Einleitung
Die Reiss-Engelhorn-Museen (REM) in Mannheim haben seit 2003 ihr 1777/1778 errichtetes
Zeughaus in C5 als Ausstellungsgebäude von Grund auf saniert und neueingerichtet,
sodass es pünktlich zum Beginn des vierhundertjährigen Stadtjubiläums Mannheims
im Januar 2007 wieder eröffnet werden konnte. In den kunst- und kulturgeschichtlichen
Sammlungen sind bei den Gemälden im 2. OG mit Schwerpunkt Porträtmalerei zwei
eindrucksvolle Bildnisse des 18. Jahrhunderts ausgestellt. Es handelt sich um
den Mannheimer Stadtdirektor Jakob Friedrich Gobin (1707 - 1791) und dessen
Ehefrau Josepha Gobin, geb. Lippe (1718 - 1806), die 1735 heirateten. Beide Bilder,
die 1789 entstanden sind, haben dasselbe Format (Öl auf Leinwand, 87,5 × 70,3
cm) und stammen von dem vor allem beim Bürgertum geschätzten Porträtmaler Johann
Jacob de Lose (1755 - 1813). Er war bekannt für seine realistische, ungeschönte
Darstellungsweise, mit der er noch so kleine Details und charakteristische Merkmale
der menschlichen Physiognomie minutiös im Bild festzuhalten wusste. Zu den Aufträgen
des an der Mannheimer Zeichnungsakademie geschulten Künstlers gehörten ebenso
kurfürstliche Porträts „für alle Ober- und Unterämter” wie Bildnisse vieler
Mannheimer Bürger [1]. Die beiden Gobin-Bildnisse gelangten 1895 über den Mannheimer Altertumsverein
aus Familienbesitz an die Reiss-Engelhorn-Museen.
Das Bildnis der Josepha Gobin
Uns beschäftigt im Weiteren ausschließlich das Porträt von Josepha Gobin, die
am 3. 12. 1718 als jüngste der vier Töchter des Stadtdirektors Johann Leonhard
Lippe (1671 - 1739) und seiner Ehefrau Maria Magdalena, geb. Bencard, (1685
- 1723) in Mannheim geboren wurde. Sie heiratete am 10. 2. 1735 (also mit 17 Jahren)
den nachmaligen Stadtdirektor Jacob Friedrich Gobin (1707 - 1791), mit dem
sie sieben Kinder hatte [2]
[3]. Die Familie Gobin verbrachte ihr gesamtes Leben in Mannheim. Josepha Gobin
war 1789 zum Zeitpunkt des Portraits 71 Jahre alt. Sie verstarb am 17.3.1806 im
hohen Alter von 87 Jahren. Über Leiden und Todesursache ist nichts bekannt. Ihr
Porträt gibt sie in einem Kleid mit aufwendigem Spitzenkragen und Spitzenhaube
in der Mode ihrer Zeit wieder ([Abb. 1]). Sie sitzt nach links, den Blick auf den Betrachter gerichtet. Ihre Hände liegen
überkreuzt auf einer Marmortischplatte, wobei sie in ihrer Rechten einen geschlossenen
Fächer hält. Das Gesicht entspricht ihrem Alter und trägt einen charakteristischen Leberfleck an der linken Stirne. Dieser wird in verschiedenen Inventarverzeichnissen auch als „schwarzes
Schönheitspflästerchen” oder als „großes Schönheitspflaster” bezeichnet. Die Tränensäcke,
das Doppelkinn und die starke Figur sind hervorstechende Merkmale. Im Hintergrund
rechts ist die Lehne des Stuhls zu erkennen, auf dem Frau Gobin Platz genommen
hat. Das Gemälde wurde 1964 restauriert und erhielt einen neuen Rahmen.
Abb. 1 Porträt von Josepha Gobin (1718 - 1806) aus dem Jahre 1789, gemalt in Öl auf
Leinwand von Johann Jacob de Lose (1755 - 1813). Beachte die Lentigo maligna an
der Stirne links.
Dermatologische Überlegungen
Das Bild von 1789 ([Abb. 1]) dokumentiert einen Pigmentfleck auf der Stirne links von Frau Gobin, als sie
71 Jahre alt war. Dieser wird in der Annahme, dass er schon lange bestünde,
als „Leberfleck” bezeichnet. Solches kann aber nicht verifiziert werden, sondern
erscheint als eher unwahrscheinlich, da dieser Pigmentfleck auf dem sog. Karlsruher
Bild von 1770 fehlt, respektive nicht abgebildet ist [4]. Dieses Karlsruher Bild scheint unsigniert und sein Standort ist nicht bekannt.
Damit erscheint es wahrscheinlich, dass der Pigmentfleck an der linken Stirnseite
von Frau Gobin in der Zeit zwischen 1770 und 1789 entstanden ist. Ein Muttermal
oder Leberfleck aber ist angeboren und schon in der Kindheit deutlich zu sehen.
Dies erscheint als unwahrscheinlich. Vielmehr drängt sich die Deutung als „Lentigo
maligna ” (LM) auf, wie sie vor knapp 100 Jahren von William Dubreuilh in Paris
als „Melanosis präblastomatosa” und von Guido Miescher in Zürich als „Melanotische
Präkanzerose” beschrieben und von den übrigen Formen des Malignen Melanoms abgegrenzt
werden konnten. Es handelt sich um eine klinisch und histologisch charakteristische
Vorstufe des bösartigen „schwarzen Hautkrebses”, ein sog. „Melanoma in situ”,
bei welchem die malignen Melanozyten sich in der Epidermis wohl seitlich ausdehnen
und herdförmig verdichten, aber noch nicht die Basalmembran der Epidermis durchbrechen
und in die Tiefe auswandern [5]. LM treten bevorzugt an den Lichtterrassen im Gesicht (Stirne, Wangen und Ohren)
auf, entwickeln sich langsam über viele Jahre, um erst spät in ein „Lentigo maligna
Melanom” (LMM) überzugehen. LMM machen 10 % aller Melanome beim Menschen aus
und realisieren sich deutlich später als die übrigen Melanomformen, oft erst nach
dem 70. Lebensjahr, oder in seltenen Fällen auch gar nicht mehr.
Der Pigmentfleck an der linken Stirne von Frau Gobin zeigt viele Charakteristika
einer LM ([Abb. 2]). Er ist annähernd rund (Durchmesser 11mm) dargestellt mit braunschwarzer
Eigenfarbe und scharfer Begrenzung. Bei guter Beleuchtung erkennt man eine Innenstruktur
mit tiefschwarzen, zackig begrenzten Flecken, die zusammenfließen, an keiner Stelle
aber die Außengrenze des braunschwarzen Mals überschreiten. Knotige Anteile sind
nicht erkennbar. Auch zeigt das Gesicht von Frau Gobin zwar die Zeichen der Alterung,
schlaffe Hautfalten der Unterlider (Tränensäcke), das Doppelkinn und die starke
Statur, es fehlen aber, außer der LM, andere Zeichen übermäßiger Lichtexposition,
wie es der urbanen Lebensweise der Familie Gobin entspricht.
Abb. 2 Detailzeichnung mit der Feingliederung der Lentigo maligna an der Stirne links
von Frau Josepha Gobin (vergl. [Abb.1]).
Dies Beispiel zeigt, dass die Malerei neben dem großen Thema des Altern des Menschen
mit Gebrechlichkeit und Zerfall [6]
[7]
[8] auch distinkte Krankheiten, bevorzugt an der Haut, darzustellen weiß, auch
solche wie Lentigo maligna im vorliegenden Fall und auch kutane Lymphome [9]
[10], oft weit früher, als die dermatologische Klassifizierung vorliegt.