Während dem akuten Schmerz immer eine Warnfunktion zukommt, geht dieser Sinn beim
chronischen Schmerz verloren. "Diese Chronifizierung müssen wir vermeiden", betonte
der Orthopäde und Schmerztherapeut Alois Franz, Siegen, auf einem Symposium[1] im März 2006 in Frankfurt/Main.
Gerade in der Behandlung therapieresistenter und/oder scheinbar unerklärlicher Schmerzen
richtet sich in diesem Zusammenhang der Blick seit einigen Jahren vermehrt auf das
neuropathische Erklärungsmodell, bei dem der Nerv selbst Sitz und Promotor des Schmerzes
ist. "So neigt z. B. eine Lumboischialgie mit radikulärer Symptomatik mitunter sehr
rasch zur Chronifizierung", warnte Dr. Rainer Freynhagen, Düsseldorf. Unbedingt geboten
sei hier ein interdisziplinärer und multimodaler Therapieansatz. Er basiert auf früher
Aktivierung des Patienten und bezieht psycho- und physiotherapeutische und medikamentöse
Maßnahmen ein.
Antidepressiva verbessern Lebensqualität
NSAR sind bei akuten Rückenschmerzen, insbesondere mit entzündlicher Komponente indiziert,
beeinflussen aber neuropathische Schmerzen meist nicht entscheidend. Tri- (TCA) und
tetrazyklische Antidepressiva können hingegen neuropathische Schmerzen unabhängig
von ihrem antidepressiven Effekt moderat bessern. Sind andere Therapieoptionen ausgeschöpft,
sollten lang wirksame mittel- oder hochpotente Opioide zum Einsatz kommen. Eine weitere
Option bieten Antikonvulsiva mit membranstabilisierender Wirkung (Ionenkanalblocker).
Bezieht man neben der Schmerzlinderung auch die Besserung der Lebensqualität als Kriterium
ein, lässt sich auf dem Boden einer aktuellen Metaanalyse die Effektivität in der
Reihenfolge Gabapentin/Pregabalin > Tramadol > Opioide > TCA belegen, erläuterte Freynhagen.
Für das neuere Pregabalin[2] spricht in der Therapie neuropathischer Schmerzen das einfache Handling und die
schnelle Wirkung, die i. d. R binnen einer Woche spürbar wird. Häufig lässt sich eine
zunehmende Symptomlinderung mitunter auch noch nach 6-8 Wochen und einer individuellen
Dosissteigerung auf 450-600 mg/d beobachten.
Ralf Schlenger, München