Dialyse aktuell 2007; 11(3): 16
DOI: 10.1055/s-2007-985529
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Nationaler Ethikrat schlägt Stufenmodell vor - Zahl der Organspenden erhöhen

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Publication Date:
01 August 2007 (online)

 
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Organmangel ist ein chronisches Problem der Transplantationsmedizin in vielen Ländern, insbesondere auch in Deutschland. Die Hoffnung, das Transplantationsgesetz von 1997 werde zu einer Steigerung der Organspenden führen, hat sich nicht erfüllt. Die Gründe liegen möglicherweise nicht nur in organisatorischen Defiziten des Gesundheitssystems, sondern auch in der gesetzlichen Regelung, die die postmortale Organspende von der ausdrücklich erklärten Zustimmung der Spender oder ihrer Angehörigen abhängig macht.

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Stellungnahme des Nationales Ethikrats zum Thema Organmangel

Daher hat der Nationale Ethikrat eine Stellungnahme vorgelegt (online verfügbar unter www.ethikrat.org/stellungnahmen/stellungnahmen.html). Hierin geht er der Frage nach, ob es ethisch und verfassungsrechtlich vertretbar ist, die geltende gesetzliche Regelung zu ändern, um den Organmangel zu lindern. Diskutiert werden verschiedene Vorschläge, die einen Ausgleich zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des potenziellen Organspenders, dem Wunsch nach Lebensrettung und Leidensminderung anderer Menschen sowie etablierten Prinzipien des Gesundheitssystems wie zum Beispiel dem gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen finden müssen.

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Kombination aus Erklärungsregelung und Widerspruchsregelung

Der Nationale Ethikrat schlägt ein Stufenmodell vor, das Elemente einer Erklärungsregelung mit Elementen einer Widerspruchsregelung verbindet. Danach ist der Staat verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Bürger

  1. in einem geregelten Verfahren zu einer persönlichen Erklärung darüber aufgefordert werden, ob sie zur Organspende bereit sind, und

  2. darüber informiert sind, dass die Organentnahme bei unterbliebener Erklärung gesetzlich erlaubt ist, sofern die Angehörigen ihr nicht widersprechen.

Der Nationale Ethikrat empfiehlt ferner, durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Krankenhäuser ihrer Pflicht zur Meldung potenzieller postmortaler Organspender in höherem Ausmaß als bisher nachkommen. Darüber hinaus ist für eine ausreichende Erstattung der Kosten zu sorgen, die den Krankenhäusern im Zusammenhang mit der Meldung und Versorgung potenzieller Organspender entstehen.

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Verpflichtung der Intensivstationen zur Meldung hirntoter Patienten durchsetzen

Prof. Richard Viebahn, Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik am Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer und Leiter des Transplantationsprogramms, mahnt angesichts der Erklärung zur Besonnenheit. "Inhaltlich repräsentiert dieser Vorschlag eine Wunschvorstellung, die von vielen Transplantationsmedizinern in den letzten Jahren angesichts des eklatanten Organmangels ausgesprochen wurde.

Die Einführung einer Widerspruchslösung könnte jedoch einhergehen mit anderen Gesetzesänderungen und die Situation für die Patienten auf den Wartelisten somit eher verschlechtern, zumindest aber nicht verbessern", so der Experte, der Mitglied der Ethikkommission der Stiftung Eurotransplant in Leiden (Niederlande) ist. Er sieht die beste Möglichkeit zur Behebung des Organmangels in der konsequenten Umsetzung des bestehenden Gesetzes.

Viebahn plädiert dafür, das Beste aus der derzeitigen Gesetzeslage zu machen: Wichtig sei es vor allem, die Verpflichtung der Intensivstationen zur Meldung hirntoter Patienten durchzusetzen und zu überprüfen. Heute ist die Meldung zwar Pflicht, wird aber nicht überprüft, sodass im Zweifel einfach niemand an die Möglichkeit einer Organspende denkt. In Deutschland werden pro Million Einwohner jährlich nur 13 Organspenden durchgeführt, in Spanien zum Beispiel über 30. Die durchschnittliche Wartezeit auf eine Niere liegt hierzulande bei fünf Jahren, Tendenz steigend.

idw