II. Erstattungsrechtliche Beurteilung von 224SpondylAT®
Die Frage der Erstattungsfähigkeit von 224SpondylAT® in der gesetzlichen Krankenversicherung hängt zunächst von dessen Einordnung
als Arzneimittel nach § 31 SGB V oder "neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode"
nach § 135 Abs. 1 SGB V ab. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat in einer schriftlichen
Stellungnahme die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Anwendung von 224-Radiumchlorid
bei Morbus Bechterew um ein neues Behandlungsverfahren handele, welches entsprechend
den Vorgaben des § 135 SGB V vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zu überprüfen
ist.
Diese rechtliche Einordnung der Therapie mit 224SpondylAT® erweist sich jedoch bei näherer Prüfung leistungsrechtlich als nicht systemkonform,
da hierdurch die Arzneimitteleigenschaft von 224SpondylAT® im Sinne von § 31 SGB V und die damit verbundenen erstattungsrechtlichen
Besonderheiten insbesondere gegenüber neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
völlig außer acht gelassen werden.
1. Arzneimitteleigenschaft von 224SpondylAT®
Grundsätzlich unterliegen Arzneimittel hinsichtlich ihrer Erstattungsfähigkeit den
Vorgaben in den §§ 31 ff. SGB V, während die Anerkennung neuer Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden in § 135 Abs. 1 SGB V geregelt ist. Für Arzneimittel bestimmt
§ 31 Abs. 1 SGB V, dass Versicherte Anspruch auf die Versorgung mit Arzneimitteln
haben, soweit diese nicht nach § 34 ausgeschlossen sind[4]. Damit besteht in der gesetzlichen Krankenversicherung ein grundsätzlicher Anspruch
auf sämtliche Arzneimittel die nicht durch die Negativliste ausgeschlossen sind. Das
Vorhandensein einer Arzneimittelzulassung nach § 21 AMG für 224SpondylAT® führt nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich zu einer
Erstattungsfähigkeit des Arzneimittels in der gesetzlichen Krankenversicherung.
In mehreren Entscheidungen hat das BSG Maßstäbe für eine positive bzw. negative Entscheidung
der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung
aufgestellt.
Bereits mit Urteil vom 08.06.1993[5] und in seiner Entscheidung vom 08.03.1995[6] hat das BSG die "negative Vorgreiflichkeit der Arzneimittelzulassung" für die Frage
der Erstattungsfähigkeit in der GKV festgestellt und entschieden, dass ein zulassungspflichtiges
Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden darf,
dessen Zulassung zum Verkehr förmlich versagt worden ist. Damit bestätigte das BSG
die negative Vorgreiflichkeit der Arzneimittelzulassung im Bereich der gesetzlichen
Krankenversicherung. Die Frage, ob hinsichtlich der positiven Zulassungsentscheidung
entsprechendes gelte, insbesondere, ob die Krankenkassen an die Wirksamkeitsbeurteilung
nach dem AMG gebunden sind, ließ das BSG dagegen zunächst offen.
Das materielle Genehmigungsverfahren nach dem AMG stellt grundsätzlich ein zuverlässiges
Verfahren zur Prüfung der Wirksamkeit von Arzneimitteln dar. Die Zulassung nach §
21 AMG ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der konstitutiv die Verkehrsfähigkeit
eines pharmazeutischen Produktes als Arzneimittel eröffnet. Dieses Verfahren soll
eine optimale Arzneimittelsicherheit verwirklichen, deren Schwerpunkt gleichermaßen
in der Sorge für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels
liegt (§ 1 AMG). Erst durch die Zulassung wird, wie §§ 25 Abs. 2 Nr. 3, 4, 5 AMG zeigt,
die Unbedenklichkeit und zumindest prinzipielle Wirksamkeit eines pharmazeutischen
Produktes festgestellt[7].
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 05.03.1997 festgestellt,
dass die Krankenkassen mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung über eine eindeutiges
und zugängliches Kriterium bei der Entscheidung über die Verordnungsfähigkeit von
pharmazeutischen Produkten verfügen[8]. Das Zulassungskriterium ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch
zuverlässig, denn die Zulassungsentscheidungen nach §§ 21 ff. AMG ergehen auf der
Grundlage aufwendiger Zulassungsunterlagen des Antragstellers mit sachgemäßer behördlicher
Kompetenz.
Damit ergibt sich eine sog. positive Vorgreiflichkeit der Arzneimittelzulassung für
die Frage der Erstattungsfähigkeit in der GKV, da diese die Verkehrsfähigkeit für
das Arzneimittel eröffnet. Positivrechtlich geregelt ist dies in Nr. 3 der Arzneimittel-Richtlinien
(AMRL) vom 31.08.1993[9]: "3. Der Versicherte hat grundsätzlich Anspruch auf die Versorgung mit allen nach
dem Arzneimittelgesetz (AMG) verkehrsfähigen Arzneimitteln, sofern sie nicht aus der
Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind oder soweit
sie nicht nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot, wie es in diesen Richtlinien konkretisiert
ist, nur eingeschränkt verordnet werden dürfen (§§ 2, 12, 28, 31, 34, 35, 70, 73,
92, 92a, 93, 106 SGB V). ................................."
Das BSG hat einer weiteren Entscheidung deutlich gemacht, dass die Zulassung eines
Arzneimittels nach § 21 AMG grundsätzlich dazu führt, dass ein solches Arzneimittel
nicht als "neue" Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 SGB V angesehen werden
kann[10]: "Daraus mag zu entnehmen sein, dass der Gesetzgeber in der arzneimittelrechtlichen
Zulassung eines Medikaments eine ausreichende Gewähr für dessen Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit
gesehen und verzichtet hat, für den Einsatz in der gesetzlichen KV eine nochmalige
Qualitätsprüfung anhand der Maßstäbe des § 135 Abs. 1 SGB V zu fordern. Das besagt
aber nicht, dass Arzneitherapien grundsätzlich von einer solchen Prüfung ausgenommen
wären, sondern allenfalls, dass eine Behandlungsmethode, die sich in der Anwendung
eines für die betreffende Indikation zugelassenen neuartigen Arzneimittel erschöpft,
keiner Empfehlung in den NUB-RL mehr bedarf, weil das Mittel mit der arzneimittelrechtlichen
Zulassung automatisch zum Bestand der krankenversicherungsrechtlichen Leistungen gehört
und damit nicht mehr als "neu" im Sinne der gesetzlichen Regelung zu gelten hat."
Daraus folgt einerseits, dass § 135 Abs. 1 SGB V keine Anwendung auf Arzneimittel
findet, die ein Zulassungsverfahren nach den §§ 21 ff. AMG durchlaufen haben und das
zugelassene Arzneimittel grundsätzlich zum Bestand der krankenversicherungsrechtlichen
Leistungen nach § 31 SGB V gehören, auf die der Versicherte einen Anspruch hat.
224SpondylAT® hat durch Zulassungsbescheid des BfArM vom 23.10.2000 (Zulassungsnummer:
46630.00.00) die Zulassung als radioaktives Arzneimittel zur Anwendung am Menschen
(Injektionslösung zur intravenösen Anwendung) gemäss § 25 Abs. 1 AMG i.V.m. § 2 Abs.
1 der Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden Strahlen behandelte Arzneimittel
(AMRadV)[11] erhalten. 224SpondylAT® gehört daher zu den Arzneimitteln, die der Versicherte nach § 31 SGB V
beanspruchen kann und stellt keine neue Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs.
1 SGB V dar.
Diese Rechtsauffassung wird von dem LSG Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung ausdrücklich
geteilt: "Da es bei dem für die Zulassung geforderten Nachweis der Qualität, Wirksamkeit
und Unbedenklichkeit des Medikaments (§ 21 Abs. 2 Arzneimittelgesetz - AMG) im Kern
um dieselben Kriterien geht, an denen auch die Leistungen der Krankenversicherung
gemessen werden müssen, handelt es sich bei einer Therapie, die sich in der Anwendung
eines für die betreffende Indikation zugelassenen neuartigen Arzneimittels erschöpft,
nicht um "neue Methoden" i.S.v. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Es ist nicht anzunehmen,
dass der Gesetzgeber alle neuen Medikamente neben einer arzneimittelrechtlichen einer
zusätzlichen krankenversicherungsrechtlichen Qualitätsprüfung nach denselben Maßstäben
unterwerfen wollte. Im Ergebnis verzichtet das Krankenversicherungsrecht bei der Versorgung
mit zulassungspflichtigen Arzneimitteln weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung.
Im Falle der arzneimittelrechtlichen Zulassung ist infolgedessen grundsätzlich davon
auszugehen, dass zugleich der Mindeststandard einer wirtschaftlichen und zweckmäßigen
Arzneimittelversorgung im Sinne des Krankenversicherungsrechts erfüllt ist; dies gilt
unbeschadet der zusätzlichen Regelungen des Krankenversicherungsrechts über die (ökonomisch
verstandene) Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne (vgl. § 12 Abs. 1, § 31, §§ 33a bis
35a, § 84 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 2 SGB V)."
2. Zulassung unter Auflagen
Im vorliegenden Fall ist jedoch die Tatsache zu berücksichtigen, dass die für das
Arzneimittel 224SpondylAT® ausgesprochene Zulassung vom 23.10.2000 unter Auflagen nach § 28 Abs. 3
AMG erteilt worden ist. Die Zulassung für 224SpondylAT® ist mit den Auflagen versehen worden, das Ergebnisse klinischer Prüfungen
nach § 22 Abs. 2 Nr. 3 AMG (klinische Studie Phase III zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit)
innerhalb von 5 Jahren nach Erteilung der Zulassung vorzulegen und bei allen nach
Erteilung der Zulassung behandelten Patienten Anwendungsbeobachtungen über 10 Jahre
durchzuführen sind, deren Ergebnisse systematisch gesammelt, dokumentiert, ausgewertet
und dem BfArM alle 2 Jahre vorzulegen sind.
Die Tatsache, dass seitens des Arzneimittelherstellers innerhalb von 5 Jahren nach
Erteilung der Zulassung eine klinische Studie der Phase III zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
vorzulegen ist, dient nach der Begründung des Zulassungsbescheides des BfArM dazu,
eine abschließende Nutzen-Risiko-Bewertung des Arzneimittels vorzunehmen. Anderseits
sagt diese Auflage nicht, dass das Arzneimittel im Rahmen der Zulassung durch das
BfAfM nicht einer eingehenden Prüfung hinsichtlich der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
aufgrund der vorgelegten Unterlagen unterzogen worden wäre.
Das Zulassungsverfahren verlangt bekanntermaßen, dass der Antragsteller umfassende
Unterlagen insbesondere zu einer analytischen, pharmakologisch-toxikologischen und
klinischen Prüfung (§ 22 Abs. 2 AMG) bzw. "anderes wissenschaftlichen Erkenntnismaterial"
(§ 22 Abs. 3 AMG) sowie bewertende Gutachten (§ 24 AMG) einreicht. Diese Unterlagen
werden von der Zulassungsbehörde in einem aufwendigen Verfahren (vgl. § 25 Abs. 5
AMG) unter Einschaltung einer "Zulassungs-" oder "Aufbereitungskommission" (§ 25 Abs.
6, Abs. 7 AMG) überprüft. Aus diesem Grunde stellt auch die Zulassung unter Auflagen,
auch wenn es an einer abschließenden klinischen Prüfung der Phase III bisher fehlt,
ein ordnungsgemäßes Zulassungsverfahren dar. Insbesondere entfaltet die Auflage als
Nebenbestimmung nach § 36 VwVfG - anders als etwa die Bedingung - keine Beeinträchtigung
der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes, hier der Zulassung. Der mit einer Auflage verbundene
Verwaltungsakt wird- ohne Rücksicht darauf, ob die Auflage erfüllt wird oder nicht
- sofort rechtswirksam[12].
Darüber hinaus kommt in der Zulassung unter Auflagen nach § 28 Abs. 3 AMG eine spezifische
Nutzen-Risiko-Bewertung des BfArM zum Tragen, die bereits in den gesetzlichen Voraussetzungen
des § 28 Abs. 3 AMG gesetzlich angelegt ist: "(3) Die zuständige Bundesbehörde kann
durch Auflagen ferner anordnen, dass weitere analytische, pharmakologisch-toxikologische
oder klinische Prüfungen durchgeführt werden und über die Ergebnisse berichtet wird,
wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Arzneimittel einen großen
therapeutischen Wert haben kann und deshalb eines öffentlichen Interesse an seiner
unverzüglichen Inverkehrbringen besteht, jedoch für die umfassende Beurteilung des
Arzneimittels weitere wichtige Angaben erforderlich sind."
Danach können Arzneimittel mit großem therapeutischen Wert zugelassen werden, auch
wenn bei im übrigen vollständigen Zulassungsunterlagen für die umfassende Bewertung
des Nutzen-Risiko-Verhältnisses noch ergänzende Angaben des pharmazeutischen Unternehmers
ausstehen. Die Regelung ermöglicht somit eine Flexibilität der Zulassungsbehörde und
eine Nutzen-Risiko-Abwägung auch im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Arzneimittels[13]. Diese Bewertung des BfArM kommt auch in der Begründung zu der Auflage im Zulassungsbescheid
zum Ausdruck. Danach wurden zwar keine Ergebnisse klinischer Prüfungen nach § 22 Abs.
2 Nr. 3 AMG vorgelegt und das vorgelegte wissenschaftliche Erkenntnismaterial einschließlich
der Sachverständigen-gutachten und einzelner Anwendungsbeobachtungen beantworten nicht
zufriedenstellend alle Fragen und genannten Mängel, sodass ein fundiertes Urteil und
eine abschließende Nutzen-Risiko-Bewertung des Arzneimittels zum derzeitigen Zeitpunkt
nicht möglich ist. Andererseits liegen nach Auffassung des BfArM "hinreichende Anhaltspunkte
vor, dass 224SpondylAT® einen hohen therapeutischen Wert besitzt und vor allem als Reservetherapeutikum
bei Patienten, bei denen eine adäquate analgetische und antiphlogistische Behandlung
nicht wirksam oder nicht kontraindiziert ist" in Betracht kommt. Aufgrund des vom
BfArM angenommenen hohen therapeutischen Wertes der Therapie mit 224SpondylAT® ist die Zulassung des Arzneimittels erteilt worden und damit die Verkehrsfähigkeit
grundsätzlich gegeben.
Die Zulassung unter Auflagen erfüllt damit auch die Kriterien, die nach Nr. 11 Satz
1 AMRL und der Rechtsprechung des BSG an die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln
in der GKV hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu stellen sind. Danach wird "der ausreichend
sichere therapeutische Nutzen des verordneten Arzneimittels verlangt", der voraussetzt,
dass das nach dem AMG vorgesehene Zulassungsverfahren erfolgreich abgeschlossen ist[14]. Insofern liegt aufgrund der Zulassungsentscheidung des BfArM eine sachverständige
Entscheidung über die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von 224SpondylAT® vor, die nach der Rechtsprechung des BSG als antizipierte Stellungnahme
zur Verordnungsfähigkeit führt.
Diese Auffassung vertritt auch das LSG Rheinland-Pfalz in seinen Urteilsgründen vom
30.03.2006: "Zur Überzeugung des Senats führen die mit der Zulassungsentscheidung
verbundenen Auflagen nicht dazu, eine Leistungspflicht der GKV für die Versorgung
mit dem Arzneimittel SpondylAT zu verneinen. Zwar verfolgen Arzneimittelrecht und
das Recht der GKV unterschiedliche Zielrichtungen. Zweck des AMG ist es im Interesse
einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln,
insbesondere für deren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu sorgen (§ 1 AMG).
Die GKV hat demgegenüber die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten,
wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SGB
V). Allerdings ist die vom BSG (Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 27/02 R, SozR 4-2500
§ 27 Nr. 1) dargelegte grundsätzliche Identität der Qualitätssicherungskriterien im
Arzneimittelrecht und in der GKV (kritisch hierzu: Hart, SGb 2005, 649f.) jedenfalls
in der vorliegenden Fallgestaltung nicht derart zu überdenken, dass eine weitergehendere
Prüfung von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels zu erfolgen hat.
Das BfArM hat in den Auflagen zur Zulassungsentscheidung die Vorlage von klinischen
Studien der Phase III innerhalb von fünf Jahren nach Erteilung der Zulassung sowie
die systematische Sammlung von Anwendungsbeobachtungen über zehn Jahre gefordert.
Eine Einschränkung der Zulassung ist damit nicht verbunden. Allein aus dem Erfordernis
der Vorlage von Studien der Phase III kann nicht abgeleitet werden, dass die Behandlung
nicht dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz
3 SGB V entsprochen hat."
3. Keine Klinische Prüfung
Damit beurteilt sich auch die krankenversicherungsrechtliche Erstattungsfähigkeit
von 224SpondylAT® anders als etwa bei bisher nicht zugelassenen Arzneimitteln, die sich im
Stadium klinischer Prüfungen befinden. Für derartige Arzneimittel besteht nach § 21
Abs. 2 Nr. 2 AMG grundsätzlich keine Zulassungspflicht. Die Tatsache, dass das BfArM
die Zulassung für 224SpondylAT® nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Durchführung klinischer Prüfungen
nach §§ 40, 41 AMG und dem fehlenden Erfordernis einer Zulassung für diesen Zeitraum
verweigert hat, belegt die durchgeführten Abwägungsprozesse hinsichtlich der Nutzen-Risiko-Bewertung
und die positive Entscheidung der Zulassungsbehörde. Die Zulassung nach § 28 Abs.
3 AMG hat nach § 42 AMG zur Folge, dass die Bestimmungen über die Durchführung klinischer
Prüfungen nach §§ 40, 41 AMG vorliegend nicht unmittelbar anwendbar sind.
Im Hinblick darauf, dass klinische Prüfungen nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung
erfolgen dürfen[15], hat die Durchführung der klinischen Prüfung für 224SpondylAT® an einem gesonderten Patientengut zu erfolgen. Dennoch besteht aufgrund
der Zulassungsentscheidung des BfArM eine grundsätzliche Erstattungsfähigkeit von
224SpondylAT® ab Erteilung der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Die mit dem Verfahren
der klinischen Prüfung einhergehenden Verpflichtungen des Arzneimittelherstellers[16] und der verordnenden und anwendenden Ärzte[17] ändern jedoch nichts an der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit aufgrund des vom
BfArM gemäss § 28 Abs. 3 AMG angenommenen hohen therapeutischen Nutzens des Arzneimittels.
Hierzu führt das LSG Rheinland-Pfalz gleichermaßen folgendes aus: "Die Behandlung
des Klägers ist nicht im Rahmen einer solchen Studie erfolgt, weshalb offen bleiben
kann, ob dann anderes zu gelten hätte. Die Beklagte wird damit auch nicht in unzulässiger
Weise (BSG, Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 21/03 R, SozR 4-5565 § 14 Nr.8) an der
Finanzierung der Grundlagenforschung und an klinischen Studien beteiligt. Ein systematischer
Heilbehandlungsversuch, der von der GKV nicht zu bezahlen wäre, lag beim Kläger nicht
vor. Vielmehr begründet die Zulassung des Arzneimittels SpondylAT für die GKV die
Verpflichtung zur Versorgung ihrer Versicherten innerhalb des von der Zulassung erfassten
Anwendungsgebietes. Ob die arzneimittelrechtliche Entscheidung des BfArM zutreffend
war, ist von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit grundsätzlich nicht zu überprüfen
(BSG, Urteil vom 27.09.2005 - B 1 KR 6/04 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 bestimmt).
Die Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung von arzneimittelrechtlichen
Zulassungserfordernissen ist nach Auffassung des Senats bei der vorliegenden Erteilung
der Zulassung unter Auflagen nicht gegeben. Das Zulassungsverfahren nach dem AMG war
vielmehr erfolgreich abgeschlossen und der arzneimittelrechtliche Status von SpondylAT
beruhte auf einer ausreichenden arzneimittelrechtlichen Prüfung. Auch rechtfertigen
die konkreten Auflagen unter Einbeziehung der Begründung des BfArM nicht die Befürchtung,
dass den Versicherten ein unkalkulierbares Risiko von Gesundheitsschäden bei Anwendung
des Arzneimittels drohen könnte."
4. Abweichender Vertriebsweg erstattungsrechtlich ohne Bedeutung
Die Arzneimitteleigenschaft von 224SpondylAT® im Sinne von § 31 SGB V wird entgegen der Auffassung der Krankenkassen
auch nicht durch den abweichenden Vertriebsweg tangiert. Nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 f.
AMG dürfen radioaktive Arzneimittel aufgrund der nach § 3 der Strahlenschutzverordnung
(alt) bzw. § 7 (neu) erforderlichen Umgangsgenehmigung sowie der in der Richtlinie
Strahlenschutz in der Medizin definierten Anforderungen an Fachkunde, Technik und
spezieller Ausstattung, auch an Krankenhäuser und Ärzte abgegeben werden, da davon
auszugehen ist, dass diese Voraussetzungen im Rahmen eines normalen Apothekenbetriebs
nicht gegeben sind. Dennoch handelt es sich bei radioaktiven Arzneimitteln gemäß §
43 Abs. 1 AMG grundsätzlich um apothekenpflichtige bzw. verschreibungspflichtige
Arzneimittel, sodass diese auch nach § 31 AMG vom Versicherten beansprucht werden
können.
5. Aufnahme in den EBM
Im Hinblick auf die Zulassungsentscheidung des BfArM und die Tatsache, dass sich das
vorliegende Therapieverfahren nicht wesentlich von der Anwendung anderer offener Radionuklide,
etwa der Behandlung von Knochenmetastasen bzw. der Radiosynoviorthese unterscheidet,
könnte eine direkte Aufnahme der [224Ra] Radiumchlorid-Therapie und damit zugleich eine Vergütung der ärztlichen Leistung
im Rahmen des geltenden EBM und damit innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung
erfolgen. Es bedürfte insoweit eines Interpretationsbeschlusses des Bewertungsausschusses,
nach welcher der im EBM enthaltenen Gebührennummern für die Anwendung offener Radionuklide
eine Abrechnung erfolgen kann.