Allen therapeutischen Bemühungen zum Trotz entwickelt auch heute noch nahezu jeder
zweite Diabetespatient im Verlauf seiner Krankheit eine periphere diabetische Neuropathie.
Schon weil die therapeutischen Möglichkeiten zur Bekämpfung der unangenehmen Symptome
und Folgen der Neuropathie erweiterungsbedürftig sind, muss nach Möglichkeiten gesucht
werden, die Entwicklung zu verhindern oder wenigstens hinaus zu zögern. Nun haben
in der Vergangenheit einerseits Laborergebnisse und tierexperimentelle Untersuchungen
gezeigt, dass sowohl Statine als auch Fibrate einen Schutz gegen Nervenschädigungen
bieten. Dagegen standen aber andererseits - wenn auch nur anekdotische - klinische
Berichte, die einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer reversiblen Neuropathie
und der Gabe der beiden Substanzen herstellten.
Der positive Einfluss ist ein "Klasseneffekt"
Der positive Einfluss ist ein "Klasseneffekt"
In einer acht Jahre dauernden epidemiologischen Studie an Patienten mit Typ-2-Diabetes
wollte nun ein Team der University of Western Australia University um Prof. Timothy
Davis Licht in diese unklare Situation bringen. Die Querschnittsstudie repräsentierte
1 294 Patienten, die zwischen 1993 und 1996 in die Fremantle Diabetes Study, eine
große australische Beobachtungsstudie mit über 120 000 Menschen, aufgenommen worden
waren. Bei Studienbeginn waren die Teilnehmer im Durchschnitt 64 Jahre alt, 48,8 %
waren Männer und 30,9 % hatten bereits eine Neuropathie. Ein Fibrat oder ein Statin
nahmen zu diesem Zeitpunkt 3,5 % bzw. 6,8 % der Patienten ein. Dabei wurde zu Beginn
als Fibrat meistens Gemfibrozil eingesetzt, bis zum Ende der Studie stieg aber die
Zahl der Fenofibrat-Nutzer. Bei den Statinen waren zu Studienbeginn Atorvastin, Simvastatin
und Pravastatin die bevorzugten Substanzen, am Ende wurde Atorvastatin am häufigsten
eingesetzt. Beim positiven Einfluss auf die Entwicklung der diabetischen Neuropathie
handelt es sich aber um einen Klasseneffekt, meint Davis - doch wie dieser zustande
kommt, ist trotz einiger Hypothesen derzeit noch unbekannt. Bei den Statinen sei ein
antiinflammatorischer und antioxidativer Effekt am Wahrscheinlichsten. Und mit Bezug
auf die anekdotischen klinischen Berichte über die Entwicklung einer Neuropathie unter
Einsatz der Lipidsenker meinte er, dass es sich dabei um Patienten gehandelt haben
könnte, die ohnehin gerade eine Neuropathie entwickelten, oder aber möglicherweise
um eine kleine Zahl von Patienten, die sensibel reagierten. Dies ändere aber nichts
an der Tatsache, dass die meisten Patienten von der Einnahme eines Lipidsenkers profitieren.
Lipidsenker sind nicht nur in der Kardioprävention nützlich
Lipidsenker sind nicht nur in der Kardioprävention nützlich
Nach drei Jahren wurde die Studie als Längschnitt-Studie mit 531 Patienten, die sich
bis 2001 insgesamt sechs eingehende Gesundheitsuntersuchungen unterzogen hatten, über
einen Zeitraum von weiteren fünf Jahren fortgesetzt. In diesen fünf Jahren stieg der
Einsatz von Fibraten auf 10,4 %, der von Statinen auf 36,5 %. Die Lipidsenker reduzierten
in dieser Gruppe das Risiko für die Neuentwicklung einer diabetischen Neuropathie
um 48 % (Fibrate) bzw. 35 % (Statine), allerdings mit einem sehr breiten Konfidenz-Intervall.
Darüber hinaus scheinen die beiden Lipidsenker ihre Wirkung auf unterschiedlichen
Wegen zu entfalten, sodass es durchaus sein könnte, so Davis, dass eine gemeinsame
Einnahme ein noch besseres Ergebnis zeitigen könnte. Bei Typ-2-Diabetikern reduzieren
Lipidsenker also nicht nur das kardiale Risiko, sie schützen auch vor der Entwicklung
einer der unangenehmsten Folgekrankheiten des Diabetes, der diabetischen Neuropathie.
Obwohl die Entscheidung Fibrat oder Statin nie ganz einfach ist, so Davis, ist seiner
Auffassung nach einem Statin der besseren kardiopräventiven Wirkungen wegen der Vorzug
zu geben.
gb
Quelle: "Diabetic Neuropathy - Clinical and Experimental",Vortrag Prof. Timothy Wilson
bei den 67th Sessions der American Diabetes Association am 22. Juni 2007 in Chicago