Die Feststellung, dass „Hygiene” im Krankenhaus und allgemein im Umgang mit Patienten
notwendig ist, wird wohl kaum auf Widerspruch stoßen. Doch was ist damit gemeint?
Nur wenige medizinische Fachbegriffe sind in der jüngeren Vergangenheit so grundlegend
pervertiert und missbraucht worden wie der Begriff „Hygiene”. Bis heute verbinden
viele Menschen mit diesem Begriff irrationale und zwanghafte Vorstellungen von Sauberkeit
und Keimfreiheit, und immer noch werden diese unwissenschaftlichen Vorstellungen mit
den Zielen des wissenschaftlichen Faches Krankenhaushygiene verwechselt.
Die hier als erstes Heft vorliegende Zeitschrift Krankenhaushygiene up2date will Sie auf rationale und wissenschaftlich fundierte Weise über aktuelle Aspekte
der Krankenhaushygiene informieren. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, soll der
Begriff „Krankenhaushygiene” zunächst eine zeitgemäße Definition erhalten:
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Krankenhaushygiene ist die Prävention von nosokomialen Infektionen und Antibiotikaresistenzen.
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Während die Prävention nosokomialer Infektionen schon immer das Ziel der Krankenhaushygiene
war, ist die Beschäftigung mit dem zunehmenden Wirksamkeitsverlust der Antibiotika
erst in den letzten 15-20 Jahren zum Aufgabenbereich der Krankenhaushygiene hinzugekommen.
Das wachsende Problem der Multiresistenzen hat für die öffentlichkeit einen solch
hohen Stellenwert, dass der Gesetzgeber dies sogar im Infektionsschutzgesetz verankert
hat. Das Ziel ist, Maßnahmen zur Prävention von Entstehung und Verbreitung multiresistenter
Erreger so frühzeitig in die Wege zu leiten, dass solche Infektionen weitestgehend
verhindert werden, die mit Antibiotika nicht mehr oder nur noch in sehr eingeschränkter
Weise therapierbar sind.
Gemeint ist mit der oben genannten Definition nicht nur die Prävention exogener Infektionen
(verursacht durch Infektionserreger, die von außen in den Körper eindringen), sondern
auch die Prävention endogener Infektionen (aus dem Reservoir der körpereigenen Flora).
Nosokomiale Infektionen entstehen am häufigsten aus dem endogenen Erregerreservoir,
weshalb die Antibiotikatherapie für die Entstehung resistenter Infektionserreger so
bedeutsam ist. Doch auch das Risiko endogener Infektionen kann zumindest teilweise
reduziert werden, z. B. durch bestimmte Pflegetechniken oder perioperative Antibiotikaprophylaxe.
Solche Maßnahmen beeinflussen das ärztliche und pflegerische Handeln oft unmittelbar
und gehen weit über die traditionellen Betätigungsfelder der Hygiene hinaus.
Um die oben genannte Definition des Begriffes „Krankenhaushygiene” richtig interpretieren
zu können, bedarf es ferner einer Definition des Begriffes „nosokomiale Infektion”
(oder „Krankenhausinfektion”). Eine juristische Definition findet sich in § 2 (8)
des Infektionsschutzgesetzes. Demnach sind nosokomiale Infektionen dadurch gekennzeichnet,
dass sie in einem zeitlichen Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme stehen. Selbstverständlich stehen sie
aber auch in einem ursächlichen Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen. Wie sonst sollte man eine Blasenkatheter-assoziierte
Harnwegsinfektion bzw. Beatmungs-assoziierte Pneumonie erwerben, wenn nicht infolge
solcher invasiven Maßnahmen? Man darf nur den Begriff „ursächlich” bzw. „kausal” nicht mit „verschuldet” gleichsetzen, was häufig immer noch geschieht. Dieses Missverständnis führt nicht
selten zu irrationalen ängsten vor der Krankenhaushygiene (deren Ziel nicht die Schuldzuweisung,
sondern die Prävention ist) und trägt damit eher zur Entstehung nosokomialer Infektionen
bei.
Weiterhin beschränkt sich der Begriff „nosokomiale Infektion” nicht nur auf Infektionen,
die während eines stationären Aufenthaltes erworben wurden, sondern schließt auch
die ambulante Patientenversorgung, Krankenhaus-Personal und ggf. Besucher mit ein.
Deshalb wird der Begriff „nosokomial” in der englischen Sprache zunehmend ersetzt
durch den Begriff „health-care-associated”, also „in Zusammenhang mit einer medizinischen
Maßnahme”, was den Sachverhalt viel treffender charakterisiert. Krankenhaushygiene up2date wird sich auch mit dieser veränderten Sicht nosokomialer Infektionen befassen, wobei
der Schwerpunkt auf dem Patientenschutz liegen wird. Der Personalschutz wird jedoch
nicht ausgeblendet werden, denn sowohl Patienten- als auch Personalschutz operieren
oft mit Maßnahmen, die gleichzeitig dem Schutz beider Personengruppen dienen.
Krankenhaushygiene up2date sieht sich daneben auch der Aufgabe verpflichtet, die für die Prävention zur Verfügung
stehenden knappen Ressourcen rational und ökonomisch einzusetzen. Teilweise werden
unter Verweis auf so genannte (formal gar nicht existierende) „Hygienevorschriften”
immer noch Maßnahmen ohne jeden präventiven Nutzen durchgeführt. Auf solche Missstände
und „alten Zöpfe” hinzuweisen ist nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus
ethischer Sicht geboten. Denn Ressourcen, die für unwirksame Maßnahmen vergeudet werden,
stehen für wirksame Maßnahmen nicht mehr zur Verfügung.
Die Themen, mit denen sich Krankenhaushygiene up2date befasst, sind somit klar umrissen. Sie umfassen die im Rahmen der Patientenversorgung
auftretenden infektiösen Risiken und liefern somit die Grundlage für einen wesentlichen
Teil des in Krankenhaus und Praxis erforderlichen Qualitätsmanagements.
Eine zeitgemäße Krankenhaushygiene muss dem medizinischen Personal in verständlicher
und praxisbezogener Form industrieunabhängige, wissenschaftlich fundierte und, wenn
möglich, auch praxiserprobte Hygienestandards vermitteln und helfen, vermeidbare Infektionen
auch wirklich zu vermeiden. Mit Krankenhaushygiene up2date möchten wir Ihnen vor allem eine gut recherchierte und optimal aufbereitete Fortbildung
zu allen o. g. Aspekten der Krankenhaushygiene bieten. Wir möchten damit nicht zuletzt
für das klinisch tätige Personal ein Klima fördern, in dem ein Dialog mit dem jeweiligen
Hygienefachpersonal möglich wird. Denn die Krankenhaushygiene muss mit den „Anwendern”
in einen fachlichen Diskurs treten und aufhören, auf - meist auch nur vermeintliche
- haftungsrechtliche Konsequenzen hinzuweisen, wenn bestimmte Empfehlungen nicht umgesetzt
werden.
Die in Krankenhaushygiene up2date vierteljährlich erscheinenden Artikel sollen Ihnen deshalb in übersichtlicher Gestaltung
und mit praktisch relevantem Inhalt einen kritisch-analytischen überblick vermitteln
über Lehrmeinungen, wissenschaftlich fundierte Empfehlungen und bewährte Standards.
Dazu gehört auch, auf ungelöste Fragen hinzuweisen. Denn wie in anderen medizinischen
Fächern gibt es auch in der Krankenhaushygiene etliche Fragen, die nicht klar beantwortet
werden können. Das hat aber für das medizinische Personal oft den Vorteil, dass verschiedene
Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Welche Möglichkeiten dies im konkreten Fall sein
können, wollen wir Ihnen ebenso vermitteln wie die klaren Antworten, wenn es sie gibt.
Unsere Artikel sollen Sie natürlich auch dazu anregen, fragwürdige (vielleicht immer
noch weit verbreitete, weil zur liebgewordenen Gewohnheit gewordene) Maßnahmen zu
hinterfragen - und letztlich aufzugeben.
Um Ihnen für die Archivierung der Beiträge eine schlüssige Systematik an die Hand
zu geben, haben wir die Rubriken 1. Hygienemaßnahmen, 2. Nosokomiale Infektionen,
3. Antibiotikaanwendung, 4. Reinigung, Desinfektion, Sterilisation, 5. Technische
und bauliche Aspekte und 6. ökonomie und Recht gewählt. Den Zwängen der Zeit entsprechend
bekommen Sie zudem die Möglichkeit, nach konzentrierter Lektüre durch Beantwortung
der jedem Artikel folgenden CME-Fragen Ihr Fortbildungssoll abzubauen.
Wir hoffen, Sie mit unserer neuen Zeitschrift anzusprechen und Sie langfristig als
engagierte, kritische Leser gewinnen zu können.
Ines Kappstein, Heinz-Michael Just,
Roland Schulze-Röbbecke