Bemerkenswert im Zusammenhang mit dem Markt »Selbstmedikation« erscheint die Feststellung
»neue Spielregeln und Spieler«. So geschehen in der Ankündigung einer Vortragsveranstaltung
eines großen und reputierten im Gesundheitssektor tätigen Verbandes. Der Rezensent
hatte aus Zeitgründen nicht das Vergnügen »mitzuspielen« und kann sich so seine Gedanken
nur zu den Überschriften dieses Events machen. Das ist natürlich auch ein gefährliches
Spiel, weil hier möglicherweise pars pro toto geschlossen wird. Sei's drum! So heißt
es einmal »Selbstmedikation unter veränderten Bedingungen« - gemeint sind Marktanalysen
nach der bedeutenden Einschränkung einer Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln; hiervon
sind Arzneipflanzenprodukte (HMP) überproportional betroffen. Nicht geändert dagegen
haben sich hier die Forderungen nach Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit, die Kardinaltugenden
von Arzneimitteln schlechthin - und das ist gut so! Denn die Erwartungen der Verbraucher
sind mit Recht hochgesteckt und dürfen nicht enttäuscht werden.
Eine andere Überschrift der gleichen Veranstaltung lautet »Neue Märkte aus Sicht der
Ernährungsindustrie«. Liegt hier des Pudels Kern, nämlich die Verwendung von Arzneipflanzen
in Nahrungsergänzungsmitteln (NEM), vor allem aber in den »health-claims«, den gesundheitsbezogenen
Werbeaussagen solcher Mittel?
Ohne einen anderen Vertriebsweg für AM, einschl. HMP, in extenso darzustellen, wie
dieser in Filialen einer Drogerie-Vertriebskette versucht wird (vgl. DÄBl 103, H.8;
(Febr. 2006), gilt auch hier: Wehret den Anfängen - wohlgemerkt aus ärztlich-ethischen
Erwägungen und nicht etwa aus kommerziellen Überlegungen! Diese sind dann aber sicher
Sache besonderer Aufmerksamkeit der Beteiligten, wenn es gilt, einen weiteren Titel
auszufüllen, nämlich: »Neue Spielregeln in der Apothekenansprache« zu suchen und zu
finden. Gemeint sind offenbar strategische Fragen im Umgang mit Apotheken-Kooperationen.
An sich nicht zu beanstanden, so lange die Trias Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit
durch entsprechende Untersuchungen belegt ist.
Was aber, wenn nicht? Oder wenn die Arzneipflanze im Mantel des NEM angeboten und
mit semantisch geschickten »health claims« versehen dem arglosen Verbraucher nicht
mehr unbedingt in der Apotheke verkauft wird? Erfolgt auf diese Weise eine Abwanderung
von entsprechenden Arzneipflanzen in den Lebensmittelsektor, etwa als Bestandteil
von Novel Food, so ist Tür und Tor offen zum Einsatz von Arzneipflanzen-Zubereitungen
in Lebensmitteln, die dann neben einer Nährwertkennzeichnung auch gesundheitsbezogene
Angaben enthalten. Mit Hypericum in Joghurt hat es angefangen, mit Sabal könnte es
weitergehen. Als Lebensmittel, eben nur als NEM, in den Handel gebracht ohne Beeinflussungsmöglichkeit
der Verzehrsmenge, d.h. ohne Kontrolle effektiver oder gar überschrittener Dosis,
ohne Überprüfung der Qualität, vor allem aber ohne Hinweise auf mögliche unerwünschte
Neben- oder Wechselwirkungen - diese werden nicht auf der NEM-Packung erscheinen noch
bei einem Auftreten korrekt zugeordnet werden - ganz zu schweigen von einer fehlenden,
weil prima vista nicht geforderten Einhaltung von Arzneibuch- oder Zulassungskriterien.
Aus diesem Dilemma könnte vielleicht eine Positivliste von Arzneipflanzen, die nicht
in Lebensmitteln zu verwenden sind, herausführen. Für diese Liste sollten zeichnen
in gegenseitiger Übereinkunft der Beteiligten: Vertreter der Wissenschaft in den Heilberufen,
Verbraucherinitiativen und Hersteller. In dieser Liste sollten dann alle Arzneipflanzen
aufgeführt werden, die entsprechend ihrer lange beobachteten Heilwirkungen untermauert
mit modernen Wirksamkeitsnachweisen geeignet sind, gesicherte medizinische Indikationen
zu beanspruchen.
2007 ist nicht mehr fern. Dann stehen bei der Europäischen Kommission (EC) Entscheidungen
der vorberichteten Art an. Daher sollten, nein müssen, die Vertreter der Heilberufe,
Ärzte und Apotheker - die Consuln - gemeinsam im Interesse der ihnen anvertrauten
Patienten und Ratsuchenden gegen eine Absicht der EC zur Erweiterung der Direktive
2002/46 EG, zumindest soweit diese anerkannte Arzneipflanzen betrifft, geschlossen
auftreten, ne quid res publica/salus aegroti detrimenti capiat! damit (frei übersetzt):
die gute Sache der pflanzlichen Arzneimittel und deren Verwendung keinen Schaden leidet.