Der Klinikarzt 2006; 35(4): XVI
DOI: 10.1055/s-2006-941392
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Balance halten - Potente Immunsuppression mit geringem kanzerogenen Potenzial

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Publication Date:
10 May 2006 (online)

 
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Noch vor zehn Jahren hat man sich im Rahmen der immunsuppressiven Therapie auf die Prävention akuter Abstoßungsreaktionen und Infektionen fokussiert - Probleme, die heute eher selten auftreten. Inzwischen hat sich die Aufmerksamkeit auf den Langzeitverlauf nach der Transplantation verlagert, nicht nur auf den späten Verlust der Transplantatniere, zum Beispiel aufgrund einer chronischen Nephropathie. Denn nicht wenige Patienten versterben trotz einer funktionierenden Transplantatniere. Primäre Ursache hierfür sind (noch) kardiovaskuläre Komplikationen, dicht gefolgt von Tumorerkrankungen. "Bis zu 80% der Transplantatempfänger entwickeln innerhalb von 30 Jahren eine Krebserkrankung", machte Prof. J.M. Campistol, Barcelona (Spanien), die Brisanz des Problems anhand der Daten des ANZ[1]-Registers deutlich.

Mit den mTOR-Inhibitoren ("mammalian target of rapamycin") wie Sirolimus (Rapamune®) steht seit einiger Zeit eine Substanzklasse zur Immunsuppression zur Verfügung, die hier Vorteile verspricht. "Diese Substanzen bewirken nicht nur eine potente Immunsuppression", so Campistol, "sondern haben darüber hinaus auch antitumorale Effekte. Sie inhibieren zum einen direkt das Tumorzellwachstum, hemmen aber auch die Angiogenese."

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Signifikanter Rückgang der Krebsinzidenz

Schon im Verlauf von nur fünf Jahren entwickeln Transplantierte unter einer sirolimusbasierten Immunsuppression deutlich weniger Tumoren als Patienten unter einer Calcineurininhibitor-Therapie mit Cyclosporin A, so die Ergebnisse der RMR[2]2-Studie ([1]). Und die ersten Unterschiede zwischen den beiden Studienarmen waren sogar schon sehr viel früher zu sehen, nämlich nach nur eineinhalb Jahren, berichtete Campistol.

Am Ende des fünfjährigen Beobachtungszeitraums waren signifikant weniger Hautkrebsläsionen zu verzeichnen (109 versus 39), was einer Risikoreduktion von immerhin 65% entspricht (p < 0,001). Außerdem entwickelten die Patienten ihre erste Läsion signifikant schneller, wenn sie nicht Sirolimus, sondern Cyclosporin A zur Immunsuppression erhielten (491 versus 1126 Tage; p < 0,001).

Ohne Cyclosporin A betrug das relative Risiko der Patienten einen soliden Tumor zu entwickeln nur 4% im Vergleich zu 9,6% in der Kontrollgruppe (p = 0,032). War der Calcineurininhibitor ausgeschlichen worden, entwickelten nur acht Patienten einen soliden Tumor, mit Cyclosporin A waren es dagegen gut doppelt so viele Patienten (n = 18).

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Immunsuppression kippt das Gleichgewicht

"Das erhöhte Krebsrisiko bei Transplantatempfängern ist ein sehr komplexes Problem, denn mit den verschiedenen Immunsuppressiva greifen wir in sehr viele regulatorische Mechanismen ein und stören so ein empfindliches Gleichgewicht", konstatierte Prof. E. Geissler, Regensburg. Allein die notwendige Suppression des Immunsystems nach der Transplantation erhöhe das Risiko der Patienten, eine Krebserkrankung zu entwickeln, unabhängig von der eingesetzten Substanz, da das Immunsystem kaum mehr in der Lage sei, entartete Zellen zu erkennen und diese zu zerstören. Erschwerend kommen noch direkte kanzerogene Wirkungen verschiedener Immunsuppressiva hinzu.

Das beste Beispiel hierfür sind nach Meinung Geisslers vielleicht die Calcineurininhibitoren. Sie erhöhen zum Beispiel TGF-b "tumor growth factor beta";([ 4])- ein für die Metastasierung des Tumors wichtiger Faktor - oder die VEGF-Produktion ("vascular endothelial growth factor"), was wiederum eine vermehrte Angiogenese und damit das Tumorwachstum induziert ([3]). "Durch diese Prozesse verändern sich die Tumorzellen zu einem invasiveren Phänotyp", erklärte Geissler, "und die Wahrscheinlichkeit, einen Tumor zu entwickeln, steigt - in Relation zur eingesetzten Dosis" ([2]).

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mTOR-Inhibitoren erhalten die Balance

Anders ist dies bei den so genannten mTOR-Inhibitoren. Denn mTOR hat eine zentrale Rolle bei der Regulation des Zellzyklus, angefangen bei der Translation der DNA über die Apoptose bis hin zur Zellproliferation. "Natürlich kontrolliert mTOR nicht jeden einzelnen dieser Signaltransduktionswege vollständig und direkt, aber auch indirekte Effekte sind sicherlich wichtig. Daher ist die mTOR-Inhibition ein logischer Ansatz, um das Tumorzellwachstum, die Metastasierung oder die Angiogenese zu hemmen", erklärte Geissler.

"Ganz verhindern werden wir die Entwicklung von Tumoren auch mit dieser Therapie wohl nicht können, dazu gibt es einfach zu viele andere Bausteine, die in das Geschehen involviert sind." Doch zumindest könne die Balance hin zu einem längeren krebsfreien Überleben der Patienten verschoben werden, so Geissler.

sts

Quelle: Satellitensymposium "Immunosuppression and malignancy - directions for positive change" im Rahmen der "7th International Conference on New Trends in Immunosuppression and Immunotherapy", unterstützt von Wyeth Pharmaceuticals, Maidenhead

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Literatur

  • 07 Campistol JM . et al . J Am Soc Nephrol. 2006;  17(2) 581-289
  • 08 Dantal J . et al . Lancet. 1998;  351 623-628
  • 09 Cuba M . et al . Nat Med. 2002;  8 128-135
  • 10 Hojo M . et al . Nature. 1999;  397 530-534

11 Australia - New Zealand

12 Rapamune Maintenance Regimen

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Literatur

  • 07 Campistol JM . et al . J Am Soc Nephrol. 2006;  17(2) 581-289
  • 08 Dantal J . et al . Lancet. 1998;  351 623-628
  • 09 Cuba M . et al . Nat Med. 2002;  8 128-135
  • 10 Hojo M . et al . Nature. 1999;  397 530-534

11 Australia - New Zealand

12 Rapamune Maintenance Regimen