Einleitung
Einleitung
Ein potenzieller Zusammenhang zwischen einem gastroösophagealen Säurereflux und Asthmasymptomen
wird seit mehr als einem Jahrhundert diskutiert. Vor allem in den letzten Jahren sind
zu diesem Thema sehr viele, teils kontroverse Publikationen entstanden. Der nachfolgende
Artikel stellt eine Konsensmeinung der Autoren dar, die das Thema im Rahmen der 8.
Davoser Gespräche am 12. und 13. Januar 2006 diskutiert haben.
Epidemiologie
Epidemiologie
GÖR, der retrograde Übertritt von Magensäure in den Ösophagus, tritt physiologischerweise
postprandial, vor allem tagsüber, aber auch spontan auf. Er wird charakteristischerweise
vom Patienten nicht bemerkt und ist Folge spontaner Relaxationen des unteren Ösophagussphinkters
(TLESR = Transient Lower Esophageal Relaxations). Beim Gesunden sind 40 - 60 % der
TLESRs, beim Refluxpatienten 60 - 70 % der TSLERs mit GÖR assoziiert. Dagegen sind
nur 5 - 10 % der Refluxepisoden Folge schluckbedingter Relaxationen des unteren Ösophagussphinkters.
Pathologischer, d. h. über das physiologische Maß vermehrter GÖR, wird in vielen Fällen
durch Sodbrennen bzw. schwallartiges Aufstoßen von Magensäure und zerkauten Nahrungsbestandteilen
(Regurgitationen) wahrgenommen. Er lässt sich durch die Messung der Säureexposition
des Ösophagus (24-Stunden pH-Metrie) quantifizieren. Pathologisch vermehrter GÖR ist
oft mit einer Hiatushernie assoziiert.
Mehrere klinische Studien [1 ]
[2 ]
[3 ], die auf 24-Stunden-pH-Messungen beruhen, lassen erkennen, dass die Sensitivität
und Spezifität des Symptoms „Sodbrennen” zur Erkennung von GÖR ungenügend ist; ein
Umstand, dem im klinischen Alltag Rechnung getragen werden muss. So korreliert das
subjektive Empfinden von Sodbrennen nur mäßig mit dem gemessenen Abfall des intraösophagealen
pH. In einer Untersuchung von 164 Patienten mit Refluxsymptomen ließ sich lediglich
in 72 % der Fälle eine pathologisch vermehrte Säure-Kontaktzeit im Ösophagus nachweisen
[2 ]. In derselben Studie wiesen von 35 untersuchten Asthmatikern, die keine Refluxsymptome
angaben, 29 % in der pH-Metrie einen signifikanten GÖR auf. Auch GÖR, der ohne typische
Refluxsymptome einhergeht (engl. „silent reflux”) kann für diverse extraösophageale
Beschwerden wie asthmatische Exazerbationen, Dysphonie, Retrosternalschmerz etc. verantwortlich
sein [3 ].
Eine systematische Übersicht von 15 epidemiologischen Untersuchungen zur Häufigkeit
des GÖR ergab eine Prävalenz von 10 - 20 % in der westlichen Welt [4 ]. In Japan liegt die Prävalenz dagegen bei ca. 5 %. Für diesen Unterschied werden
Ernährungsgewohnheiten und Übergewicht in den westlichen Industrienationen verantwortlich
gemacht [5 ]. Eine eindeutige Geschlechtsspezifität des GÖR lässt sich nicht belegen.
Diagnostik des GÖR
Diagnostik des GÖR
Gelegentliches „Sodbrennen”, d. h. Sodbrennen, das nicht öfters als 1 - 2-mal pro
Woche auftritt, erfordert keine weitergehende Diagnostik. Im Falle häufiger Beschwerden
mit Beeinträchtigung der Lebensqualität, bei Therapieresistenz, d. h. Wiederauftreten
von Refluxsymptomen nach Absetzen einer antisekretorischen Therapie, bei ösophagealen
Komplikationen (Dysphagie etc.), als Screening im Hinblick auf ein mögliches Barrett-Syndrom
und bei bestehenden Alarmsymptomen (Gewichtsverlust, Erbrechen, Anämie), ist eine
Gastroskopie zum Ausschluss einer Stenose bzw. eines Malignoms indiziert [6 ]. Ein GÖR ohne makroskopische Zeichen einer Ösophagitis, die so genannte nicht erosive
ösophageale Refluxkrankheit, lässt sich jedoch endoskopisch nicht objektivieren. Sie
kann mittels einer 24-Stunden pH-Metrie, die allerdings invasiv ist und nicht überall
zur Verfügung steht, nachgewiesen werden. Die Untersuchung ist dann indiziert, wenn
nur eine dauerhafte medikamentöse Säurehemmung zur Beschwerdefreiheit führt und die
Diagnose objektiviert werden soll, eine Fundoplicatio geplant ist, bzw. wenn extraösophageale
Symptome beschrieben werden, die durch GÖR verursacht sein könnten [7 ] ([Tab. 1 ]). Der prozentuale Anteil der Zeit mit einem pH < 4 ist das Maß mit der größten Sensitivität
und Spezifität für die Diagnose einer Refluxkrankheit [8 ]. Die 95 %-Perzentile für die Dauer physiologischen Refluxes (pH < 4) in der 24-Stunden-pH-Metrie
beträgt 5,8 % [9 ]. Die 24-Stunden pH-Metrie gilt als der Goldstandard zum Nachweis des GÖR [10 ]. Bei der pH-Metrie wird der pH ca. 5 cm oberhalb des unteren Ösophagussphinkters
gemessen. Manche pH-Metrie-Sonden sind mit einer zweiten pH-Elektrode im proximalen
Ösophagus ausgestattet, um GÖR, der bis in den Pharynxbereich gelangt, registrieren
zu können. Die meisten pH-Metrie-Systeme verfügen über eine Software, die es erlaubt,
das Auftreten klinischer Symptome zu markieren. Treten spezifische Symptome in Assoziation
(nach einer Latenz von 0 - 5 Minuten) mit Refluxepisoden auf, wird ein kausaler Zusammenhang
angenommen. Wie eine Untersuchung von Irwin u. Mitarb. [11 ] ergab, muss von einem refluxinduzierten chronischen Husten auch dann ausgegangen
werden, wenn in weniger als 5,8 % der Messperiode GÖR nachgewiesen wird, nachgewiesene
Refluxepisoden aber überwiegend mit Husten assoziiert sind.
Tab. 1 Extraösophageale Symptome und Erkrankungen, die refluxassoziiert sein können (adaptiert
nach [17 ]
[18 ]
[19 ]
[62 ])
Heiserkeit im Rahmen einer posterioren Laryngitis
Globusgefühl
postnasal drip bei sekretorischer Pharyngitis bzw. chronischer Sinusitis
behinderte Nasenatmung, purulentes Nasensekret im Rahmen einer chronischen Sinusitis
rezidivierende Otitis media
vocal cord dysfunction
trockener Reizhusten
Atemnot im Rahmen einer subglottischen Trachealstenose, einer chronischen Bronchitis
bzw. einer Lungenfibrose
asthmatische Exazerbation unklarer Ätiologie
Die Messung des pH-Wertes im Kondensat der Ausatemluft, eine neue, nicht invasive
Methode GÖR nachzuweisen, befindet sich in klinischer Erprobung [12 ].
Ösophageale und extra-ösophageale Komplikationen des GÖR
Ösophageale und extra-ösophageale Komplikationen des GÖR
GÖR kann zu einer Refluxösophagitis mit der Gefahr einer Stenosierung, Blutung etc.
führen. Bei 5 % der Refluxkranken entwickelt sich eine Epithelmetaplasie (Barrett-Metaplasie),
die mit dem Risiko einer malignen Entartung (Adenokarzinom des Ösophagus) behaftet
ist.
Sowohl subjektiv wahrgenommener GÖR, als auch GÖR ohne typische Refluxsymptome, vermag
atypische Symptome und extraösophageale Erkrankungen auszulösen bzw. solche zu komplizieren.
GÖR gilt beispielsweise als wichtige Differenzialdiagnose des Angina pectoris-Schmerzes.
Chronischer Husten stellt eine typische extraösophageale Komplikation von GÖR dar
[13 ]
[14 ]. Eine medikamentöse Säurehemmung bei chronischem Husten mit nachgewiesenem GÖR führt
oft zu einer Besserung. Der Erfolg liegt aber deutlich unter 100 %, da extraösophageale
Refluxsymptome häufig einer intensiveren und längeren Therapie als alleiniges Sodbrennen
bedürfen und chronischer Husten in vielen Fällen durch mehr als einen kausalen Faktor
bedingt wird. Irwin u. Mitarb. [15 ] konnten zeigen, dass chronischer Reizhusten in den allermeisten Fällen durch GÖR,
postnasal drip im Rahmen einer chronischen Sinusitis und/oder eine bronchiale Hyperreaktivität
ausgelöst wird, sofern ein aktuelles Thorax-Röntgenbild unauffällig ist, kein Nikotinabusus
betrieben wurde bzw. in den letzten sechs vorangehenden Wochen kein ACE-Hemmer eingenommen
worden war.
Ing u. Mitarb. [16 ] wiesen durch Instillation von Säure (Bernstein-Test) versus isotonischer Kochsalzlösung
in den Ösophagus nach, dass die Präsenz von Säure im Ösophagus bei Patienten mit chronischem
Reizhusten sofortige Hustenattacken auslöst. Die lokale Gabe von Lidocain vor der
Säureapplikation inhibierte den Husten. Mit der ösophagealen Applikation von Ipratropiumbromid
gelang dies nicht. Wurde Ipratropiumbromid dagegen inhaliert, konnten die säureassoziierten
Hustenattacken unterdrückt werden. Diese Daten stützen die These, dass GÖR Husten
indirekt durch einen vagalen, ösophageal-tracheobronchialen Reflex vermittelt („Reflexhypothese”).
GÖR kann jedoch auch direkt extraösophageale Organe schädigen, da im Rahmen einer
Refluxkrankheit Magensekret teilweise bis in die Atemwege gelangt („Aspirationshypothese”).
GÖR wird deshalb im HNO-Bereich für multiple Probleme verantwortlich gemacht [17 ]. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die posteriore Laryngitis mit Heiserkeit,
Stimmbandgranulome und Globusgefühl. Es wird angenommen, dass GÖR auch an der Entstehung
der sekretorischen Pharyngitis (DD postnasal drip!), der chronischen Sinusitis und
vor allem bei Kindern an rezidivierenden Otitiden beteiligt sein kann (Übersicht in
[18 ]). Auch bei der vocal cord dysfunction wird eine kausale Bedeutung diskutiert [19 ]. Der pharyngeale Unterdruck während Apnoephasen bei der obstruktiven Schlafapnoe
kann zur Aspiration von Säure aus dem Magen führen. Eine CPAP-Therapie erweist sich
dann als therapeutisch wirksam [20 ].
Ein massiver GÖR, der noch proximal im Ösophagus und auch in aufrechter Körperhaltung
nachweisbar ist [21 ], dringt unter Umständen bis in die unteren Atemwege vor und führt dort zu Schleimhautreaktionen
bzw. -schädigungen [22 ]. Eine ursächliche Beteiligung von GÖR bei manchen Formen der subglottischen Trachealstenose,
der chronischen obstruktiven Bronchitis [23 ] und der idiopathischen Lungenfibrose [24 ] wird vermutet. Selbst im Falle einer adäquaten Säurehemmung ist es denkbar, dass
gallensäurehaltiges Sekret aus Magen und Dünndarm in Form von Mikroaspirationen die
Atemwege erreicht. Derartiger „nicht azider” GÖR dürfte ebenfalls in der Lage sein,
die Atemwege zu reizen oder zu schädigen.
Eine aktuelle, große Kohortenstudie aus Norwegen, die über 65 000 Personen einschloss,
ergab eine ausgeprägte Assoziation zwischen starker Atemnot (unabhängig von deren
Ätiologie) und intensiven, wiederkehrenden Refluxsymptomen. Die odds ratio betrug
12 (95 % CI 9.5 - 15.2) [25 ].
GÖR und Asthma bronchiale
GÖR und Asthma bronchiale
Schon William Osler [26 ] wies 1892 darauf hin, dass zwischen GÖR und Asthma kausale Zusammenhänge bestehen.
Diese Kausalitätsvermutung wurde in einem Positionspapier der American Gastroenterological
Association als nicht evidenzbasiert infrage gestellt [27 ].
Durch multiple Studien ist belegt, dass GÖR bei Asthmatikern viel häufiger als bei
Gesunden auftritt. Messungen mittels 24-Stunden-pH-Metrie wiesen bei 36 % [1 ] bis 80 % [28 ] der untersuchten Asthmatiker GÖR nach. Verschiedene Gründe könnten diese Häufung
erklären:
Theophyllin und oral applizierte Betastimulatoren üben eine relaxierende Wirkung auf
den unteren Ösophagussphinkter aus [29 ]
[30 ], bei inhalativen Betastimulatoren ist die Wirkung dosisabhängig [31 ]
[32 ]. Es existiert allerdings keine Studie, die belegt, dass die vermehrte Sphinkterrelaxation
auch zu einer Zunahme von GÖR führt. So fand sich in einer plazebokontrollierten Untersuchung,
bei der unter Depot-Theophyllin pH-Metrien durchgeführt worden waren, kein vermehrter
GÖR [33 ].
In hohen Dosen verstärken systemische Kortikosteroide GÖR bei Asthmatikern [34 ].
Die Überblähung der Lunge im Rahmen eines Volumen pulmonum auctum bedingt eine Erhöhung
des intraabdominellen Drucks, was die Entstehung von GÖR fördern kann. Die Relevanz
eines tief stehenden Zwerchfells im Hinblick auf die Manifestation des GÖR bleibt
aber unklar, da auch bei Patienten mit Lungenfibrose, die meist einen Zwerchfellhochstand
aufweisen, ein GÖR gehäuft nachweisbar ist.
Im Rahmen von Methacholin-Tests wurde beobachtet, dass mit zunehmender bronchialer
Obstruktion vermehrt TLESR mit konsekutivem GÖR auftreten [35 ].
Im Hinblick auf die Wechselwirkung von GÖR und Asthma sind folgende Fragen von klinischer
Bedeutung:
Können auch Asthmatiker im Falle von GÖR einen Reizhusten entwickeln, ähnlich wie
dies bei Nichtasthmatikern vorkommt, ohne dass zwangsläufig eine vermehrte asthmatische
Aktivität vorliegt, die einer intensiveren antiasthmatischen Therapie bedarf?
Stellt GÖR einen Co-Faktor dar, der zur Manifestation eines Asthmas beiträgt?
Vermag ein massiver GÖR ein Asthma derart zu komplizieren, dass es medikamentös schlechter
kontrollierbar wird, bzw. dass durch GÖR vermehrt asthmatische Exazerbationen auftreten?
ad 1) Es liegt nahe, dass GÖR bei Patienten mit Asthma, noch mehr als bei Menschen
ohne bronchiale Hyperreagibilität, Husten auslösen kann. 24-Stunden pH-Metrie-Protokolle
ergaben, dass bei Asthmatikern über 50 % aller Hustenepisoden mit GÖR korrelierten
[2 ]
[36 ]. Es gibt aber keinen Hinweis dafür, dass refluxassoziierter Husten bei einem Asthmatiker
zwangsläufig als Asthmasymptom gewertet werden müsste, besonders dann, wenn sonst
klinisch keine Hinweise für eine unzureichende Asthmakontrolle vorliegen. In dieser
Hinsicht ist es wichtig zu wissen, dass sich Husten, der durch GÖR ausgelöst wird,
nicht durch ein spezifisches zircadianes Muster auszeichnet [37 ], sondern auch tagsüber auftritt. Hierzu passt, dass GÖR mit extraösophagealen Symptomen
entgegen der üblichen Meinung vor allem in aufrechter Position und im Wachzustand
nachweisbar ist [38 ].
ad 2) GÖR vermag über vagale Reflexe Husten und vermutlich über den gleichen Reflexbogen
auch Bronchospasmen [39 ] auszulösen. In älteren Studien war bei Patienten mit nicht-allergischem Asthma in
bis zu 90 % der Fälle GÖR beschrieben worden [40 ]. Diese Befunde legten nahe, dass pathologischer GÖR im Falle einer genetisch determinierten
bronchialen Hyperreagibilität zur Manifestation eines Asthmas beitragen könnte. Eine
aktuelle britische Kohortenstudie, die über 5000 Patienten mit primärer Diagnose GÖR
und knapp 10 000 Patienten mit primärer Diagnose Asthma bronchiale einschloss, ergab
jedoch, dass für Menschen mit GÖR das Risiko an Asthma zu erkranken, nicht signifikant
zunimmt (relatives Risiko 1.2, 95 % CI 0.9 - 1.6), für Patienten mit Asthma dagegen
das Risiko GÖR zu entwickeln, gering erhöht ist (relatives Risiko 1.5, 95 % CI 1.2
- 1.8) [41 ].
ad 3) Experimentell wurde gezeigt, dass bei Asthma durch Instillation von Säure in
den Ösophagus die bronchiale Hyperreagibilität zunimmt [42 ] und dass spontaner proximaler GÖR bei Asthmatikern via Mikroaspirationen teilweise
zu einem Abfall des intratrachealen pH führt mit simultaner Zunahme der bronchialen
Obstruktion [43 ]. Diese Befunde lassen darauf schließen, dass GÖR ein vorbestehendes Asthma komplizieren
kann. Klinische Studien zu dieser Fragestellung ergeben jedoch kontroverse Ergebnisse:
In einer Arbeit von Irwin u. Mitarb. [3 ] aus dem Jahr 1993, als in den USA hoch dosierte topische Steroide noch nicht einen
Grundpfeiler der Therapie des schweren Asthmas darstellten, wurde GÖR als der wichtigste
kausale Faktor im Falle einer Therapieresistenz bei Asthma identifiziert. In einer
aktuellen Studie, die 136 Patienten mit schwer kontrollierbarem Asthma einschloss,
korrelierte GÖR - gemeinsam mit fünf anderen Einzelfaktoren - gehäuft mit rezidivierenden
asthmatischen Exazerbationen [44 ]. Eine Metaanalyse zur Refluxtherapie bei Asthma, die überwiegend noch Studien mit
H2-Blockern enthielt, ergab eine Besserung von Asthmasymptomen und eine Reduktion
des Bedarfs an Antiasthmatika, jedoch keine Verbesserung der Lungenfunktion [45 ].
Heaney u. Mitarb. [46 ] und Leggett u. Mitarb. [47 ] stellten diese Ergebnisse in eigenen Untersuchungen von 73 bzw. 52 Patienten mit
schwer kontrollierbarem Asthma infrage. In beiden untersuchten Kollektiven aus Belfast,
die möglicherweise z. T. die gleichen Patienten enthielten, suchte man nach Exazerbationsfaktoren,
die dann spezifisch behandelt wurden. Im Falle des Nachweises von GÖR erfolgte die
Applikation von Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI). Bei den Patienten, die sich auf
eine therapeutische Intervention verbesserten, bzw. bei denen, die kein Ansprechen
zeigten, war die Häufigkeit von GÖR mit gut 50 % identisch. Auch bei Patienten mit
weniger schwerem Asthma lässt die Refluxtherapie mit PPI statistisch keine relevante
Verbesserung der Asthmasymptome bzw. keine Reduktion des Bedarfs an Antiasthmatika
erkennen [48 ]
[49 ]. Eine Cochrane-Metaanalyse, die 2003 publiziert worden ist, ergab ebenfalls keine
generelle Verbesserung des Asthmas unter säurehemmender Therapie [50 ].
Die aufgeführten Untersuchungen, die keinen positiven Effekt einer Säurehemmung auf
das Asthma ergaben, müssen jedoch mit Vorbehalt beurteilt werden. Milkes u. Mitarb.
[51 ] zeigten mithilfe von pH-Metrien, dass über 50 % der Patienten mit GÖR auch unter
einer Standardtherapie mit PPI noch aziden GÖR aufwiesen. Der Einsatz der intraluminalen
Mehrkanal-Impedanz-Messung bei simultaner pH-Metrie ergab, dass trotz medikamentöser
Säurehemmung noch GÖR auftritt [52 ], teilweise jedoch mit normalem pH-Wert. Da anzunehmen ist, dass nicht nur die Säure
via vagaler Reflexe, sondern auch nicht-azider GÖR via Mikroaspirationen die unteren
Atemwege reizen können, stellt die alleinige Säurehemmung mit PPI vermutlich nicht
immer eine ausreichende Refluxtherapie dar. Entsprechend ließen operative Therapieverfahren
zur Therapie eines pathologischen GÖR teilweise bessere Resultate als eine alleinige
medikamentöse Behandlung mit Säureblockern erkennen [53 ]. Das ist verständlich, da nur eine erfolgreiche Fundoplicatio, nicht aber eine medikamentöse
Säurehemmung die physiologische Antirefluxbarriere wieder herstellt. Entsprechend
ließ sich in einer Studie bei Kindern mit Asthma und GÖR, bei der ergänzend zur PPI-Therapie
großzügig die Indikation zur Medikation mit Prokinetika bzw. zur Fundoplicatio gestellt
worden war, eine Reduktion der Medikation mit Antiasthmatika erzielen [54 ]. In kontrollierten Studien, die eine Kombination von Prokinetika und PPI gegen PPI
alleine verglichen, ergab sich für die Kombination allerdings kein Vorteil [55 ]
[56 ].
Aus den widersprüchlichen Ergebnisse der verschiedenen Untersuchungen kann als minimale
Quintessenz gefolgert werden, dass GÖR nicht generell ein vorhandenes Asthma verschlechtert.
Es muss aber davon ausgegangen werden, dass GÖR bei einzelnen Patienten asthmatische
Exazerbationen bzw. Therapieresistenz auszulösen vermag. Auch die erwähnte Cochrane-Metaanalyse
ergab, dass Subgruppen von Patienten von einer PPI-Therapie profitieren [50 ]. Es gelang in der Metaanalyse aber nicht, anhand potenzieller Refluxsymptome, diese
Patienten genauer zu charakterisieren. Eine Schwäche dieser Metaanalyse war, dass
GÖR nicht objektiv, sondern nur anhand von Symptomen mit der bekannten mäßigen Sensitivität
und Spezifität nachgewiesen worden war. Harding u. Mitarb. [57 ] konnten jedoch nachweisen, dass sich asthmatische Symptome dann unter einer Therapie
mit Omeprazol verbessern, wenn anamnestisch Regurgitationen und/oder der Nachweis
von proximalem GÖR in der pH-Metrie vorlagen. Eine ganz aktuelle Untersuchung von
Kiljander u. Mitarb. [58 ], in der randomisiert und plazebokontrolliert über 16 Wochen täglich 80 mg Esomeprazol
eingesetzt wurde, zeigte nur für die Gruppe der Asthmatiker mit GÖR, die trotz antiasthmatischer
Therapie noch unter nächtlichen Asthmasymptomen litten, eine klare Verbesserung des
morgendlichen Peak flows.
Diagnostik und Therapie des GÖR beim Asthma
Diagnostik und Therapie des GÖR beim Asthma
Das Auftreten von GÖR bei Asthmatikern muss differenziert betrachtet werden. Klinisch
lassen sich drei Szenarien unterscheiden:
1.) Refluxsymptome, die bei einem Asthmatiker auftreten, dessen Asthma medikamentös
gut eingestellt ist, erfordern dieselben therapeutischen Interventionen wie bei einem
Nicht-Asthmatiker, d. h. das Asthma bleibt bei der Refluxtherapie unberücksichtigt.
2.) Das klinische Bild ist anders zu beurteilen, wenn ein Asthmatiker einen trockenen
Reizhusten entwickelt, sonst aber keine klinischen Symptome einer vermehrten asthmatischen
Aktivität vorliegen. Als Hauptsymptom einer erhöhten asthmatischen Aktivität muss
vor allem vermehrte Atemnot tagsüber, besonders bei körperlicher Aktivität, angesehen
werden [59 ]. Durch den Einsatz lang wirkender Betastimulatoren wird nächtliches Erwachen mit
Husten und Atemnot, was allgemein als frühes Zeichen einer beginnenden Exazerbation
galt, lange Zeit unterdrückt [60 ].
Wenn eine Therapieintensivierung des Asthmas im Falle vermehrten Hustens keine Besserung
der Symptome ergibt, keine floride Sinusitis nachweisbar ist, kein ACE-Hemmer eingenommen
wird und das Röntgenbild des Thorax unauffällig ist, wird eine probatorische Therapie
mit einem PPI in Standarddosis empfohlen. Spricht der Husten nach vier- bis achtwöchiger
Gabe [61 ] auf die Säurehemmung an, kann analog zur Situation bei Nichtasthmatikern von einem
refluxassoziierten Husten ausgegangen werden. Kommt es unter dieser Therapie zu keiner
Besserung, muss der Husten jedoch primär als Asthma-Äquivalent gewertet werden. Da
sich das Symptom auf die initiale Intensivierung der Asthmatherapie nicht gebessert
hat, wird das Asthma als „schlecht kontrollierbar” eingestuft und entsprechend verfahren
(vgl. Punkt 3). Die genannte Empfehlung gilt sowohl für Asthmatiker mit Reizhusten,
bei denen typische Refluxsymptome vorliegen, als auch für solche, bei denen diese
Symptome fehlen.
3.) Im Falle eines trotz stadiengerechter Therapie symptomatischen, d. h. therapeutisch
schlecht kontrollierten Asthmas, bei dem anamnestisch Hinweise für GÖR [62 ] (s. auch [Tab. 1 ]) zu eruieren sind, schlagen wir den folgenden diagnostischen und therapeutischen
Algorithmus ([Abb. 1 ]) vor, mit dessen Hilfe ein refluxassoziiertes Asthma ausgeschlossen bzw. bewiesen
werden kann. Der Algorithmus basiert darauf, dass Patienten mit therapierefraktärem
Asthma zuallererst hinsichtlich Therapietreue (Compliance) und korrekter Inhalationstechnik
evaluiert und geschult werden müssen. Können diese beiden Faktoren als Ursache der
Therapieresistenz ausgeschlossen werden, sollte bei Patienten mit anamnestischen Hinweisen
für GÖR ein Therapieversuch mit PPI (40 - 80 mg) unternommen werden, dessen Dauer
sich auf mindestens 8 Wochen beläuft [27 ]
[58 ].
Abb. 1 Algorithmus: Diagnostik bei Asthma und GÖR.
Fehlen offensichtliche Hinweise auf GÖR, ist eine Abklärung der Therapieresistenz
entsprechend den Empfehlungen von Menz u. Mitarb. [63 ] indiziert. Für den Fall, dass diese Abklärungen keinen anderen plausiblen Grund
für die Therapieresistenz ergeben, ist wegen der Möglichkeit eines GÖR ohne typische
Refluxsymptome auch dann eine PPI-Therapie über mindestens 8 Wochen unerlässlich.
Selbst im Falle der kompletten Elimination von Refluxsymptomen durch PPI werden in
bis zu 50 % der Fälle noch pathologische intraösophageale pH-Werte gemessen [51 ]. Dies impliziert, dass bei Verdacht auf refluxassoziiertes Asthma, auch im Falle
der Persistenz von Asthmasymptomen unter PPI-Therapie, der Algorithmus weitere Abklärungen
hinsichtlich aziden bzw. nicht-aziden GÖR (24-Stunden-pH-Metrie, intraluminale Mehrkanal-Impedanz-Messung…)
vorsehen muss ([Abb. 1 ]).
Lässt sich ein refluxassoziiertes Asthma nachweisen, das trotz adäquater antiasthmatischer
Therapie und Gabe von PPI in Standarddosierung symptomatisch bleibt, sollte die weitere
Abklärung (z. B. mittels 24-Stunden-pH-Metrie) bzw. mögliche Intensivierung der Refluxtherapie
(höhere PPI-Dosen) in Absprache mit einem Gastroenterologen erfolgen.
Nicht-medikamentöse Therapie des GÖR
Nicht-medikamentöse Therapie des GÖR
Die Pharmakotherapie des GÖR wird durch nicht-medikamentöse Maßnahmen ergänzt. Obgleich
der Wert der im Folgenden aufgelisteten Empfehlungen nicht durch entsprechende Studien
belegt ist, wird generell Adipösen eine Gewichtsreduktion empfohlen. Veränderungen
des Lebensstils sind häufig notwendig, u. a. Erlernen von Techniken zur Stressbewältigung
sowie Nikotin- und Alkoholkarenz. Bei den Hauptmahlzeiten sollte der Magen nicht überfüllt
werden. Auf Mahlzeiten, die später als zwei Stunden vor der Bettruhe erfolgen, ist
zu verzichten. Verschiedene Autoren empfehlen, dass nachts das Kopfteil des Bettes
höher gestellt werden soll. Dafür liegt aber keine klare Evidenz vor [64 ]
[65 ], vor allem weil die Motilität des Ösophagus ein aktiver Prozess ist, d. h. der Einfluss
der Schwerkraft vermutlich gering sein dürfte. Dennoch „schwören” viele Patienten
auf diese Maßnahme. Nahrungsmittel (Pfefferminz, Koffein und stark zucker- bzw. fetthaltige
Speisen), die den unteren Ösophagussphinkter relaxieren lassen, sind ebenfalls zu
meiden. Um Patienten Alternativen zu ihren bisherigen Essgewohnheiten aufzuzeigen,
ist eine Ernährungsberatung, die Instruktionen hinsichtlich langsamen Essens und guten
Kauens beinhaltet, sinnvoll. Obwohl die wissenschaftliche Evidenz dafür fehlt, wird
bei Patienten mit refluxassoziiertem Asthma versucht werden, auf orale Betastimulatoren
und Theophyllinpräparate zu verzichten.