Die Gefäße des Diabetikers gilt es zu retten. Das betrifft nicht nur die Situation
in akuten Ereignissen wie atherothrombotischen Verschlüssen, sondern auch die Prophylaxe.
Darin waren sich die Experten auf einem Symposium anlässlich des diesjährigen Diabeteskongresses
einig. Eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Gefäßkomplikationen spielen demnach
subklinische inflammatorische Prozesse am Endothel.
Zwei von drei Klinikeinweisungen von Diabetikern gehen auf das Konto von Herz-Kreislauferkrankungen
und mindestens drei von vier Stoffwechselerkrankten sterben vorzeitig an kardiovaskulären
Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, betonte Prof. Dr. Diethelm Tschöpe,
Bad Oeynhausen. Aus diesem Grund sollten bei Typ-2-Diabetikern neben der Glukosekontrolle
besonders niedrige Zielwerte für Blutdruck und Blutfette angestrebt werden, vor allem
dann, wenn bereits eine koronare Herzkrankheit (KHK) vorliegt. Im Einzelnen nannte
der Mediziner, der zugleich Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung "Der herzkranke
Diabetiker" ist, folgende Behandlungsziele:
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Blutdruck < 130/80 mmHg; bei bereits bestehender Nephropathie < 125/75 mmHg
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LDL-Cholesterin < 100 mg/dl; bei höhergradigem Risiko < 70 mg/dl
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Triglyzeride < 150 mg/dl und
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HDL-Cholesterin > 40 mg/dl bei Männern und > 45 mg/dl bei Frauen.
Besondere Aufmerksamkeit sollte einer wirksamen Prophylaxe akuter Ereignisse geschenkt
werden. Obwohl die Effizienz einer Thrombozytenaggregationshemmung mit Acetylsalicylsäure
(ASS) in großen Präventionsstudien hinlänglich bewiesen wurde, kommen ausgerechnet
Diabetiker seltener in den Genuss einer niedrig dosierten Aspirin-Gabe, bemängelte
der Diabetologe. Gerade Diabetiker profitieren jedoch in doppelter Hinsicht von der
ASS-Prophylaxe. ASS mindert nicht nur die Aggregations- und Adhäsionsbereitschaft
der Thrombozyten, die bei Diabetikern basal erhöht ist, sondern wirkt auch inflammatorischen
Prozessen im Endothel entgegen. Diese spielen für die Progression der endothelialen
Dysfunktion eine zentrale Rolle. Ihre Inhibition vermag somit auch das Fortschreiten
der Atherosklerose zu bremsen und die Rate an letalen Ereignissen zu limitieren.
Eine positive Auswirkung auf inflammatorische Prozesse am Endothel wurde auch für
die Senkung postprandialer Glukoseanstiege beobachtet. Das berichtete Prof. Dr. Markolf
Hanefeld, Dresden. Ihm zufolge liegen mittlerweile umfassende Studiendaten vor, nach
denen mit dem Alphaglukosidasehemmer Acarbose der Anstieg des C-resktiven Proteins
(CRP) gebremst und die Leukozytenzahl gemindert wird. So stellte sich in der AIDA-Studie
heraus, dass Typ-2-Diabetiker nach einem standardisierten Frühstück unter Acarbose
einen im Placebo-Vergleich um 20 bis 30 Prozent verminderten Leukozytenanstieg aufwiesen.
Da zugleich auch die Lymphozyten abgesenkt wurden, folgerte Hanefeld, dass mit Acarbose
auch die Immunantwort des Darmes moduliert wird.
Diese experimentellen Befunde fanden nach Auffassung des Diabetologen Niederschlag
in der STOP-NIDDM-Studie. Hier zeigte sich bei Prädiabetikern, die Acarbose erhielten,
eine Reduktion der Inzidenz neuer Diabetesfälle um 36 % und zugleich auch eine Minderung
kardiovaskulärer Ereignisse um 49 %.
Den Blutdruck sollte man bei Diabetikern möglichst stoffwechselneutral einstellen.
Das betonte Prof. Dr. Thomas Unger, Berlin. Neben einer effektiven Blutdrucksenkung
könnten so die Sartane auch günstig auf die Glukosetoleranz und damit auf die Insulinsensitivität
einwirken. Vermittelt, so der Experte, werden diese Effekte analog dem Wirkmechanismus
der Glitazone durch eine Aktivierung von PPAR-gamma (Peroxisomen Proliferator Activated
Receptor gamma). Im Unterschied zu den Glitazonen werden die Kernrezeptoren jedoch
nicht aktiviert, sondern nur modelliert, was eine Gewichtszunahme nicht befürchten
lässt. Telmisartan zeigte in NMR-Analysen vielmehr einen reduzierten Körperfettgehalt.
Außerdem verbesserte sich das Blutfettprofil mit Anstieg des HDL-Cholesterins und
Abfall der LDL- und Triglyzeridwerte.
Auf eine frühe Störung der Endothelfunktion weist laut PD Dr. Tim Schneider, Mülheim,
eine erektile Dysfunktion (ED) beimTyp-2-Diabetiker hin. Betroffen sind bis zu 70
% der Patienten. Da sich der Diabetes oft über eine ED manifestiert, sollte bei Patienten
mit Potenzstörungen gezielt nach einer Stoffwechselstörung gefahndet werden. Eine
gute Wirksamkeit mit Ansprechraten von etwa 70 % verspricht nach Ausführungen des
Urologen der Wirkstoff Vardenafil.
Martin Wiehl
Quelle: Veranstaltung: Bayer-Symposium "Der diabetische Risikopatient - eine interdisziplinäre
Herausforderung" am 17. Mai 2007 im Rahmen der 42. Jahrestagung der Deutschen Diabetes
Gesellschaft (DDG) in Hamburg