Einleitung
Einleitung
Unter der Diagnose einer Angioendotheliomatose werden zwei unterschiedliche Erkrankungen
zusammengefasst, deren gemeinsame Ursache in einer intravasalen Tumorzellproliferation
zu sehen ist. Neben einer reaktiven oder benignen Form, über die erstmals 1958 von
Gottron und Nikolowski berichtet wurde, beschrieben Pfleger und Tappeiner 1959 und
1963 eine maligne Variante, die sie auch als Angioendotheliomatosis proliferans systematisata
bezeichneten [1]
[2]
[3]. Besonders die von Pfleger und Tappeiner im „Hautarzt” publizierten Arbeiten sind
auch heute noch außerordentlich interessant und lesenswert, verdeutlichen sie doch
die erheblichen Schwierigkeiten, einen bis dahin klinisch und histopathologisch nicht
beschriebenen dermatologischen Befund einzuordnen, der darüber hinaus in seiner reaktiven
Form als eigenständige Dermatose oder in der malignen Variante als dermatologische
Teilmanifestation einer neoplastischen Systemerkrankung verstanden werden kann. Die
reaktive Angioendotheliomatose, deren intravasale Zellproliferationen endothelialen
Ursprungs sind, gilt als eine sehr seltene, biologisch gutartige und in der Regel
selbstlimitierend verlaufende Dermatose. Bei einem Teil der Patienten lassen sich
assoziierte Erkrankungen, meist infektiöser Genese, nachweisen. Die maligne Form der
Angioendotheliomatose wird heute hingegen als angiotropes Lymphom definiert, das sich
als maligne Systemerkrankung bevorzugt sowohl an der Haut als auch am zentralen Nervensystem
manifestiert und trotz Behandlung eine sehr schlechte Prognose aufweist. Das dermatologische
Bild der Angioendotheliomatosen ist uncharakteristisch und umfasst ein breites Spektrum
verschiedenartiger Befunde, zu denen Erytheme, Knoten, Blasen und Ulzerationen gezählt
werden. Die klinische Morphologie erlaubt jedoch keine Unterscheidung zwischen der
reaktiven und der malignen Angioendotheliomatose, da die Befunde bei beiden Formen
weitgehend identisch sind. Eine vergleichbare Situation besteht auch bei der Beurteilung
der histopathologischen Befunde der Angioendotheliomatosen. Dabei lassen sich die
richtungsweisenden intravasalen Zellproliferationen, die je nach vorliegender Form
aus Endothel- oder aus Lymphomzellen bestehen, häufig nicht sicher differenzieren,
so dass die Diagnose einer reaktiven oder einer malignen Angioendotheliomatose bisweilen
erst anhand immunhistologischer Befunde gestellt werden kann.
Kasuistik
Kasuistik
Anamnese
Im Zusammenhang mit einer Rotatorenmanschettenverletzung im rechten Schultergelenk
wurde bei der hier vorgestellten 72-jährigen Patientin die Implantation einer Aequalis-Prothese
notwendig. Der postoperative Verlauf zeigte zunächst keine Besonderheiten. Nachdem
das Schultergelenk 3 Wochen mit einem Gilchrist-Verband versorgt worden war, erfolgte
anschließend eine krankengymnastische Behandlung. Dabei wurden erstmals 6 Wochen nach
der Operation Hautveränderungen im Narbenbereich beobachtet. Unter der Diagnose einer
postoperativen Lymphangitis verordnete der Hausarzt der Patientin eine orale Penicillin-Therapie,
die jedoch zu keiner Rückbildung des dermatologischen Befundes führte. Daraufhin wurde
die Patientin 2 Monate nach der primären Manifestation der Dermatose in unserer Klinik
vorgestellt. In der weiteren Anamnese ergab sich kein Hinweis für eine Atopie oder
früher aufgetretene chronisch-entzündliche Dermatosen. Ein bekannter Hypertonus wurde
seit 5 Jahren mit Ramipril behandelt. Die Einnahme weiterer Medikamente verneinte
die Patientin.
Dermatologischer Befund
Ventral an der rechten Schulter im mittleren Abschnitt der postoperativen Narbe längsovales,
etwa 12 × 6 cm großes, ungleichmäßig aufgebautes und unscharf begrenztes Erythem mit
umschrieben deutlicher Betonung des Hautfaltenreliefs ([Abb. 1] u. [2]).
Abb. 1 Unscharf begrenztes Erythem im Bereich der OP-Narbe bei Z. n. Implantation einer Schultergelenksprothese.
Abb. 2 Detailaufnahme: Monomorphes Erythem mit vergröbertem Hautfaltenrelief.
Histopathologischer Befund
In zahlreichen Stufenschnitten weitgehend unauffällige Epidermis. In der ödematös
aufgelockerten Dermis Lymphangiektasien und Proliferation von kleinen Blutgefäßen,
ausgekleidet von plumpen Endothelzellen ([Abb. 3] u. [4]).
Abb. 3 Diffuse Proliferation von kapillarähnlichen Blutgefäßen in der gesamten Dermis. Die
Dermis ist ödematös aufgelockert und zeigt ein diskretes perivaskuläres lympho-histiozytäres
Infiltrat (HE × 25).
Abb. 4 Zahlreiche auseinanderliegende kleine Blutgefäße mit abgerundeten Luminia zwischen
den Kollagenbündeln der ödematös aufgelockerten Dermis (HE × 200).
Immunhistochemischer Zelldifferenzierungsbefund
CD20 negativ, UCHL1 positiv. Myeloperoxidase schwach positiv. Aktin positiv, CD31
positiv ([Abb. 5]). Diagnose: Benigne reaktive Angioendotheliomatose ohne Hinweis für ein kutanes
Lymphom oder Angiosarkom (Dr. C. Diaz, Einsendungslabor für Dermatopathologie, Freiburg).
Abb. 5 Immunohistochemie: Proliferierende Blutgefäße in der Dermis mit dem Endothelzellmarker
CD31 markiert (× 100).
Allergologische Testungen
Die durchgeführten Epikutantestungen erfolgten nach den Leitlinien der DDG [4]. Dabei wurden folgende Kontaktallergene getestet, ohne dass eine epidermale Sensibilisierung
nachgewiesen werden konnte:
-
Kaliumdichromat 0,5 %, Kobalt (II)-chlorid 1 %, Nickel (II)-sulfat 5 %, Mangan (II)-chlorid
0,5 %,
-
Molybdän (V)-chlorid 2 %, Titan (IV)-oxid 0,1 %, Vanadium-pentoxid 10 %, Benzoylperoxid
1 %,
-
Gentamycinsulfat 20 %, Hydrochinon 1 %, (2-Hydroxyethyl)-methacrylat 1 %,
-
Methylmethacrylat 1 %, N,N-Dimethyl-P-Toluidin 1 % und Zirkon-dioxid 1 %.
Laborbefunde
Blut- und Differenzialblutbild, Transaminasen, nierenpflichtige Substanzen, Elektrolyte,
Immunelektrophorese, Rheumafaktoren, ASL und Urinstatus ohne pathologische Befunde.
Hepatitis- und Borrelienserologie, antinukleäre Faktoren, Kryoglobuline und Kälteagglutinine
ebenfalls unauffällig. In den Stuhluntersuchungen kein Nachweis pathogener Keime oder
einer Infestation. Entzündungsparameter: BSG n. W. 90/98 mm, bei Kontrolle 88/106
mm (NW: 10/20 mm), CRP 63,7 mg/l, bei Kontrolle 63,4 mg/l (NW: 3-15 mg/l). Eiweißelektrophorese
geringfügige Erhöhung der alpha-1- und alpha-2-Globulinfraktionen bei sonst unauffälligen
Befunden.
Ergänzende Untersuchungen
Rö.-Thorax, -NNH und -Orthopantomogramm, Mammografie, Lymphknotensonografie zervikal,
axillär und inguinal sowie EKG und Echokardiographie ohne richtungsweisende pathologische
Befunde. Oberbauchsonographie: mehrere große Konkremente im Gallenblasenkorpus, sonst
unauffällige Gallenblase. Keine weiteren pathologischen Befunde im Abdomen. Bei den
Konsiliaruntersuchungen der Fachgebiete HNO, MKG, Gynäkologie, Neurologie und Kardiologie
keine Hinweise für ein entzündliches Fokalgeschehen oder eine Tumorerkrankung.
Chirurgisches Konsil: Funktion des rechten Schultergelenkes mit einer Flexion bis
90 und einer Abduktion bis 80 Grad ohne wesentliche Einschränkung. Röntgenkontrolle
unauffällig, die Prothese ist nicht luxiert. Klinisch und radiologisch kein Anhalt
für eine Gelenkinfektion.
Therapie und Verlauf
Aufgrund der Anamnese, der vorliegenden klinischen Morphologie und der laborchemischen
Vorbefunde, die eine deutlich beschleunigte BSG und ein erhöhtes CRP auswiesen, wurde
der Befund der Patientin auch unsererseits zunächst als postoperative Lymphangitis
eingeordnet. Überraschenderweise zeigte eine orale Behandlung mit 3 × 500 mg Cefaclor
täglich über einen Zeitraum von 3 Wochen keinen Einfluss auf die Ausprägung des klinischen
Befundes. Um die nun differenzialdiagnostisch vermutete Kontaktdermatitis zu belegen,
erfolgte eine Biopsie, deren histopathologische Beurteilung zur Diagnose einer reaktiven
Angioendotheliomatose führte. Bei der nachfolgenden umfangreichen Diagnostik konnten
die in der Literatur beschriebenen assoziierten Erkrankungen bei unserer Patientin
nicht nachgewiesen werden. Allerdings fand sich auch kein klinisches Korrelat der
deutlich erhöhten laborchemischen Entzündungsparameter.
Eine probeweise durchgeführte lokale Behandlung mit Prednicarbat blieb ebenfalls wirkungslos.
Bei einer Wiedervorstellung der Patientin 6 Monate nach Auftreten der Dermatose fand
sich ein insgesamt aufgelockertes und deutlich pigmentiertes Erythem, ohne dass jedoch
eine vollständige Rückbildung des Befundes festgestellt werden konnte.
Diskussion
Diskussion
Die beiden Formen der Angioendotheliomatose, die maligne und die reaktive oder benigne
Variante, werden nach heutiger Auffassung als zwei eigenständige Entitäten angesehen,
die allerdings identische klinische, nicht voneinander abgrenzbare dermatologische
Befunde aufweisen. Die maligne Angioendotheliomatose ist die häufigere der beiden
Formen. Domizio et al. berichteten 1989 über 101 publizierte Fälle der malignen Form,
während Kutzner et al. 1991 die Zahl der bekannt gewordenen reaktiven Angioendotheliomatosen
mit weniger als 10 Erkrankungen angaben [5]
[6]. Bei späteren Untersuchungen von Lazova et al. und McMenamin und Fletcher fanden
sich nur wenige neue Erkrankungsfälle. Den Autoren zufolge waren bis 1996 17 Fälle
und bis 2002 35 Fälle der reaktiven Form publiziert worden [7]
[8]. Die klinische Morphologie der Angioendotheliomatosen ist vielfältig und kann bei
den einzelnen Patienten sehr unterschiedliche, teilweise monomorphe, teilweise polymorphe
Befunde aufweisen. Beim Auftreten einzelner Effloreszenzen zeigen sich diese bevorzugt
an den Unterschenkeln und überraschenderweise auch immer wieder im Bereich der Ohrmuscheln,
während bei einer generalisierten Ausbreitung sowohl der Stamm als auch die oberen
und unteren Extremitäten bevorzugt betroffen sind [9]
[10]
[11]
[12]. Am häufigsten finden sich kleinmakulöse oder flächenhafte Erytheme in unterschiedlicher
Ausprägung. Neben hellroten, braunroten oder lividen Farbtönen werden urtikarielle,
derb infiltrierte, retikuläre oder purpuriforme Erytheme beschrieben. Die unscharf
begrenzten Erytheme können durch zahlreiche Telangiektasien gekennzeichnet sein und
werden von einzelnen Patienten ungewöhnlicherweise als druckschmerzhaft empfunden
[11]
[12]
[13]
[14].
Eine weitere klinische Manifestation der Angioendotheliomatosen sind kutan oder subkutan
lokalisierte Knoten und Plaques, die sich ebenfalls durch rote oder livide Farbtöne
auszeichnen und eine derbe Konsistenz aufweisen [6]
[11]
[15]. Darüber hinaus werden vereinzelt auch Blasen beschrieben [9]
[12]. In der Regel treten sowohl die nodulären als auch die bullösen Effloreszenzen in
Kombination mit den verschiedenen Erythemformen auf. Alle primären Effloreszenzen
der Angioendotheliomatosen können nekrotisieren und im Verlauf ihrer weiteren Entwicklung
hämorrhagische Krusten, Erosionen und Ulzera ausbilden [11]
[12]. Im Gegensatz zur reaktiven Angioendotheliomatose, deren klinische Symptomatik auf
das Hautorgan beschränkt bleibt, zeigt die maligne Form als angiotropes Lymphom eine
systemische Ausbreitung mit deutlich bevorzugter neurokutaner Manifestation. Die neurologische
Symptomatik der malignen Angioendotheliomatose ist dabei häufiger als die kutane Beteiligung
und zeigt sich unter anderem in Form von transitorischen ischämischen Attacken, Krampfanfällen,
Parästhesien, Ataxien, Gleichgewichtsstörungen, Wesensveränderungen und Demenz [16]
[17]
[18]. Dem biologischen Verhalten einer malignen Systemerkrankung folgend können zahlreiche
weitere Organe betroffen sein. Neben dem Gastrointestinal- und dem Urogenitaltrakt
finden sich in der Literatur Berichte über spezifische Infiltrationen der Lungen,
der Leber und der Nieren sowie weitere Manifestationen im Bereich der Knochen, der
Lymphknoten und der Milz [19]. Das histopathologische Bild der Angioendotheliomatosen ist durch intravasale Tumorzellproliferationen
gekennzeichnet, die in kleineren und mittelgroßen Gefäßen des Koriums und der Subkutis
nachweisbar sind. Je nach Ausmaß der intravasalen Proliferationen können die Gefäßlumina
durch fibrinoide Thromben partiell oder vollständig verschlossen sein [8]
[29]. Bei der malignen Angioendotheliomatose bestehen die Proliferate aus atypischen
mononukleären Zellen mit zahlreich vorkommenden Zell- und Kernatypien, die in den
meisten der bisher publizierten Fälle als B-Lymphozyten klassifiziert werden konnten
[6]
[21]. Neben diesen intravasalen oder angiotropen B-Zell-Lymphomen wurden nur sehr vereinzelt
T-Zell-Lymphome oder histiozytische Lymphome diagnostiziert [11]
[22]
[23].
Bei der reaktiven Form der Angioendotheliomatose finden sich als charakteristische
Befunde intravasale zellreiche Endothelzellproliferationen und extravasal lokalisierte
Perizytenmanschetten, während Kernatypien nur sehr vereinzelt beobachtet werden können
[8]. In Zweifelsfällen sind für die differenzialdiagnostische Abgrenzung zwischen der
malignen und der reaktiven Angioendotheliomatose immunhistologische Untersuchungen
notwendig. Der Panleukozytenmarker Anti-LCA (CD45) sowie Antikörper gegen B- und T-Zell-assoziierte
Antigene sichern bei positiven Befunden die Diagnose einer malignen Angioendotheliomatose
und erlauben darüber hinaus eine weitere Subtypisierung des vorliegenden Lymphoms
[24]. Positive Markierungen der intravasalen Proliferationen mit Endothelzellmarkern,
z. B. mit UEA1, sowie der Nachweis muskelaktin-besetzter perivasaler Perizytenmanschetten
belegen hingegen das Vorliegen einer reaktiven Angioendotheliomatose [21]. Die Ätiopathogenese der Angioendotheliomatosen ist weitgehend ungeklärt. Bei der
malignen Form werden als Ursache der Angiotropie der Lymphome spezifische Adhäsionsmoleküle
vermutet, die eine Bindung zwischen den Endothel- und Lymphomzellen vermitteln könnten
[25]. Einer anderen Hypothese zufolge wird die intravasale Proliferation möglicherweise
durch defekte Rezeptoren der Lymphomzellen verursacht [26].
Die Diskussion über die Ätiologie und die Pathogenese der reaktiven Angioendotheliomatose
ist geprägt durch das gleichzeitige Auftreten assoziierter Erkrankungen. Hierzu zählen
vorrangig bakterielle Infektionen wie die auffällig häufig beobachtete subakute bakterielle
Endokarditis, aber auch die Tuberkulose oder die Otitis media [7]
[12]. Darüber hinaus finden sich in der Literatur einzelne Berichte über assoziierte
Gefäßprozesse, z. B. eine portale Hypertension bei alkohol-toxischer Zirrhose oder
bei arteriovenösen Shunts [27]
[28]. Bei einer weiteren Patientengruppe mit reaktiver Angioendotheliomatose konnten
Kryoglobuline, Kälteagglutinine und Antiphospholipid-Antikörper als pathologische
Serumbestandteile nachgewiesen werden [29]
[30]
[31]. Allen assoziierten Erkrankungen gemeinsam sind pathogenetische Konzepte, die die
intravasale Endothelzellproliferation als Folge einer gestörten Durchblutung der betroffenen
Hautareale beschreiben. Neben infektallergischen Mechanismen, z. B. im Sinne einer
Immunkomplex-Vaskulitis, wird auch die Möglichkeit einer verstärkten Produktion von
Angiogenesefaktoren als Folge einer intravasalen Thrombenbildung und der damit verbundenen
Hypoxie diskutiert [8]
[32]
[33]. Der Nachweis assoziierter Erkrankungen ist bei der reaktiven Angioendotheliomatose
jedoch keineswegs obligat. Bei einem Teil der Patienten fanden sich weder Begleiterkrankungen
noch pathologische Laborbefunde [7]. Auch bei der hier vorgestellten Patientin konnten die bisher beschriebenen assoziierten
Erkrankungen nicht nachgewiesen werden. Die reaktive Angioendotheliomatose der Patientin
war 6 Wochen nach Implantation einer Schultergelenksprothese im Narbenbereich aufgetreten.
Der Zeitraum und die Lokalisation sprechen zunächst für einen kausalen Zusammenhang
zwischen dem Auftreten der Dermatose und dem operativen Eingriff. Unterstellt man
die Möglichkeit einer operativ verursachten Hypoxie, z. B. durch arterielle Gefäßligaturen,
ließe sich das postoperative Auftreten der Dermatose auch pathogenetisch erklären.
Der operative Eingriff und die anschließende Wundheilung waren bei unserer Patientin
jedoch komplikationslos verlaufen, so dass eine Ischämie und eine damit verbundene
Hypoxie als Ursache der reaktiven Angioendotheliomatose im vorliegenden Fall unwahrscheinlich
sind. Darüber hinaus müsste man bei einer traumatischen Genese der reaktiven Angioendotheliomatose
und der Anzahl der täglich durchgeführten Operationen wohl häufiger mit dem Auftreten
der Dermatose rechnen, als dies tatsächlich der Fall ist. So fand sich in der uns
zugänglichen Literatur kein weiterer Fall einer postoperativ aufgetretenen reaktiven
Angioendotheliomatose. Unabhängig von der postoperativen Manifestation der reaktiven
Angioendotheliomatose bleibt bei unserer Patientin auch die pathogenetische Bedeutung
der erhöhten laborchemischen Entzündungsparameter unklar, zumal deren Ursache ebenfalls
nicht aufgedeckt werden konnte. Dabei fanden sich keine Hinweise für akut oder persistierend
infektiöse, myeloproliferative oder autoimmunologische Erkrankungen, so dass eine
Ätiologie der reaktiven Angioendotheliomatose in der hier wiedergegebenen Kasuistik
trotz des zeitlichen und topographischen Zusammenhanges mit der vorausgegangenen Operation
als nicht geklärt angesehen werden muss.
In Abhängigkeit von der jeweils vorliegenden Morphologie der Angioendotheliomatose
müssen klinisch zahlreiche Dermatosen differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden,
z. B. die Lymphangiosis carcinomatosa viszeraler Neoplasien, bakterielle Lymphangitiden,
die Embolia cutis medicamentosa, frühe Formen der Mycosis fungoides, umschriebene
Ekzemmanifestationen sowie die verschiedenen Vaskulitiden [7]
[12]
[32]. Bei dieser Vielzahl möglicher Differenzialdiagnosen verwundert es nicht, dass die
Diagnose einer Angioendotheliomatose in der Regel erst aufgrund histopathologischer
Untersuchungen gestellt wird. Die gleiche Einschätzung gilt im Übrigen auch für die
diffuse dermale Angiomatose, die von einigen Autoren als Variante der reaktiven Angioendotheliomatose,
von anderen hingegen als eigenständige Dermatose verstanden wird [33]
[34].
Die Behandlung der malignen Angioendotheliomatose entspricht den Therapieempfehlungen
hochmaligner Non-Hodgkin-Lymphome. Neben einer kombinierten Chemotherapie, z. B. nach
dem CHOP-Schema, werden bei umschriebenen Organmanifestationen zusätzlich radioonkologische
Therapieverfahren eingesetzt. Nichtsdestotrotz muss die Prognose mit einer durchschnittlichen
Überlebenszeit von nur einem Jahr als außergewöhnlich ungünstig angesehen werden [12]
[26]
[35]. Bei der reaktiven Angioendotheliomatose sollte zunächst eine Behandlung assoziierter
Erkrankungen erfolgen. Darüber hinaus sind überwiegend systemische Behandlungsversuche
mit verschiedenen Antibiotika durchgeführt worden. Einzelne Patienten erhielten zusätzlich
eine systemische oder topische Therapie mit Glukokortikoiden [7]. Bei allen Behandlungsversuchen sollte jedoch berücksichtigt werden, dass spontane
Rückbildungen der reaktiven Angioendotheliomatose keineswegs ungewöhnlich sind [11]
[36].