Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG)
Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG)
Durch das VÄndG wird voraussichtlich für Radiologen und andere überweisungsabhängige
Fachgebiete ein Verbot der Bildung von Teilgemeinschaftspraxen mit Zuweisern eingeführt.
Teil I des folgenden Beitrages beschäftigt sich daher mit den privatärztlich weiterhin
zulässigen Teilgemeinschaftspraxisbildungen.
Teil II, der in der nächsten Ausgabe erscheinen wird, wird das geplante Verbot der
Teilgemeinschaftspraxis für Radiologen in der GKV beleuchten.
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Einführung
Einführung
Ziel der auf dem 107. Deutschen Ärztetag 2004 in Bremen beschlossenen Neufassung der
(Muster-) Berufsordnung (MBO) ist die Weiterentwicklung der Strukturen ärztlicher
Berufsausübung sowie die Stärkung der Kooperation von Ärzten untereinander und mit
anderen Gesundheitsberufen. Die Bundesärztekammer betont in einem Positionspapier
"Niederlassung und berufliche Kooperation" vom 17.02.2006 (vgl. DÄBl 2006, A 801 ff.),
dass mit den Änderungen des ärztlichen Berufsrechts, "vor allem die niedergelassenen
Ärztinnen und Ärzte in die Lage versetzt werden sollen, bei zunehmend starkem Wettbewerb
auch zukünftig konkurrenzfähig zu bleiben und tatsächliche oder vermeintliche Wettbewerbsvorteile
medizinischer Versorgungszentren auszugleichen".
Deutlich geworden ist mittlerweile jedoch, dass die berufsrechtlich neu geregelten
Formen der ärztlichen Berufsausübung und Kooperation in der vertragsärztlichen Versorgung
überwiegend erst dann genutzt werden können, wenn zuvor das SGB V, die Ärzte-ZV und
die Bundesmantelverträge geändert worden sind. Diese Änderungen sollen nun durch das
Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) erfolgen. Die Bundesregierung strebt an,
den Gesetzentwurf vom 26.05.2006 (BR-Drucks. 353/06) im Bundestag im Herbst diesen
Jahres zu verabschieden. Im Rahmen des Entwurfs zum VÄndG hatte der Gesetzgeber zu
berücksichtigen, dass die geltende Bedarfsplanung und andere Besonderheiten des Vertragsarztrechtes
vom Berufsrecht abweichende Modifikationen erfordern. Außerdem ist zu erwarten, dass
es nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Umsetzung der MBO durch die einzelnen
Ärztekammern zu einer Divergenz zwischen Vertragsarztrecht und Berufsrecht kommen
kann. Deshalb sollen die landesrechtlichen Vorschriften über die ärztliche Berufsausübung
zwar - grundsätzlich - inhaltlich gleichlautend, aber eigenständig im SGB V und der
Ärzte-ZV ausformuliert werden. Darüber hinaus will der Gesetzgeber in einigen Bereichen
im Vertragsarztrecht über die im ärztlichen Berufsrecht erfolgte Liberalisierung hinausgehen
oder diese Vorgaben einschränken. Diese Regelungskompetenz steht dem Bundesgesetzgeber
jedoch nicht zu, da das Recht zur Regelung der heilberuflichen Berufsausübung ausschließlich
den Ländern vorbehalten ist, die die Ausgestaltung im Detail den Kammern dieser Heilberufe
durch autonome Satzung (Berufsordnungen) übertragen haben. Hierauf weist der Bundesrat
in seiner Stellungnahme vom 07.07.2006 zum VÄndG zu Recht hin.
Flexibilisierung der ärztlichen Berufsausübung
Flexibilisierung der ärztlichen Berufsausübung
Größere Flexibilität in der Berufsausübung niedergelassener Ärzte verspricht die Berufsordnung
insbesondere für den Bereich der Gemeinschaftspraxis, also der Organisationsform,
die Ärzten anders als die Praxis- oder Apparategemeinschaft eine gemeinsame Abrechnung
ihrer ärztlichen Leistungen ermöglicht. Während die Gemeinschaftspraxis (= Berufsausübungsgemeinschaften)
von den ihr angehörenden Partnern bisher grundsätzlich an einem gemeinsamen Praxissitz
ausgeübt werden musste und es nicht erlaubt war, mehreren Gemeinschaftspraxen anzugehören,
werden diese Begrenzungen nun aufgehoben. Berufsrechtlich ist es daher seit der Umsetzung
der MBO in den Berufsordnungen der Landesärztekammern mittlerweile möglich, überörtliche
Gemeinschaftspraxen zu gründen und Mitglied von bis zu 2 weiteren Gemeinschaftspraxen
zu werden.
Teilgemeinschaftspraxis = Kooperation in Teilen des Leistungsspektrums
Teilgemeinschaftspraxis = Kooperation in Teilen des Leistungsspektrums
Neu eingeführt wurde daneben auch die Möglichkeit, dass Gemeinschaftspraxen nicht
das gesamte Leistungsspektrum umfassen müssen. Nach § 18 Abs. 1 MBO ist es nun möglich,
"Teil-Gemeinschaftspraxen" oder "Teil-Partnerschaften" oder sonstige "Teil-Kooperationsgemeinschaften"
zu bilden. Dies bedeutet, dass beispielsweise Ärztinnen bzw. Ärzte, die an ihrer (Einzel-)
Praxis festhalten wollen, für die Erbringung bestimmter Leistungen geregelte und auch
ankündbare (Teil-) Kooperationen eingehen können. Wie beispielsweise bei sonstigen
Gemeinschaftspraxen kommt der Behandlungsvertrag in diesem Fall mit der "Teilgemeinschaftspraxis"
zustande.
Eine "Teil-Kooperation" kann danach auch von mehreren Berufsausübungsgemeinschaften
gebildet werden. Diese Teil-Kooperationen können in den Praxisräumen eines Kooperationspartners
stattfinden oder aber auch an einem anderen Ort im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 MBO.
Unklar bleibt nach der Regelung in § 18 Abs. 1 MBO sowie den entsprechenden Bestimmungen
in den Berufsordnungen der Landesärztekammern, welchen zulässigen Gegenstand eine
Teilgemeinschaftspraxis haben kann. Die Regelung besagt lediglich, dass "Ärzte dürfen
sich zu Berufsausübungsgemeinschaften - auch beschränkt auf einzelne Leistungen" zusammenschließen
dürfen. Was mit "einzelnen Leistungen" gemeint ist, wird jedoch, wie der Begriff der
Berufsausübungsgemeinschaft selbst, nicht definiert. Daher drängt sich, auch aufgrund
der notwendigen Abgrenzung dieser Kooperationsform zur fachidentischen und fachübergreifenden
Gemeinschaftspraxis die Frage auf, wie diese Leistungen zu definieren sind. Soweit
man den Begriff weit fassen möchte, können Teilgemeinschaftspraxen mit allen ärztlichen
Fachgruppen gebildet werden, die dem gemeinsam als Gesellschaftszweck definierten
Behandlungs- und/oder Untersuchungsauftrag entsprechen.
Anders als bei der fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis ist daher für die Teilgemeinschaftspraxis
eine Fachidentität oder zumindest Fachverwandtheit der beteiligten Arztgruppen nicht
erforderlich. Andererseits ist die Beteiligung jedweder Facharztgruppen nicht zulässig,
sondern lediglich derjenigen, die zu einer Erfüllung des definierten Behandlungs-
und/oder Untersuchungsauftrages auch tatsächlich beitragen können. Gemeint ist daher
nicht ein lediglich ein irgendwie gearteter "fachübergreifender" Zusammenschluss von
Ärzten, wie dies bei einem medizinischen Versorgungszentrum nach § 95 Abs. 1 SGB V
gefordert wird, sondern eine "interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung", wie
sie in § 140a Abs. 1 SGB V für die Integrierte Versorgung beschrieben wird; allerdings
beschränkt auf die ärztliche Zusammenarbeit. Zu fragen ist darüber hinaus, welche
Leistungen von den beteiligten Ärzten einer Teilgemeinschaftspraxis angeboten werden
müssen. Handelt es sich um eigenständige, dem Berufs- und Weiterbildungsrecht und
nach dem ärztlichen Gebührenrecht selbstständig erbring- und abrechenbare Leistungen,
sodass die Leistungen der beteiligten Ärzte für sich gesehen eigenständig bleiben
und zusammen mit den anderen Fachgruppen zeitgleich, zeitlich versetzt im Rahmen einer
koordinierten und aufeinander abgestimmten Behandlungsplanung oder möglicherweise
sogar völlig unabhängig voneinander erbracht werden. Andererseits kann es sich aber
auch um Leistungen handeln, die nur einer Fachgruppe zugeordnet sind und nur von dieser
abgerechnet werden können, an der sich jedoch ein anderer Facharzt, bezogen auf einzelne
"Behandlungs- oder Untersuchungsschritte" beteiligt und die anschließend im Rahmen
der Teilgemeinschaftspraxis gemeinsam abgerechnet werden. Die erstgenannte Form der
Teilgemeinschaftspraxis dürfte in den dargestellten Varianten zulässig sein. Bei der
letztgenannten Form sind dagegen gewisse Einschränkungen zu machen. Voraussetzung
für die Zulässigkeit einer derartig arbeitsteiligen Zusammenarbeit bezogen auf eine
einzelne, in einer Gebührenziffer der GOÄ oder des EBM dargestellten "Leistung" ist
stets, dass es sich zum Fachgebiet der beteiligten Ärzte gehörende Leistungen handelt.
Eine fachgebietsfremde Tätigkeit wird im Rahmen der Teilgemeinschaftspraxis ebenso
unzulässig sein wie ein Verstoß gegen die Qualitätsvereinbarungen nach § 135 Abs.
2 SGB V, soweit es sich um vertragsärztliche Leistungen handelt.
Die Bundesärztekammer (BÄK) betont in ihrer Stellungnahme vom 17.02.2006, dass es
zulässig ist, innerhalb der Teilgemeinschaftspraxis auch einzelne Leistungen zwischen
den Beteiligten aufzugliedern (z.B. die arbeitsteilige Trennung von Untersuchungsleistung
und Befundung, insbesondere bei bildgebender Diagnostik). Dies gilt auch für überörtliche
Teil-Gemeinschaftspraxen, bei denen eine Leistungsaufteilung z.B. auch unter Einsatz
telemedizinischer Verfahren denkbar ist. Eine arbeitsteilige Trennung von Untersuchungsleistung
und Befundung, z.B. im Bereich der Kernspintomographie zwischen Radiologe und Orthopäde,
setzt daher voraus, dass der Orthopäde zur Befundung von MRT-Untersuchungen weiterbildungsrechtlich
befugt ist. Anzumerken ist hier darüber hinaus, dass bezogen auf die Radiologie die
Grenzen, die der Teleradiologie nach § 3 Abs. 4 RöV gesetzt werden, nach wie vor einzuhalten
sind. Danach ist zum Betrieb einer Röntgeneinrichtung zur Teleradiologie insbesondere
eine Genehmigung erforderlich, die sich grundsätzlich auf den Nacht-, Wochenend- und
Feiertagsdienst beschränkt.
Die Ausführungen sprechen insbesondere die so genannten methodendefinierten Fachgebiete
wie Radiologie, Nuklearmedizin, Labormedizin, Pathologie etc. an, die nun bezogen
auf einzelne Leistungen mit Angehörigen ihres Fachgebietes neben der bereits bestehenden
Einzel- oder Gemeinschaftspraxis zusätzliche Berufsausübungsgemeinschaften gründen
und die dort erbrachten Leistungen standortübergreifend erbringen und abrechnen können.
Nicht eindeutig geklärt ist, unter welchen Voraussetzungen und innerhalb welcher Grenzen
diese Form der Teil-Kooperation zwischen Radiologen und anderen Fachärzten, also potenziellen
Zuweisern, ausgeübt werden darf. Die BÄK weist in ihrer Stellungnahme zu Recht darauf
hin, dass bei allen neuen Kooperationsformen geprüft werden muss, ob die Kooperation
nicht gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt nach § 31 MBO verstößt.
Aufgrund der Tatsache, dass es sich auch bei Teilgemeinschaftspraxen um Berufsausübungs-
und nicht lediglich um Organisationsgemeinschaften, wie Praxis- und Apparatgemeinschaften
handelt, ist zudem eine klare Abgrenzung zu diesen Kooperationsformen erforderlich.
Dies dürfte jedoch, insbesondere für die Patienten, zunehmend schwieriger werden,
zumal nunmehr auch Praxisgemeinschaften nach außen angekündigt werden können. Die
Berufsordnungen selbst enthalten keine Definition der Berufsausübungsgemeinschaft.
Insbesondere wegen der neuen Formen der Zusammenarbeit in (Teil-)Berufsausübungsgemeinschaften
und überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften, aber auch im Hinblick auf die unterschiedlichen
Rechtsfolgen (Gemeinschaft als Vertragspartner, persönliche Leistungserbringung, Abrechnung
und Haftung) stellt sich zunehmend die Frage, wann im berufsrechtlichen Sinn von einer
gemeinsamen Berufsausübung gesprochen werden kann. Bei Kooperationsformen, die keine
Berufsausübungsgemeinschaft darstellen, ist eine Grenzziehung zu dem berufsrechtlichen
Verbot der Zuweisung gegen Entgelt nach § 31 MBO erforderlich. Die Bundesärztekammer
hat deshalb für die Annahme einer "gemeinsamen Berufsausübung" im Sinne von § 17 Abs.
2 Satz 2 MBO einen Kriterienkatalog aufgestellt, der bei solchen Kooperationen beachtet
werden soll und auch für die Teilgemeinschaftspraxis gelte. Die BÄK ist jedoch als
eingetragener Verein nicht in der Lage, bundesweit verbindliche rechtliche Vorgaben
für die ärztliche Berufsausübung zu treffen. Mangels Verabschiedung der Stellungnahme
durch die jeweiligen Landesärztekammern dürfte ihr daher die rechtliche Verbindlichkeit
fehlen. Sie ist daher hinsichtlich ihres materiell-rechtlichen Inhaltes durchaus kritisch
zu hinterfragen, auch wenn die überwiegenden Inhalte den tatsächlichen rechtlichen
Gegebenheiten im Bereich der ärztlichen Berufsausübung entsprechen.
Kriterien der gemeinsamen Berufsausübung
Kriterien der gemeinsamen Berufsausübung
Die Stellungnahme der BÄK geht davon aus, dass im Wege einer Gesamtbetrachtung zu
beurteilen ist, ob im Sinne der Berufsordnung eine gemeinsame Berufsausübung vorliegt.
Die berufsrechtliche Bewertung deckt sich mit der gesellschaftsrechtlichen Betrachtung,
bei der ebenfalls im Wege einer Gesamtschau der Regelungen des Gesellschaftsvertrages
der Gesellschaftszweck ermittelt wird. Es ist jeweils eine Einzelfallprüfung vorzunehmen,
wobei nicht alle der nachstehenden Kriterien erfüllt sein müssen. Dabei muss nicht
nur berücksichtigt werden, dass die MBO die gemeinsame und nicht die gemeinschaftliche
Berufsausübung im Sinne einer gleichzeitigen Behandlung fordert. Berücksichtigt werden
muss auch, dass der Deutsche Ärztetag mit der Novellierung der MBO Kooperationen erleichtern
wollte.
Nach Auffassung der BÄK sind folgende Kriterien für eine gemeinsame Berufsausübung
maßgeblich.
-
Wille zur gemeinsamen Berufsausübung in einer auf Dauer angelegten systematischen
Kooperation. Der bloße Wille, nur Ressourcen gemeinsam zu nutzen, ist nicht ausreichend.
Von einer gemeinsamen Berufsausübung kann ebenfalls nicht gesprochen werden, wenn
sich die Zusammenarbeit z.B. auf die Bildung von Qualitätszirkeln zu Fortbildungszwecken,
einen gemeinsamen Vertretungs- oder Notdienstplan oder reine Managementtätigkeit beschränkt.
Auch ein reines Gewinnpooling genügt nicht den Anforderungen, die an eine gemeinsame
Tätigkeit zu stellen sind.
-
In der Regel ist ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag erforderlich, der diesen Willen
zum Ausdruck bringt und die Rechte und Pflichten der Gesellschafter (z.B. Einlage,
Regelungen zu gemeinschaftlichen Entscheidungen, Gewinnerzielung auf der Ebene der
Gesellschaft) festlegt. Wesentlich ist allerdings nicht nur die schriftliche Fixierung
des Willens zur gemeinsamen Berufsausübung, sondern entscheidend ist stets "wie die
Gesellschaft gelebt wird". Unklarheiten oder Regelungslücken im Gesellschaftsvertrag
können durch tatsächliches Verhalten kompensiert werden. Hingegen reicht ein Vertrag,
der zwar eine gemeinsame Berufsausübung beschreibt, die aber nicht tatsächlich praktiziert
wird, nicht aus, um letztlich von einer gemeinsamen Berufsausübung zu sprechen.
-
Außenankündigung der Gesellschaft nach Maßgabe des § 18a Abs.1 MBO. Anders als bei
einer reinen Organisationsgemeinschaft, die angekündigt werden darf, ist in dem Fall
der Berufsausübungsgemeinschaft die Ankündigung obligat.
-
Der Behandlungsvertrag wird von der Gemeinschaft geschlossen, weshalb die Abrechnung
durch die Gemeinschaft erfolgt. Die Gemeinschaft haftet im Außenverhältnis. Davon
unberührt bleibt allerdings das Recht, eine abweichende Regelung im Innenverhältnis
zu vereinbaren.
-
Die Gemeinschaft muss über einen gemeinsamen Patientenstamm verfügen, d.h. jeder Partner
muss Zugriff auf die Patientenkartei haben.
Gestaltungsmissbrauch
Gestaltungsmissbrauch
Diese Kriterien machen deutlich, dass eine Teilgemeinschaftspraxis nicht vorliegt,
wenn die gesellschaftsrechtliche Konstruktion und/oder die tatsächliche Handhabung
auf eine Organisationsgemeinschaft hinauslaufen; d.h. tatsächlich werden lediglich
angeschaffte medizinische Geräte, die Praxiseinrichtung und Praxispersonal gemeinsam
genutzt, ohne dass es zu einer gemeinsamen, ggf. zeitlich versetzten Behandlung/Diagnostik
am Patienten kommt. Die "gemeinsame Berufsausübung" setzt eine gemeinsame Tätigkeit
im medizinischen Sinne voraus. Aus diesem Grunde sind andere Formen der ärztlichen
Kooperation, z.B. ein gemeinsamer Vertretungs- und Notdienstplan, nicht ausreichend,
um dieses Kriterium zu erfüllen. Die häufig anzutreffenden "Poolverträge" zwischen
Radiologen und Zuweisern führen daher, soweit keine gemeinsamen und zulässigen medizinischen
Beiträge der Gesellschafter zu der abgerechneten Leistung hinzutreten, zu einer unzulässigen
Honorarbeteiligung eines Dritten an den Einnahmen eines Arztes und sind daher unter
dem Gesichtspunkt der Zuweisung gegen Entgelt als unzulässig anzusehen.
Gesellschafterrechte
Gesellschafterrechte
Daneben meint die BÄK, dass von einer gemeinsamen Berufsausübung nur dann gesprochen
werden könne, wenn die beteiligten Ärzte mehr oder minder gleiche Rechte und Pflichten
in der Gesellschaft haben. Eine Berufsausübungsgemeinschaft mache es aus, wenn jeder
Gesellschafter an unternehmerischen Chancen und Risiken beteiligt sei. Dieses drücke
sich typischerweise in einer prozentualen Gewinn- und Verlustbeteiligung, in einer
Mitwirkung an Investitions- und Personalenscheidungen, aber auch dadurch aus, dass
strategische Unternehmensentscheidungen (z.B. Abschluss von Verträgen nach §§ 73b,
73 c oder 140 b SGB V, Neuaufnahme von Mitgliedern) gemeinschaftlich getroffen werden.
Zu beachten sei aber, dass gerade bei der Gründung von Gemeinschaften, aber auch bei
Aufnahme eines Gesellschafters eine so genannte vermögensrechtliche Nullbeteiligung
jedenfalls dann zu akzeptieren sei, wenn sie nicht auf Dauer angelegt, sondern z.B.
nach einer "Kennenlernphase" ein Anwachsen der Kapitalbeteiligung vorgesehen werde.
Maßgeblich sei vor allem eine Beteiligung am immateriellen Wert und weniger am materiellen
Wert.
Gegen diese gesellschaftsrechtlichen Anforderungen, die seitens der BÄK für die Annahme
einer gemeinsamen Berufsausübung gefordert werden, ist einzuwenden, dass es hierfür
weder im ärztlichen Berufsrecht, noch im Gesellschaftsrecht eine Rechtsgrundlage gibt.
Diese ist jedoch nach der Rechtsprechung des BGH erforderlich, um die mit einer solchen
Restriktion verbundenen Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit im Sinne von Art.
12 Abs. 1 GG zu rechtfertigen (BGH MedR 1994, S. 152). Eine entsprechende Rechtsgrundlage
müsste in den Heilberufs- und Kammergesetzen der Bundesländer vorhanden sein, damit
dies in den Berufsordnungen der Landesärztekammern positiv geregelt werden könnte,
was bisher jedoch in keinem Bundesland der Fall ist. Auch gesellschaftsrechtlich sind
die von der BÄK aufgestellten Anforderungen an die Vermögensbeteiligung in einer Berufsausübungsgemeinschaft
und die sonstigen Gesellschafterrechte nicht zwingend. Der Bundesgerichtshof hat in
einem Urteil vom 15.04.1987 festgestellt, daß es mit der Gesellschafterstellung "ohne
weiteres" vereinbar ist, daß ein Gesellschafter weder an Gewinn und Verlust, noch
am Vermögen der Gesellschaft beteiligt ist (BGH NJW 1987, 3124, 3125). Darüber hinaus
hat der BGH in einem weiteren Urteil die Auffassung vertreten, dass die Beteiligung
am Verlust einer Gesellschaft auch vollständig ausgeschlossen werden darf (BGH, WM
1989, 1850, 1851). Das Bundesarbeitsgericht hat sich dieser Auffassung im Zusammenhang
mit der Bewertung von Gesellschaftsverträgen von Rechtsanwälten mit Beschluss vom
15.04.1993 angeschlossen (BAG, NJW 1993, 2458, 2560).
Die Kriterien entstammen ausschließlich dem Vertragsarztrecht, welches aus sozialversicherungsrechtlichen
Erwägungen zusätzliche Anforderungen an die Formen ärztlicher Berufsausübung stellt
und das hierfür auch gesonderte Rechtsgrundlagen im SGB V und der Ärzte-ZV geschaffen
hat (vgl. Wigge NZS 2001, S. 293). In dem Bereich privatärztlicher Tätigkeiten können
diese Anforderungen der BÄK dagegen keine Gültigkeit beanspruchen. Für den Bereich
der Teilgemeinschaftspraxis ist darüber hinaus anzumerken, dass es aufgrund der Tatsache,
dass lediglich ein Leistungsausschnitt bedient wird, in den meisten Fällen nicht zur
Schaffung gemeinsamer Vermögenswerte kommen wird; z.B. wird im Fall einer MRT-Kooperation
der Kernspintomograph bereits in einer der beteiligten Praxen bereits vorhanden sein,
sodass es nicht zu einer Veränderung der Vermögensverhältnisse durch die Gründung
der Teilgemeinschaftspraxis kommen wird. Die gegenseitige Beteiligung am immateriellen
Vermögen würde voraussetzen, dass in einer Teilgemeinschaftspraxis überhaupt ein "Good-will"
zu erwarten ist. Auch dies erscheint fraglich, da sich die Zuweisungsverhältnisse
nicht verändern dürften und eine Positionierung seitens der Teilgemeinschaftspraxis
am Markt des angebotenen Leistungsspektrums in den meisten Fällen eher nicht zu erwarten
ist. Insofern sind die Kriterien der BÄK, abgesehen von den grundsätzlichen rechtlichen
Bedenken, insbesondere für die Teilgemeinschaftspraxis, unbrauchbar. Anzumerken bleibt,
dass die Forderung der BÄK nach einer vermögensmäßigen Beteiligung der Gesellschafter
einer Berufsausübungsgemeinschaft in Zeiten der Etablierung der Ärztegesellschaft
und von Medizinischen Versorgungszentren, die als Kapitalgesellschaften mit angestellten
Ärzten geführt werden können, einen nicht nachvollziehbaren Anachronismus darstellt.
Wie in § 18 Abs. 4 MBO geregelt, ist auch in Teil-Kooperationen die freie Arztwahl
zu gewährleisten. Teilkooperationen sind gemäß § 18a MBO anzukündigen und zwar am
Ort der Leistungserbringung.
Teilbarkeit der ärztlichen Leistung
Teilbarkeit der ärztlichen Leistung
Gerade im Bereich überweisungsabhängiger Fachgebiete, wie der Radiologie, wirft die
Ausgestaltung der Teilgemeinschaft erhebliche Fragestellungen auf, da sie nicht dazu
missbraucht werden darf, berufsrechtlich unzulässige Zuweisermodelle mit dem Rechtsschein
zulässiger Berufsausübung zu versehen. Der Schmiergeldcharakter von Zahlungen an Fachärzte,
die ihre Patientenzuweisungen an den Radiologen von Rückvergütungen abhängig machen,
wird nicht dadurch geheilt, dass diese Zuweiser diese Zahlungen nun als Gesellschafter
über die Gewinnausschüttung einer formalrechtlich zulässigen Teilgemeinschaft erhalten.
Mit anderen Worten ist die Vergesellschaftung von finanziellen Zuwendungen auch im
Rahmen einer Teilgemeinschaftspraxis nicht möglich. Bei der Gründung einer Teilgemeinschaftspraxis
sind daher insbesondere folgende von der BÄK geforderten Kriterien zu erfüllen:
-
Unabhängig von der gewählten Form der Berufsausübung oder Kooperation muss das Schutzniveau
im Patienten-Arzt-Verhältnis gleichartig sein und der Besonderheit dieses Verhältnisses
Rechnung getragen werden.
-
Auch bei kooperativer Leistungserbringung ist der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung
zu beachten.
-
Es ist Transparenz über die Form der Berufsausübung und Kooperation sowie über die
daran Beteiligten sicherzustellen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt sich die Frage, welche bekannten Formen der
Zusammenarbeit zwischen Radiologen und anderen Fachärzten im Rahmen einer Teilgemeinschaftspraxis
zulässig sein können. Die Frage soll anhand gängiger Beispiele erläutert werden:
-
Computertomographisch gesteuerte Infiltration der Zwischenwirbelgelenke zwischen Radiologe
und Orthopäde: Zulässiger Gesellschaftszweck kann eine gemeinsame Diagnostik und Therapie
in diesem Bereich sein, wobei klar sein muss, dass der Orthopäde aufgrund der fehlenden
Strahlenschutzfachkunde im Bereich CT nach der RöV und der Fachgebietsfremdheit dieser
radiologischen Leistung nach der Weiterbildungsordnung lediglich zu vorbereitenden
und begleitenden Maßnahmen gegenüber dem Patienten berechtigt ist. Gebührenrechtlich
ist zu beachten, dass § 4 Abs. 2 GOÄ die persönliche Leistungserbringung für den gesamten
nicht delegierbaren Teil der Leistung erfordert, sodass zur Abrechnung der CT-Leistungen
ausschließlich der Radiologe berechtigt ist. Dies wirft die Frage auf, ob die gemeinsame
Abrechenbarkeit der Leistungen in einer Teilgemeinschaftspraxis nach der GOÄ zugleich
Voraussetzung und Grenze der Vergesellschaftung medizinischer Leistungen in diesem
Bereich ist.
-
Kardio-MRT-Leistungen zwischen Radiologe und Kardiologe: Da nach der neuen Weiterbildungsordnung
Kardiologen und andere Facharztgruppen berechtigt sind, im Rahmen der so genannten
Zusatzweiterbildung fachgebundene Kernspintomographie die Voraussetzungen zur Erbringung
und Abrechnung von MRT-Leistungen zu erwerben, wäre dieser Bereich für die Gründung
einer Teilgemeinschaftspraxis geeignet. Auch hier gilt jedoch, dass die Erbringung
von MRT-Leistungen für den Kardiologen, wie auch für andere Facharztgruppen, nur im
Rahmen seines Weiterbildungsinhaltes als fachgebietskonform angesehen wird. Weitergehende
MRT-Untersuchungen als die des Herzens sind daher auch im Rahmen einer Teilgemeinschaftspraxis
durch den Kardiologen nicht mit dem Radiologen erbring- und abrechenbar. In vertragsarztrechtlicher
Hinsicht ist für den Bereich der Kernspintomographie zu beachten, dass andere Facharztgruppen
außer Radiologen und teilweise Nuklearmediziner nach den Vorgaben der Kernspintomographie-Vereinbarung
nach § 135 Abs. 2 SGB V nicht berechtigt sind, diese Leistungen in der GKV zu erbringen
und abzurechnen, auch wenn sie hierzu aufgrund des geänderten Weiterbildungsrechts
privatärztlich berechtigt sind.
-
Mammographieleistungen zwischen Radiologen und Gynäkologen: Auch hier besteht eine
Möglichkeit der gemeinsamen Leistungserbringung, da beide Fachgruppen zur Durchführung
der Mammographie weiterbildungsrechtlich befugt sind. Gerade im Hinblick auf die Notwendigkeit
verstärkter Kooperationen im Bereich des so genannten Mammographie-Screenings sind
derartige Teil-Gemeinschaftspraxen sinnvoll, wobei jedoch hier die Anforderungen an
den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung an den pragrammverantwortlichen
Arzt (PvA) nach der Anlage 9.2 BMV-Ä/EKV zu beachten sind.
Die vorgenannten Beispiele machen deutlich, dass dem im Weiterbildungsrecht verankerten
Verbot der fachgebietsfremden Tätigkeit in diesem Zusammenhang eine wesentliche Bedeutung
zukommt und eine Verletzung dieses Verbotes zugleich ein wichtiges Indiz für einen
Gestaltungsmissbrauch bei der Beurteilung einer Teilgemeinschaftspraxis zwischen Radiologen
und anderen Fachgruppen zukommt. Im Bereich der bildgebenden Diagnostik sind therapeutisch
tätige Facharztgruppen weiterbildungsrechtlich häufig zur Mitbefundung und/oder Befundauswertung
berechtigt, sodass in diesem Teil der Leistung eine Möglichkeit der Zusammenarbeit
mit dem Radiologen besteht. Die gebührenrechtliche Zulässigkeit einer gemeinsamen
Leistungserbringung nach der GOÄ stellt einen weiteren Gesichtspunkt dar. Entscheidend
für die berufsrechtliche Zulässigkeit der Teilgemeinschaftspraxis ist jedoch, dass
die beteiligten Ärzte auch ärztliche Leistungen erbringen, die im Rahmen der Gesamtbehandlung
bzw. der Diagnostik als Teilbeitrag angesehen werden können.
Einige Ärztekammern haben deshalb abweichend von den Vorgaben der MBO die Anforderungen
an die zulässige Form der Zusammenarbeit in einer Teilgemeinschaftspraxis in ihrer
Berufsordnung definiert. Dies erscheint insbesondere im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht
im Facharztbeschluss vom 09.05.1972 (BVerfG NJW 1972, 1504, 1508) geforderte Ermächtigungsgrundlage
für Einschränkungen der ärztlichen Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG empfehlenswert:
§ 18 Abs. 1a der Berufsordnung der Hamburger Ärzte und Ärztinnen vom 7.03.2000 i.d.F.
vom 20.02.2006 (In Kraft getreten am 11.06.2006) hat folgenden Wortlaut: "Teil-Berufsausübungsgemeinschaften
sind nur zulässig, wenn die ihr zugehörigen Ärzte am Gewinn dieser Gesellschaft jeweils
entsprechend ihres persönlich erbrachten Anteils an der gemeinschaftlichen Leistung
beteiligt werden. Die Anordnung einer Leistung, insbesondere aus den Bereichen der
Labormedizin, der Pathologie und der bildgebenden Verfahren stellt keinen Leistungsanteil
im Sinne im Sinne des Satzes 1 dar. Verträge über die Gründung von Teil-Berufsausübungsgemeinschaften
sind der Ärztekammer vorzulegen."
Die Regelungen über die Teilgemeinschaftspraxis in der Berufsordnung der Ärztekammer
Hamburg konkretisieren den Begriff der Berufsausübung insbesondere in fachübergreifenden
Konstellationen und machen deutlich, dass die Überweisung von Patienten an die methodendefinierten
Fächer wie Radiologie oder Labormedizin zur Erbringung medizinisch-technischer Leistungen
kein zulässiger Gesellschaftszweck einer Teilgemeinschaftspraxis sein kann.