage hervorrufen, bei der schon geringe Belastungen und geringfügige Bewegungen in erhebliche Schmerzreize verwandelt werden können.

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Arthrogene Entzündung

Prinzipiell besteht hier eine Systemverwandtschaft mit der neurogenen Entzündung, wobei die arthrogene Entzündung sich im synovialen Raum abspielt und hier noch besonders Zytokine aus Makrophagen zu betrachten sind, die als gemeinsame Endstrecke ebenfalls die Phospholipasen und Zyklooxygenase II aktivierten und hier zu einer Sensibilisierung von meist synovial und periostal liegenden Nozizeptoren führt. Neurogene und arthrogene Entzündung sind Schutzreaktionen des Körpers, um das betreffende Individuum zur Einsicht im Umgang mit den jeweiligen Strukturen zu bringen, wenn chronische Überlastungen, Traumata oder ähnliche Störungen vorliegen.

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Nervenschmerz

Wenn periphere Nerven oder Spinalnerven durch Kompression, Zug, Schnitt oder Durchtrennung sowie durch metabolische Veränderungen schwer geschädigt werden, können sie zu Nozigeneratoren werden, bei denen auf letztlich nicht ganz geklärte Art und Weise die Membranen zu ektopischen Herden werden, die nozizeptive Reize nach zentral senden. Hier ist vor allem die Änderung des Aktionspotenzialmusters im Hinblick auf die Ausbildung der Charakteristika, der so genannten neuropathischen Schmerzen von Bedeutung. Nervenschmerz und neuropathischer Schmerz wird in der Regel synonym gebraucht. Die erweiterte Definition neuropathischer Schmerzen betrifft heute auch die Veränderung im Bereich der C-Faser-Repräsentanz, der Verlust von inhibitorischen Interneuronen, die Veränderungen im Sinne der sympathischen Systemaktivierung im weitesten Sinne und nicht zuletzt die Gleichschaltung von A-Beta-Fasern mit Noziafferenzen, die dann zu umfangreichen Enthemmungen des Schmerzsystems führen. Die Übergänge in den Definitionen sind heute im Hinblick auf sympathische Systemaktivierung und sekundäre Hyperalgesie in Einzelbereichen fließend. Hier muss die weiterführende Literatur und insbesondere die Grundlagenforschung weiterhelfen.

Alle jetzt genannten noziafferenten Aktivitäten erreichen mittels der genannten glutamatergen Synapse im Rückenmarkshinterhorn, insbesondere in der Lamina 1, 2 und 5 das Wide-dynamic-range-Neuron (früher spinothalamisches Projektionsneuron), von wo die Noziafferenz dann nach zentral geleitet wird.

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Somatopsychische Reflexantwort

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Verarbeitung im Gehirn

In gröbster Vereinfachung kann man davon ausgehen, dass die zentral gerichtete Afferenz aus dem nozizeptiven System im Hirnstamm eine vegetative, in der Hypophyse eine endokrine, im Thalamus eine topische, im limbischen System eine affektive und im postzentralen Neokortex eine kognitive Reflexantwort des Zentralnervensystems findet.

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Verarbeitung auf segmentaler Ebene

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Motorische Systemaktivierung:

Axonkollateralen des Tractus spinothalamicus treffen im Vorderhorn auf Motoneurone, die vor allem Flexoren der Extremität innervieren. So kann durch eine überschwellige nozizeptive Afferenz, z.B. durch einen Hitzereiz am Finger, eine unbewusste Flexorreaktion ablaufen, die die Extremität aus der Gefahrenzone bringt. Gleichzeitig wird über ein inhibitorisches GABA-erges Interneuron der Extensor gehemmt, um eine Beugung z.B. im Ellenbogengelenk zu ermöglichen. Diese neuronale Verschaltung ist die physiologische Basis für den Schutzreflex.

Am Wirbelgelenk kann eine überschwellige Noziafferenz z. B. aus der Subchondralregion oder aus der Kapsel eine solche Noziafferenz erzeugen, die dann auf einem ähnlich gelagerten Reflexbogen zu einer spastischen Schutzkontraktion der tiefen autochthonen Muskulatur führt. Hier kommt es dann zur so genannten Blockierung, d.h. der reversiblen segmentalen Bewegungsstörung im Sinne der Hypomobilität.

Die Erkenntnis, dass ein efferenter motorischer Nerv eine große Anzahl vegetativer Fasern mit sich führt und gleichzeitig mit der motorischen Aktivität, d.h. im Kontraktionsreiz der Muskulatur auch die Regulation der Durchblutung vermittelt, erklärt uns, warum in einer chronisch einlaufenden Noziafferenz im Bereich der Flexoren hier ein Hypertonus und eine vermehrte Durchblutung auftritt, im Extensor hingegen eine chronische Minderdurchblutung eintritt, die Hypoxämie einhergeht und hier hypoxämische Schmerzen erzeugt. Dies erscheint als plausibelste Grundlage für die verschiedensten klinischen Bilder, die bei der so genannten muskulären Dysbalance auftreten (Supraspinatussyndrom, Levator-scapulae-Syndrom, Tensor-fasciae-latae-Syndrom, hypotone Tendomyosen der Unterarmstrecker, z.B. Epicondylopathia humeroradialis u.v.a.m.).

Dieser Mechanismus ist auch im weitesten Sinne auf die Beuger und Strecker der Wirbelsäule am Rumpf und im Bereich der HWS zu übertragen und erklärt dort Muskelschmerzen der Rückenstrecker bei ausgeprägter muskulärer Dysbalance.

Ein weiterer Aspekt der Regulation des peripheren Muskeltonus wird über das gammamotorische System vermittelt, wo absteigende Fasern aus dem limbischen System Gammamotoneurone im Vorderhorn erreichen, die über die Regulation der intrafusalen Muskeln in den quer gestreiften Extremitäten- und Rumpfmuskeln hier die Grundtonisierung steuern. Dieser auch wieder grob vereinfachte Beschreibungsweg ist die neurophysiologische Grundlage für die Verknüpfung zwischen Psyche, Muskelspannung und Schmerz. Das landläufig bekannte Phänomen, dass Schmerzen wesentlich stärker empfunden werden, wenn sie gleichzeitig angstbesetzt sind, hängt zum Teil mit dieser neurophysiologischen Verknüpfung zusammen. Hier ist auch der pharmakologische Ansatz für zentral wirksame Muskelrelaxanzien als Schmerzmedikamente zu unterstellen.

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Sympathische Systemaktivierung:

Zu den sympathischen Grundneuronen in den Rückenmarksseitenhörnern des Brustmarkes (im Durchschnitt von D 2 bis L 1) ziehen ebenfalls Axonkollateralen des Wide-dynamic-range-Neurons, die auch im Bereich des sympathischen Systems eine metamer verankerte Reflexantwort hervorrufen. Hier werden verschiedenste Mechanismen diskutiert, wobei die Irritation der Rami communicantes albi über synaptische Umschaltung im Grenzstrang und Fortpflanzung der Erregung über die Rami communicantes grisei zu den einzelnen Erfolgsorganen zugrunde gelegt wird. Eine letztliche pathogenetische Zuordnung in diesen Fragen ist immer noch schwierig. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass eine chronische Noziafferenz oder eine chronisch rezidivierende Noziafferenz auch im sympathischen System nach relativ kurzer Zeit bei entsprechender Disposition zum Teil erhebliche Störungen hervorrufen kann. Die bekannte, so genannte Sudeck'sche Reflexdystrophie wird heute mit der Begrifflichkeit Complex regional pain syndrome Typ I (CRPS I) belegt. Die klinische Beobachtung der Causalgie, d.h. des sympathisch vermittelten Schmerzes ohne Reflexdystrophie, wird heute mit dem Begriff Complex regional pain syndrome II (CRPS II) bezeichnet. In der klinischen Unterscheidung und insbesondere mit der probatorischen Sympatholyse mit Lokalanaesthetika lässt sich unterscheiden, ob ein sympathisch mitvermittelter Schmerz (sympathetically maintain pain - SMP) oder ein vom Sympathikus unabhängiger Schmerzzustand, ein so genannter sympathetically independent pain - SIP) vorliegt. Hier leitet sich die Indikation zur seriellen Sympathikolyse (z.B. Stellatumblockade) ab.

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Chronizifierungsmechanismen

Im Grunde genommen sind Chronifizierungsmechanismen, so sehr sie uns in manchen klinischen Verläufen als unüberwindliche Akzentuierer und Perpetuierer von Schmerzen entgegenstehen und schwer zu behandelnde, quälende Schmerzbilder erzeugen, doch teleologisch betrachtet äußerst wichtige Mechanismen, um einen Schmerz, der von seinem Träger nicht ausreichend als Schutzmechanismus wahrgenommen wird, zu der Bedeutung zu verhelfen, die er als Schutzmechanismus zum Erhalt des Gesamtorganismus hat. Die Chronifizierungsmechanismen sind sehr zahlreich und ausgeklügelt. Im Folgenden sollen die wichtigsten knapp und wieder stark vereinfacht beschrieben werden.

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Wind-up

Das Wide-dynamic-range-Neuron reagiert auf intensive Schmerzreize in der Weise, dass es auch nach Wegfall der entsprechenden Stimulation autoaktiv bleibt und weiter nach zentral selbständig Reize erzeugt, die als Schmerz wahrgenommen werden. Mit der Zeit verliert sich das Wind-up wieder, wenn die Schmerzreize unterbleiben. Das Wide-dynamic-range-Neuron hat auch eine Memory-Funktion, dass es die gleichen Effekte bei Wiederauftreten nach einem gewissen Intervall stärker beantwortet, als wenn es noch nie mit derselben Noxe sich auseinander gesetzt hätte.

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Zentrale Sensibilisierung durch Prostaglandin E 2 durch zentrale Zyklooxygenase 2

In letzter Zeit ist die Rolle der zentralen Zyklooxygenase 2 vor allem aus Gliazellen und aus Interstitiumzellen des Rückenmarks in den Brennpunkt des Interesses gerückt. Diese Zyklooxygenase ist im Gegensatz zu den meisten peripher auftretenden Zyklooxygenasen konstitutiv, d. h. sie muss nicht erst durch eine Noxe induziert werden, sondern kann sehr schnell auf zentrale Reizübertragungsmechanismen reagieren. Über das entstehende Prostaglandin E 2 werden Wide-dynamic-range-Neurons und auch präsynaptische Rezeptoren derart sensibilisiert, dass das Gesamtsystem der Übertragung vom ersten zum zweiten Neuron aktiviert wird und eine überschießende Reaktion auftritt. Diese Mechanismen sind die Hauptfaktoren zur Entstehung der sekundären Hyperalgesie, bei der z.B. Hautafferenzen durch zentrale Verschaltung schmerzhaft werden (Allodynie). Hier ist auch ein wichtiger Angriffspunkt zentral wirksamer Zyklooxygenasehemmer. Auf diese Art und Weise stellt man sich auch die Aktivierung so genannter schlafender Nozizeptoren vor.

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Synapsen zu A-Beta-Fasern

Durch entsprechend lang dauernde Noxen werden auf zentraler Ebene vorbestehende Synapsen zwischen C-Fasern und A-Beta-Fasern geöffnet, wodurch Bewegungsreize, die primär nicht nozizeptiv sind, zu Nozizeptoren werden und normalerweise nicht schmerzhafte Bewegungen werden schmerzhaft. Der Mechanismus ist geeignet, eine verletzte oder entzündete Extremität durch Schmerzhaftigkeit ruhigzustellen.

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Transkription

Durch Aktivierung bestimmter Membranrezeptoren, insbesondere NMDA- und AMPA-Rezeptoren kommt es über komplexe intrazelluläre Vorgänge zur Aktivierung des Genoms der Wide-dynamic-range-Neurons (WDR). Jetzt werden über Transkription und Translation Membranrezeptoren, Neurokinine und Transmitter hergestellt, die das biochemische Milieu der Wide-dynamic-range-Neurons und ihrer Umgebung deutlich verändern. Dasselbe passiert auch im Pericarion des ersten Neurons, das im Spinalganglion gelegen ist und es erfolgt hier z.B. eine Vermehrung der Natriumkanäle (sensitive-neuron-specificion-channels) in der Peripherie, wodurch das System eine erhöhte Reagibilität erfährt. Hier ist der therapeutische Ansatz wieder Natriumkanalblocker und Antinozizeptiva.

NMDA-Rezeptoren können heute mit Ketamin und anderen Stoffen erfolgreich blockiert werden, wodurch z.B. derartige Transkriptionsvorgänge verhindert werden können.

Es entstehen auf gleichem Wege auch acid-sensitive-ion-channels, also säuresensible Ionenkanäle, die auf pH-Wert-Veränderungen insbesondere Verschiebungen Richtung sauer mit vermehrter Aktivität des nozizeptiven Neurons antworten. Hier liegt der Ansatz für alkalisierende und diätetische Maßnahmen, wie sie in der Naturheilkunde zahlreich Einsatz finden.

Ein weiterer verheerender Mechanismus in der Veränderung des zentralen Schmerzsystems ist die Apoptose von inhibitorischen Interneuronen, wie sie passieren kann, wenn eine Überschwemmung mit Glutamat bei extrem starken Reizen auftritt. Es kommt dann zur Lyse inhibitorischer Interneurone und damit zum ungebremsten Einfall nozizeptiver Afferenzen in das schmerzleitende System. Dieser Mechanismus wird auch bei der Entstehung so genannter neuropathischer Schmerzen diskutiert.

Eine mechanische Schädigung im Bereich des Spinalganglions, wie sie bei Operationen und Traumatisierungen auftritt, führt zu einer Neubildung sympathischer Fasern im so genannten sympathischen Sprouting, wodurch ebenfalls die Reaktionslage stark verändert wird und wodurch vor allem eine erhöhte Mechano-Sensibilität auf Zug- und Bewegungskräfte im Bereich der Meningen der Spinalnerven eintritt, was beim Postnukleotomiesyndrom einen erheblichen Beitrag zur Chronifizierung leisten kann. Ähnlich verhalten sich Ephapsen, die zwischen sympathischen Fasern und nozizeptiven Fasern gebildet werden, wodurch eine Sensibilisierung auf Noradrenalin stattfinden kann, die vor allem bei Stressreaktionen und bei gesteigerter sympathischer Efferenz erhebliche Schmerzzustände herbeiführen kann (siehe sympathische Systemaktivierung).

Die genannten Chronifizierungsfaktoren führen in der Summe zu einer Vergrößerung der nozizeptiven rezeptiven Felder, was einem dynamischen Prozess gleichkommt und was erklärt, dass bestimmte Schmerzen sich manchmal langsam, manchmal auch ziemlich schnell ausbreiten und auf andere benachbarte Systeme und Strukturen übergehen. Es kann hier auch mit der Zeit eine ganze Körperhälfte betroffen sein und den Patienten veranlassen, über Schmerzen in allen Bereichen nur auf der rechten Körperhälfte zu klagen, was immer wieder eine Fehleinschätzung durch den Behandler hervorgerufen hat und manche Patienten zu Unrecht in die Nähe von Psychologie und Psychotherapie gerückt hat.

Bevor eine funktionelle Therapie greifen kann, ist immer die medikamentöse Verkleinerung der nozizeptiven Felder durch Rückbau zentraler Chronifizierungsmechanismen anzustreben, insbesondere durch Gabe zentraler Zyklooxygenasehemmer, Antinozizeptiva und von Natriumkanalblockern sowie Opioiden, wodurch meist dann die Rückgewinnung der schmerzinhibitorischen Systeme (siehe unten) gelingt. An dieser Stelle müssen auch Begriffe wie "Konditionierung von Schmerzperzeption und nachfolgende zentrale Neuroplastizität" Erwähnung finden, die nichts anderes widerspiegeln, als dass das Schmerzsystem lernfähig ist und dass im weitesten Sinne ein Trainingseffekt von wiederkehrenden Schmerzreizen ausgeht. Aus dieser Erkenntnis muss gefolgert werden, dass starke Schmerzzustände schnell, effektiv und unter Umständen aggressiv bekämpft werden müssen, um die Belebung des Chronifizierungsszenarios erst gar nicht eintreten zu lassen.

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Inhibitorische Systeme

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GABA-erges inhibitorisches System

Alle so genannten epikritischen Afferenzen, insbesondere Berührungs-, Bewegungs-, Spannungs- und Stellungsafferenzen, die durch verschiedenste Tastkörperchen (Vater Pacini, Ruffini, Golgi u.a.) vermittelt und in allen Geweben des Bewegungsorgans reichlich vorhanden sind (Gelenke, Sehnen, Bänder, Knorpelstrukturen etc.) vermitteln neben der epikritischen Sensibilität segmental eine Aktivierung so genannter GABA-erger inhibitorischer Interneurone, die einer Down-Regulation der Aktivität des Wide-dynamic-range-Neurons Vorschub leisten. Die Beobachtung, dass das intensive Streichen der umgebenden Hautregion einer punktuell stark traumatisierten Region der Kopfhaut zum Beispiel zu einer schnellen Schmerzlinderung führt, demonstriert diesen Effekt, wodurch Berührungsreize auf umliegende inhibitorische Interneurone die eigentliche Schmerzleitung unterdrückt wird. Dieser Effekt liegt zahlreichen so genannten funktionellen Therapiemethoden zugrunde, wie z.B. Krankengymnastik, manuelle Mobilisierung, manipulative Therapie, so genannte Bewegung im schmerzfreien Raum, sofern nicht durch sekundäre Hyperalgesie die inhibitorischen rezeptiven Felder überlagert und in nozizeptive Felder übergegangen sind (siehe oben). Die Aktivierung der GABA-ergen Inhibitionssysteme ist ein zentrales Anliegen der Verhinderung von Chronifizierung, der Reaktivierung chronisch Schmerzkranker und der Rehabilitation von Verletzten oder Invaliden.

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Das opioiderge System

Die A-Delta- und C-Fasern überwiegend unterhalten synaptische Verbindungen zu opioidergen Interneuronen, die dann durch entsprechende Aktivierung ebenfalls zu einer DownRegulation des WDR führen. Dieser Vorgang ist durch endogene Opioide, exogene Opioide und auch durch Akupunktur anzuregen. Auch körperliche Ausdaueraktivität scheint über das periaquäduktale Grau und die Raphe-Kerne zu einer Aktivierung des endogenen inhibitorischen Systems führen zu können. Hier liegen vor allem die Angriffspunkte der oralen, parenteralen oder transdermalen Opioidgabe, die heute eine große Rolle bei der medikamentösen Kombinationstherapie akuter und chronischer Schmerzen spielt.

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Das serotoninerge System

Absteigende Fasern, insbesondere aus der Region des periaquäduktalen Grau- und der Raphe-Kerne, erreichen mit serotoninergen Synapsen die Ebene des Wide-dynamic-range-Neurons und können hier ebenfalls zu einer Reduktion der Weiterleitungsaktivität führen. Hier sind vor allem auch der Anstoß zentralnervöser Vorgänge zu betrachten, wo Begriffe wie Gebrauchtwerden, Geliebtwerden, Erfolg haben, also Verstärkung finden, Angenommensein, ihre Verankerung im Schmerzgeschehen haben. Hier ist also neben der gammamotorischen Efferenz auch eine inhibitorische Efferenz Spiegel des psychischen Befindens und der auch peripheren Steuerung der Schmerzweiterleitung. Die intrapsychischen Mechanismen, die zu einer Veränderung der Schmerzwahrnehmung führen, müssen im Großraum der inhibitorischen Systeme ebenfalls Betrachtung finden. Hier liegt noch vieles im Bereich der nicht letztlich nachvollziehbaren Vorgänge, die uns aber aus der Empirie und auch aus dem empirisch therapeutischen Umgang zur täglichen Aufgabe werden müssen.

Medikamentös ist hier der Angriffspunkt für so genannte Serotonin-Reuptakehemmer und trizyklische Antidepressiva, denen aber auch z.B. natriumkanalblockierende Wirkung und andere Wirkung im Schmerzsystem nachgesagt werden.

Bemerkenswerterweise findet die Aktivierung und Rekonditionierung der inhibitorischen Systeme bisher vor allem in der Erfahrungsmedizin und in der Funktionsmedizin statt. Hier liegt der Schlüssel für eine suffiziente langfristige Schmerztherapie, der uns zwingt, von der einst noch nicht weit zurückliegenden, sehr verbreiteten Auffassung die Reduktion der Noziafferenz durch Beseitigung der Schmerzursache oder die Blockierung der Schmerzleitung seien suffiziente Schmerztherapie, abzurücken.

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Multimodale Schmerztherapie

Eine gute multimodale Schmerztherapie wird neben einer medikamentösen Kombination immer auch den Rückgriff auf eine funktionelle und eine so genannte naturheilkundliche Methode beinhalten, um alle möglichen Mechanismen zu erreichen, die eine Rekonditionierung oder die eine Restitution physiologischen Schmerzerlebens zur Folge haben können.

Auf dem Boden des Gesagten darf heute folgendes Statement gelten:

Nur die aktuelle Standortbestimmung unter Einbezug von

  • Gespräch/Befragung,

  • klinischer Untersuchung (orthopädisch, neurologisch, schmerzpalpatorisch, funktionspalpatorisch),

  • bildgebenden Verfahren

  • Laboruntersuchungen unter Bezug auf die Komplexe,

  • Art und Aktivität der Nozigeneratoren,

  • Umfang und Qualität der somatopsychischen Reflexantwort,

  • zeitlicher und qualitativer Entwicklung der Chronifizierungsmechanismen,

  • Kondition der inhibitorischen Systeme

  • sowie biographischer und soziopsychischer Ist-Wert des Patienten nämlich die Schmerzanalyse gestattet die Anlage eines individuellen Therapieplans.

Der Ablauf einer orthopädisch schmerztherapeutischen Untersuchung bei Kreuzschmerzen folgt im Wesentlichen dem folgenden Untersuchungsgang:

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Ablauf der Untersuchung:

  • Schmerzvorgeschichte

  • Allgemeinärztliche Orientierung

  • Orthopädischer Befund

  • Muskelstatus

  • Spezielle Schmerzpalpation

  • Nozizeptive Funktionsanalyse

  • Spezifizierung subjektiver Phänomene

  • Neurologische Untersuchung

  • Analyse modulierender Faktoren

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Schmerzvorgeschichte:

  • Wo?, Wohin ausstrahlend?, Wie weit?

  • Seit wann?, Wobei aufgetreten?, Seither zugenommen?

  • Wie verhält sich der Schmerz im Tagesverlauf? Nachts?

  • Gibt es Unterschiede beim Sitzen, Gehen oder Stehen?

  • Gibt es Tätigkeiten, bei denen der Schmerz zunimmt?

  • Früher schon solche oder ähnliche Schmerzen gehabt?

  • Jahreszeitliche Häufung? Häufigkeit allgemein?

  • Schon deswegen behandelt worden? Wie?

  • Fachärztliche Intervention? Stationär? Großgeräte?

  • Operationen? Medikamente? Injektionen? Katheter?

  • Was fällt Ihnen noch zu Ihrem Schmerz ein?

Bei der Evaluation von Schmerzpatienten hat sich der IGOST-Fragebogen sehr bewährt (HKR 10).

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Allgemeinärztliche Untersuchung:

  • Fragebogen:

  • Zucker?, Hochdruck?, Gicht?, Verdauungsstörungen?

  • Asthma?, Allergie?, Marcumar?, Magen,?

  • Schrittmacher?, Künstliche Gelenke? Osteoporose?

  • Dauernd Medikamente? Welche?

  • Chemotherapie?, Bestrahlungen?

  • Operationen?, Gyn?

  • Persönliches Gespräch:

  • Malignome?, Neurologische oder psychiatrische Erkrankung?

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Klinische Untersuchung:

Gang Armpendel, Auftritt, Symmetrie, Beckenbewegung, Knie-, Hüft-OSG-Funktion, Beinrotation

Stand Sakrumstand, Frontalstatik, Sagittalstatik, Schulterposition, Zehenstand, Fersenstand, Fußaußenrand, Fußinnenrand,

Funktion FBA, Seitneigung, Reklination, Rotation im Sitzen, Vorlaufphänomen LWS Segmentale Mobilitätsprüfung LWS, Springing-Test, Vorlaufphänomen SIG, Spine-Test, Patrick-Kubis-Test, Variable Beinlängendifferernz, Hüftgelenke Funktionsprüfung der Kopfgelenke, Meningismus-Prüfung

Muskelprüfung M. psoas, M. piriformis, M. quadratus lumborum, Ischiokruralmuskulatur, Oberschenkelaußendreher, Zeichen der muskulären Dysbalance

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Neurologische Untersuchung:

  • Sensibilität nach Dermatomen

  • Motorik nach Kraftgraden 1-5

  • ASR, PSR und Tibialis-anterior-Reflex

  • SLRT und Bragard-Zeichen

  • Zeichen der sensorischen Systemaktivierung

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Spezielle Schmerzpalpation:

  • Kibler-Falte, Haut, Erektorkonsistenz, Faszien, Spina dorsalis,

  • Ventralisation Dornfortsatz L3, L4, L5 und S1

  • Tiefpalpation der Paravertebralregion in versch. Segmenthöhen

  • Tenderpoints, Triggerpoints

Das Herzstück der klinisch funktionellen Untersuchung ist die so genannte nozizeptive Funktionsanalyse: Es wird im ersten Schritt die segmentale Mobilität geprüft, im zweiten Schritt die segmentale Irritation palpiert und im dritten Schritt eine funktionelle Bewegungsanalyse der segmentalen Irritation durchgeführt.

  1. Schritt eins weist uns auf das bewegungsgestörte Segment hin. Zugrunde liegen bei der Palpation die allgemein anerkannten Palpationskriterien zur Funktionsanalyse, wie sie den einschlägigen Werken der Manuellen Medizin, insbesondere dem Standardwerk chirodiagnostische und chirotherapeutische Technik von Hans-Peter Bischoff zu entnehmen sind.

  2. Die Palpation der segmentalen Irritation lässt uns auf die motorische Systemaktivierung im jeweiligen Segment Rückschluss ziehen, wo, wie oben bereits erwähnt, die einfallende nozizeptive Afferenz, aus welcher Struktur im Segment auch immer, die motorische Systemaktivierung bevorzugt im Bereich der tiefen autochthonen Muskulatur erzeugt. Das Vorhandensein einer segmentalen Irritation im Segment besagt nichts über die Qualität, die Intensität und die Natur der Noziafferenz, sondern weist uns nur darauf hin, dass im Segment eine Nozireaktion stattfindet.

  3. Der dritte Schritt, die funktionelle Analyse der segmentalen Irritation, kann uns Hinweise auf eine unterscheidbare Bewegungsrichtung, nämlich die so genannte gesperrte Richtung oder freie Richtung geben. Die gesperrte Richtung ist die Bewegungsrichtung, in der die Noziafferenz zunimmt. Die freie Richtung, in der die Noziafferenz in der Regel abnimmt. Wenn ein schmerzhaftes System sich so verhält, dass eine richtungsverschiedene nozizeptive Antwort erzeugt wird, können wir davon ausgehen, dass im Bereich des Nozizeptors oder betroffenen Nozizeptoren noch keine nennenswerten Chronifizierungsvorgänge stattgefunden haben, d.h. unser System bewegt sich noch im Bereich des so genannten Rezeptorschmerzes ohne chronifizierende Modulation, der, wie ebenfalls oben beschrieben, bei Wegfall der Noxe sofort wieder verschwindet. Dies ist z. B. die Symptomatologie der klassischen Blockierung im Frühstadium, die durch Auflösen der Überlastungsreaktion im Gelenk und der damit verbundenen reaktiven Muskelhypertonie zu einer schlagartigen Schmerzfreiheit und Rückgewinnung der Funktion führen kann (dies ist der seltene Fall einer primär möglichen, erfolgreichen Manipulation, die das eingetretene akute Schmerzbild sofort nachhaltig zum Erliegen bringt.

    "Der Jammer ist nur, dass es ein ganzes Leben braucht, um die klinische Weisheit zu erwerben, die einen Arzt befähigt, das zentrale medizinische Problem mit nur einigen wenigen Gesprächen zu erkennen."

    Bernard Lown

    Viel häufiger ist die Situation, in der bereits ein Bewegungsschmerz in zwei oder mehreren Richtungen auftritt, was immer ein Zeichen einer bereits eingetretenen primären Hyperalgesie der Nozizeptoren im Gelenks-, Bänder-, Anulus- etc. -bereich darstellt. Hier ist die Nichtauffindbarkeit einer so genannten freien Richtung Zeichen einer primären Hyperalgesie, die bereits unter allen therapeutischen Gesichtspunkten schon eine andere Vorgehensweise verlangt.

    Tritt zum Bewegungsschmerz in mehreren Richtungen ein Haut- und Muskelschmerz hinzu, der sich bereits durch Berührung oder feine Tiefpalpation auslösen lässt, kann man vom Vorliegen einer bereits sekundären Hyperalgesie, d.h. einer Aktivierung des zweiten Neurons (siehe oben - Chronifizierungsfaktoren) ausgehen und darf auch davon ausgehen, dass die nozizeptiven rezeptiven Felder sich bereits vergrößert haben und auch erhebliche inhibitorische Restpotenziale verloren gegangen sind. Diese Situation setzt meist ein umfangreicheres therapeutisches Vorgehen unter Einsatz verschiedener Methoden, insbesondere Zugriff auf die verschiedenen inhibitorischen Systeme und auch pharmakologischen Zugriff zu zentralen schmerzregulierenden Mechanismen voraus. Hier ist eine Monotherapie meist nicht mehr aussichtsreich. In diesem Stadium sind fast immer auch anamnestische, biografische und psychosoziale Faktoren mitbestimmend, so dass hier früh der interdisziplinäre Ansatz notwendig wird. Immer sind in diesem Stadium auch die Zeichen der sympathischen Systemaktivierung und ggf. die Indikation zur Anwendung sympatholytischer Maßnahmen zu überprüfen.

    Neben der Funktionsanalyse ist die Spezifizierung folgender subjektiver Phänomene ebenfalls wichtig. Meist lassen sie sich aus der Anamnese noch vervollständigen.

Spezifizierung subjektiver Phänomene:

  • Schmerzverstärkung beim Husten und Niesen - Muskeln, Sehnen, primäre Hyperalgesie (PH)

  • Schmerzverstärkung beim Pressen - Stau epiduraler Venen, radikulär, thekal

  • Algodynie, Hyperästhesie, Hyperpathie - sekundäre Hyperalgesie (SH)

  • Wassergefühl, Kältegefühl, Brennen - sympathische Systemaktivierung

  • Nachtschmerz in Ruhe - schwere organische Störung

  • Nachtschmerz beim Umdrehen - aktivierte Spondylarthrose, PH

  • Zunehmender Schmerz bei Ausdauerbelastung - Instabilität

  • Zunehmender Schmerz beim Sitzen

  • discogene Protrusion, Bandscheibenvorfall

  • Zunehmender Schmerz beim Stehen

  • Stenose in Lordose, muskuläre Insuffizienz

  • Zunehmender Schmerz beim Schnell- und Bergaufgehen - Stenose

  • Ausstrahlung dorsal - radikulär, über Knie - radikulär,

  • seitlich - pseudoradikulär, Oberschenkelinnenseite - meist SIG,

  • vorn - Hüfte.

Die folgende Aufzählung vermittelt einen Eindruck darüber, welche modulierenden Faktoren das Symptombild Low-back-Pain mitbestimmen, die alle Bestandteil der primären Evaluation sein müssen. Andernfalls besteht die große Gefahr, dass durch serielle Monotherapien chronische Kreuzschmerzen erzeugt werden, die heute immer noch ein großes medizinisches, gesellschaftliches und letztendlich gesamtökonomisches Problem darstellen.

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Modulierende Faktoren:

  • Job satisfaction, Arbeitsplatzbelastung, Auto, Computer,

  • zeitliche körperliche und psychische Überlastung, Hausbau, Umzug,

  • Familie, Pflegesituation, Erziehungsprobleme, Partner der Kinder

  • Partnerverlust, Scheidung, Kinderwunsch, Abort, Sexualkonflikt,

  • Anorgasmie, Patriarchat, Gewalt in der Ehe, Selbstüberforderung,

  • Scheidung der Eltern, Verlassensangst, Deprivation, körperliche Züchtigung in der Adoleszenz, Vergewaltigung, Angst,

  • Moralkonflikt, Schuld, Strafvollzug, finanzielle Überforderung,

  • Alkohol, Tabletten, Zigaretten, Rauschgift, Z. n. Abusus,

  • Depression, Fear Avoidance, Burned out, Antriebsstörung,

  • Selbstwertstörung, religiöser Wahn, powerful external others

Durch die Verbesserung der Detailanalyse bei der Erstbegegnung mit einem Patienten, der akut von tief sitzenden Kreuzschmerzen betroffen ist, wird mittelfristig eine Verringerung der Chronifizierungsgefahr und Entschärfung der medizinischen und sozioökonomischen Brennpunkte möglich sein. Hier stehen aber alle betroffenen Verantwortlichen noch vor einem langen Ausbildungs- und Wachstumsprozess.

Literatur beim Autor

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Dr. Hermann Locher

Facharzt für Orthopädie Spezielle Schmerztherapie Chirotherapie Sportmedizin

Lindauer Straße 16/1

88069 Tettnang

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Dr. Hermann Locher

Facharzt für Orthopädie Spezielle Schmerztherapie Chirotherapie Sportmedizin

Lindauer Straße 16/1

88069 Tettnang