Aktuelle Neurologie 2008; 35(3): 131-137
DOI: 10.1055/s-2007-986408
Neurologische Begutachtung

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leitlinie: Begutachtung der Halswirbelsäulendistorsion

(ICD-10: S13.4 „Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule”)Guideline: Expert Testimony on Whiplash Injury (ICD-10: S13.4)C.  J. G.  Lang1 , A.  Badke7 , J.  Grifka2 , V.  Köllner3 , P.  Marx4 , W.  Stoll5 , M.  Tegenthoff6 , K.  Weise7
  • 1Neurologische Universitätsklinik Erlangen
  • 2Orthopädische Universitätsklinik Regensburg am Asklepios-Klinikum Bad Abbach
  • 3Fachklinik für Psychosomatische Medizin, Bliestal-Kliniken, und Institut für Psychoanalyse, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg an der Saar
  • 4ehem. Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Benjamin-Franklin, Berlin
  • 5Universitäts-HNO-Klinik Münster
  • 6Neurologische Universitätsklinik, Ruhr-Universität Bochum, BG-Kliniken Bergmannsheil, Bochum
  • 7Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen
Weitere Informationen

apl. Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Dipl.-Psych. Christoph J. G. Lang

Neurologische Universitätsklinik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Schwabachanlage 6

91054 Erlangen

eMail: christoph.lang@uk-erlangen.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. März 2008 (online)

Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Die von Beauftragten mehrerer Fachgesellschaften (Neurologie, Orthopädie, Psychosomatik, Psychotherapie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf-, Hals- und Unfallchirurgie) erarbeiteten Leitlinien sollen die bereits seit Längerem veröffentlichten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie im Hinblick auf die Begutachtung ergänzen und Ablauf wie Inhalt der Untersuchung und die Beurteilung von Personen mit einer Haslwirbelsäulendistorsion („HWS-Schleudertrauma”) vereinheitlichen. Es werden Anforderungen an die Qualifikation der Gutachter, an Einteilungskriterien und den Einsatz von Zusatzuntersuchungen umrissen und die Indikationen zu interdisziplinären Begutachtungen definiert.

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Abstract

The present guidelines have been elaborated by representatives from several German professional academic societies (neurology, orthopedics, psychosomatic medicine, psychotherapy, otorhinolaryngology, head, neck and trauma surgery). They are intended to supplement the already existing guidelines of the German Neurological Society with resepct to expert testimony and to standardise the procedure, content and appraisal of persons having suffered neck distorsion („whiplash injury”). Moreover, they define requirements for the qualification of experts, use of instrumental investigations, and indications for interdisciplinary assessment.

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Präambel

Für den Begriff Halswirbelsäulendistorsion (HWSD) werden gleichbedeutend auch die Ausdrücke HWS-Beschleunigungsverletzung [1], HWS-Distorsionsverletzung, Beschleunigungstrauma der HWS, HWS-Zerrung (und Verstauchung) oder HWS-Schleudertrauma verwendet. Letztgenannter Ausdruck sollte wegen damit verbundener zum Teil unzutreffender Konnotationen nicht mehr verwendet werden. Im angloamerikanischen Sprachraum ist der Begriff „whiplash” und „whiplash-associated disorder” (WAD) üblich.

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Urheberschaft

Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM), Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM), Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie und Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Die DGN hat die Erstellung dieser Leitlinien initiiert, geeignete Experten anderer Fachgebiete ausfindig gemacht und in gemeinsamer Abstimmung mit allen Fachgebieten die Leitlinien verabschiedet. Das Hinzutreten weiterer Fachgesellschaften ist vorgesehen.

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Ziel der Leitlinie

Die Leitlinie soll Ablauf und Inhalt der Begutachtung von Probanden, die eine HWSD erlitten haben, vereinheitlichen. Sie soll insbesondere Unsicherheiten in der Beurteilung entgegenwirken, für verlässliche Qualitätsstandards sorgen und das Zusammenwirken und die Abgrenzung der Fachgebiete bei dieser Tätigkeit beschreiben. Damit soll auch die Verwertbarkeit von Gutachten in juristischen und versicherungsrechtlichen Bereichen verbessert werden. Die Kenntnis der Leitlinie „Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule” [2] in den Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie [3], herausgegeben von der Kommission „Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie”, sowie der Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen [4] [5] wird vorausgesetzt. Allgemeine Grundlagen der neurologischen Begutachtung finden sich bei [6].

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Inhalt der Leitlinie

Basis der Leitlinie sind Grundlagenwissen um die Traumatologie der Wirbelsäule und mit ihr verbundener Strukturen, neuroanatomische Kenntnisse insbesondere des peripheren Nervensystems, Kenntnisse der Schmerzentstehung, -verarbeitung und -chronifizierung sowie psychischer Momente und sozialer Hintergründe des Unfallerlebens. Auch werden Kenntnisse der Begutachtungsgrundlagen verschiedener Rechtsbereiche vorausgesetzt. Wesentliches Anliegen ist die Zusammenführung fachgebietsspezifischer Erkenntnisse zu einer interdisziplinären Leitlinie. Bestehende Leitlinien zum Thema wurden berücksichtigt.

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Zielgruppe

Alle entsprechend tätigen ärztlichen Gutachter. Bei qualifizierten Gutachtern der angesprochenen Fachgebiete wird von der Kenntnis dieser Leitlinie ausgegangen.

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Evidenzgrad

Die ärztliche Begutachtung unterliegt sozialen und juristischen Vorgaben. Schwerpunktmäßig wurde die Situation in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt. Die Leitlinien wurden von einem Expertengremium formuliert, dessen Vertreter von den beteiligten Fachgesellschaften benannt wurden. Ein erweiterter, ebenfalls von den Fachgesellschaften definierter Autorenkreis, hat den vorgelegten Test kritisch revidiert.

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Implementierung

Die Fachgesellschaften sind für die Implementierung der Leitlinie zuständig. Publikationen in den Organen der Gesellschaften sollen ihre Verbreitung und Umsetzung sicherstellen. Die Zertifizierung erfolgt durch die Fachgesellschaften. Es ist eine Weiterleitung an die Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Fachgesellschaften (AWMF) zur fachgebietsübergreifenden Publikation vorgesehen. Die Freigabe erfolgt durch die Leitlinienkommission der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

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Überprüfung der Anwendung

Die Arbeitskreise für Begutachtungsfragen der einzelnen Fachgesellschaften überprüfen regelmäßig die Aktualität der Leitlinie.

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Aktualisierung

Zunächst in zweijährigen Abständen.

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Spezielle gutachterliche Aspekte der HWSD

Grundvoraussetzung jeder sachgerechten Begutachtung ist die genaueste Kenntnis des zu begutachtenden Krankheitsbildes in Verbindung mit Kenntnissen der Grundzüge der unterschiedlichen Rechtsgebiete und Versicherungsbedingungen, unter denen die Begutachtung erfolgt. Soweit die Weiterbildungsordnung in dem Fachgebiet oder Schwerpunkt des Gutachters keine Kenntnisse der Begutachtung vorsieht, ist eine geeignete Fortbildung erforderlich. Wünschenswert ist eine Zertifizierung durch die gutachterlichen Arbeitskreise der jeweiligen Fachgesellschaft. Die Begutachtung kann von traumatologischer ([unfall]chirurgischer), orthopädischer, neurologischer oder neurochirurgischer Seite erfolgen; psychische Besonderheiten können die Einbeziehung eines Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Psychiatrie und Psychotherapie bzw. eines Nervenarztes erfordern.

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Besonderheiten der HWSD

Die HWSD nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als sie hierzulande häufiger als andere Verletzungsarten im Rahmen entschädigungspflichtiger Unfälle auftritt, typischerweise beim Pkw-Heckaufprall [1]. Erfahrungen in anderen Ländern (Kanada, Litauen, frühere DDR) haben gezeigt, dass Versicherungs- und Entschädigungsbedingungen einen wesentlichen Einfluss auf das Auftreten und die Dauer von Beschwerden haben [7] [8]. Derzeit am angemessensten zur Beschreibung, Deutung und Begutachtung scheint daher ein biopsychosoziales Modell [9]. Internationale und interkulturelle Unterschiede weisen auf die Bedeutung gesetzlicher Regelungen, kultureller und nationaler Besonderheiten sowie individueller Voreinstellungen und Erwartungshaltungen hin. Hierfür spielen auch die Medien eine bedeutende Rolle. Nicht zuletzt deshalb sieht sich der Gutachter oft einer sehr kontroversen Diskussion über die Folgen solcher Verletzungen ausgesetzt. Da sie fast immer ohne Bewusstseinsverlust oder Erinnerungslücke erlebt werden, kommt einem erlebnisreaktiven bzw. psychovegetativen Moment eine große Bedeutung zu. Damit lässt sich erklären, dass subjektive Beschwerden bei leichteren Verletzungsgraden mitunter ein höheres Ausmaß erreichen als bei schwereren. 90 - 95 % aller Verletzungen sind aber als leicht bis mäßig einzustufen. Durch einen fiktiven Heckaufprall konnte gezeigt werden, dass 20 % aller Involvierten zumindest zeitweise über Beschwerden klagten, obwohl eine relevante biomechanische Verletzung nicht vorlag [10] [11]. Ein beschwerdefreies Intervall schließt eine fassbare Strukturschädigung mit großer Sicherheit aus. Schmerzen müssten spätestens am folgenden Morgen auftreten, wenn HWS und Halsmuskulatur wieder das Kopfgewicht tragen und die Weichteile bewegt werden [12]. Die Angabe eines beschwerdefreien Intervalls von mehr als 24 Stunden weckt schwerwiegende Bedenken an einer Organogenese, mehr als 48 Stunden sind unplausibel.

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Voraussetzungen

Sind in den Leitlinien dargestellt (s. o. unter „Ziel der Leitlinie”).

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Pathophysiologie

Ist in den Leitlinien dargestellt (s. o. unter „Ziel der Leitlinie”).

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Nervale und sensorische Läsionen

Bei leichteren Verletzungsgraden ist mit der Läsion von Nervenstrukturen nicht zu rechnen. Eine entsprechende Begutachtung kann daher in diesen Fällen auch ohne neurologische Beteiligung erfolgen. Bei höheren Verletzungsgraden können Nervenschäden an peripheren Strukturen (Nervenwurzeln, Spinalganglien, periphere Nerven einschließlich der Plexus), am Rückenmark, an autonomen Nervengeflechten oder - sehr selten und nur bei höchsten Verletzungsgraden - auch am Gehirn entstehen. Die Existenz eines HWS-bedingten bzw. zervikalen Schwindels ist in der Literatur umstritten [13]. Ein eindeutiger Drehschwindel weist immer auf eine vestibuläre oder nervale Genese hin. Ein häufig übersehenes Syndrom ist der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel, nach dem gezielt gefahndet werden muss. Einzelheiten siehe Leitlinien (s. o. unter „Ziel der Leitlinie”).

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Psychische Besonderheiten

Das Erleben eines Unfalles als unerwartetes, erschreckendes und angstbesetztes Ereignis kann zu einer akuten Belastungsreaktion (ICD-10: F43.0) führen. Die Symptome erscheinen meist innerhalb von Minuten und klingen nach längstens drei Tagen ab [14]. Eine vielfach zu Unrecht diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS, ICD-10: F43.1) ist nur dann vorstellbar, wenn etwa das Erleben des gewaltsamen Todes anderer oder ein Eingeklemmtsein im Pkw massive Gefühle von Todesangst, Hilflosigkeit oder Ausgeliefertsein ausgelöst hat. Bei Unfallverletzten mit PTBS besteht eine hohe Komorbidität mit chronischen Schmerzsyndromen [15]. Bei einer Anpassungsstörung (ICD-10: F43.2) spielen individuelle Disposition oder Vulnerabilität eine größere Rolle als bei F43.0 und F43.1. In der Regel bildet sich die Symptomatik innerhalb von 6 Monaten zurück, ansonsten ist eine längere depressive Reaktion (F43.21) zu diagnostizieren. Unter einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10: F45.4) werden Schmerzen verstanden, die obligat in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Problemen auftreten. Die Neurasthenie (ICD-10: F48.0) manifestiert sich v. a. in Klagen über Müdigkeit oder Schwäche nach objektiv geringen geistigen oder körperlichen Anstrengungen. Bei sonstigen neurotischen Störungen (ICD-10: F48.8) ergeben sich meist aus der Vorgeschichte Hinweise auf eine länger zurückreichende Entwicklung. An körperliche Symptome aus psychischen Gründen (ICD-10: F68.0) ist zu denken, wenn jene auffällig lange anhalten und mit einem histrionischen Verhalten und zusätzlichen unspezifischen Beschwerden nichtkörperlichen Ursprungs einhergehen. Auch Depression (F32.-), Ganser-Syndrom (F44.80), Rentenbegehren, Simulation und Aggravation müssen ggf. geprüft und bewertet werden. Bei Verdacht auf das Vorliegen einer der genannten Störungen sollte eine Zusatzbegutachtung durch einen Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Psychiatrie und Psychotherapie bzw. einen Nervenarzt angestrebt werden. Zu beachten ist die unterschiedliche Rechtslage je nach Versicherung. Bei der gesetzlichen Unfallversicherung und im Rahmen der Haftpflichtversicherung können psychoreaktive Störungen und chronische Schmerzsyndrome nach Unfällen anerkannt werden, bei privaten Unfallversicherungen ist dies meist vertragsgemäß ausgeschlossen [12].

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Klassifikation und Klinik

Die Einteilung und Schweregradbestimmung erfolgt international zunehmend in Anlehnung an die Quebec Task Force (QTF, modifiziert nach [16]; vgl. auch [17], [Tab. 1 a]). Auf sie sollte heute primär Bezug genommen werden. Ähnlich gestaffelt und im deutschen Sprachraum immer noch weit verbreitet, aber mit ihr nicht identisch, ist die Einteilung in Anlehnung an Erdmann ([18], [Tab. 1 b]).

Tab. 1 a Klinische Klassifikation von Störungen bei HWSD (Quebec Task Force [QTF]; übersetzt nach [16]). Unter HWS-Beschwerden sind solche zu verstehen, die sich auf die vordere (Hals-) oder hintere (Nacken-) zervikale Muskulatur oder den passiven Bewegungsapparat beziehen. Innerhalb aller Schweregrade wird eine Dauer von weniger als 4 Tagen, 4 - 21 Tagen, 22 - 45 Tagen, 46 - 180 Tagen und mehr als 6 Monaten (chronisch) unterschieden
Schweregrad 0 I II III IV
klinisches Erscheinungsbild keine HWS-Beschwerden, keine objektivierbaren Ausfälle nur HWS-Beschwer-den in Form von Schmerzen, Steifig-keitsgefühl oder Überempfindlichkeit, keine objektivierba-ren Ausfälle HWS-Beschwerden wie unter I und muskuloskelettale Befunde (Bewegungseinschränkung, palpatorische Überempfindlichkeit) HWS-Beschwerden wie unter I und neu-rologische Befunde (abgeschwächte oder aufgehobene Muskeleigenreflexe, Paresen, sensible Defizite) HWS-Beschwerden wie unter I und HWS-Fraktur oder -Dislokation
Tab. 1 b Klinische und morphologische Klassifikation von Störungen bei HWSD (modifiziert nach Erdmann, nach [18])
Kriterien Grad 0 (kein Trauma) Grad I (leicht) Grad II (mittel) Grad III (schwer) Grad IV (sehr schwer)
Symptomatik keine Schmerzen der Halsmuskulatur und/oder HWS, die bewegungseingeschränkt sein kann, meist nach Intervall („steifer Hals”) wie I, aber meist ohne Intervall; möglich sind sekundäre Insuffizienz der Halsmuskulatur, Schmerzen im Mundboden-/Interskapularbereich, Parästhesien der Arme wie I und II, primäre Insuffizienz der Halsmuskulatur möglich; Brachialgien, Armparesen, evtl. kurze initiale Bewusstlosigkeit hohe Querschnittslähmung, Tod im zentralen Regulationsversagen, meist am Unfallort, Bulbärhirnsyndrom
symptomfreies Intervall entfällt häufig, meist > 1 Stunde, max. 48 Stunden, typisch 12 - 16 Stunden selten, meist < 1 Stunde, bis 8 Stunden möglich fehlt meist nicht vorhanden
Beschwerdedauer entfällt meist Tage bis Wochen, < 1 Monat Wochen bis Monate oft Monate, selten > 1 Jahr meist Tod am Unfallort
Bettlägerigkeit entfällt meist nicht gegeben häufig sehr häufig dauerhaft möglich
Anhaltspunkt für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit keine0 - 4 Wochen0 - 6 Wochenmehr als 6 Wochenentfällt
Anhaltspunkte für dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeitneinneinja (sehr gering, bis 10 %)ja (unter 20 % bei radikulärer, 30 - 100 % bei medullärer Symptomatik)entfällt
Neurostatus normal bzw. unverändert keine Ausfälle, evtl. Bewegungseinschränkung der HWS keine Ausfälle, schmerzhafte Bewegungseinschränkung der HWS sensible und/oder motorische Reiz- und Ausfallserscheinungen Tetrasymptomatik, Schädigung vitaler Medulla-oblongata-Zentren möglich
Morphologie keine Läsion Distorsion, Dehnung und Zerrung des HWS-Weichteilmantels wie I. Gelenkkapseleinrisse, Gefäßverletzungen möglich (retropharyngeales Hämatom, Muskelzerrungen) wie II über mehr als ein Segment, Diskusblutung oder -riss, Bandruptur, Wirbelkörperfraktur, Luxation, Nerv-, Wurzel-, Rückenmarksläsion Markkontusion, evtl. sogar Markdurchtrennung, Schädigung der Medulla oblongata bzw. des untersten Hirnstamms, Schädelbasis- und Kopfgelenkbrüche möglich
HWS-Röntgen unverändert unverändert, evtl. neu aufgetretene Steilstellung evtl. neu aufgetretene Steilstellung, kyphotischer Knick, leichte Instabilität Fraktur, Fehlstellung, Aufklappbarkeit bei Funktionsaufnahmen Frakturen mit Dislokationen

Die [Tab. 1 a] und [Tab. 1 b] entsprechen sich nicht exakt. Näherungsweise gilt: Erdmann 0 = QTF 0, Erdmann I = QTF I/II, Erdmann II = QTF II, Erdmann III = QTF III/IV, Erdmann IV hat keine gute QTF-Entsprechung.

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Ablauf und Inhalt der Begutachtung

Die Begutachtung erfordert neben einer körperlichen, insbesondere orthopädischen, neurologischen oder traumatologischen Untersuchung eine detaillierte Exploration; im Einzelfall kann auch eine vertiefte Erhebung des Psychostatus, ggf. die Einbeziehung eines Psychosomatikers oder Psychiaters bzw. Nervenarztes erforderlich sein. Auf eine Fremdanamnese sollte, wo immer möglich, nicht verzichtet werden.

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Anamnese

Vornehmste Aufgabe des Gutachters ist es, den Unfallhergang und dessen Folgen so genau wie möglich zu explorieren. Für die Bewertung des Verletzungsgeschehens ist eine Hinzuziehung aller verfügbaren verlässlichen Quellen zu empfehlen, insbesondere des Polizeieinsatzberichtes, des D-Arzt-Protokolls, der Befunde des ambulanten oder stationären Erstversorgers (komplette Krankenhausakten!), Niederschriften der Zeugenvernehmung und natürlich der Selbstschilderung des Verletzten. Diskrepanzen sind kritisch zu hinterfragen. Auch unfalltechnische Gutachten sollen, sofern verfügbar, miteinbezogen werden. Sie ersetzen in keinem Fall die medizinische Würdigung des Sachverhalts, können aber zur Frage beitragen, ob ein relevantes physikalisches Moment vorlag. Stets ist nach früheren oder späteren Verletzungen zu fragen, wobei hierfür besonders hausärztliche Aufzeichnungen, Auskünfte der Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und Unfallversicherer infrage kommen. Ähnlich wie bei der Begutachtung von Schmerzen (vgl. [4] [5]) sind Arbeits- und Sozialanamnese, allgemeine Anamnese, spezielle Anamnese, Behandlungsanamnese, Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens, Einschränkung der Partizipation an verschiedenen Lebensbereichen, Selbsteinschätzung und Fremdanamnese(n) von Bedeutung.

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Klinische Befunde

Für die Akut- wie gutachtliche Diagnostik ist die Erhebung eines körperlichen Befundes unerlässlich. Neben der klinischen und ggf. apparativen Untersuchung sollten weitere Informationen zu bestehenden Funktionsstörungen aus der Beobachtung des Probanden gewonnen werden. Auch hierzu finden sich Details bei [4] [5]. Die gutachtliche Bewertung hat sich immer in erster Linie auf möglichst objektive Befunde und nur nachrangig auf Beschwerden zu stützen. Grundsätzlich besteht eine positive Korrelation zu erwartender Störungen mit dem initialen Verletzungsschweregrad. Jede Diskrepanz bedarf einer sorgfältigen und kritischen Würdigung.

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Apparative und sonstige Zusatzuntersuchungen

Entsprechende Empfehlungen sind in den DGN-Leitlinien enthalten (s. o. unter „Ziel der Leitlinien”). Apparative Zusatzuntersuchungen sind streng zu indizieren und dem Einzelfall entsprechend zu selektieren; auf vorhandene Untersuchungen ist Bezug zu nehmen. Eine Über- wie Unterdiagnostik ist gleichermaßen zu vermeiden. In der Regel wird man - sofern nicht bereits geschehen - ab QTF II eine Röntgenaufnahme der HWS in 2 Ebenen und nach Frakturausschluss Funktionsaufnahmen anfertigen. Eine Steilstellung der HWS als solche ist noch kein pathologischer Befund. Bei begründeten Anhaltspunkten für sichtbare Weichteil- oder nervale Verletzungen kann ein MRT indiziert sein. Im Zweifelsfall sollen Experten des jeweils kompetentesten Fachgebietes hinzugezogen werden. Werden Hör- (Tinnitus) oder erhebliche Gleichgewichtsstörungen (Schwindel) geltend gemacht, kommt die Anfertigung eines Audio- oder Elektro- bzw. Videonystagmogramms, ggf. die Beiziehung eines HNO-Arztes in Betracht.

Psychometrische Testverfahren zur Beeinträchtigung durch den Schmerz, zum Schmerzerleben, zur Kognition und zur psychischen Komorbidität können die in der Anamnese erhobenen Daten ergänzen und dienen der Standardisierung von Befunden. Es ist zu beachten, dass vorbestehende psychische Besonderheiten, Schmerzerleben, Medikamenteneinflüsse und Motivation das Ergebnis verfälschen können. Dies gilt besonders für Konzentration, Reaktionsgeschwindigkeit und Gedächtnisprobleme. Persönlichkeitstests können das im diagnostischen Gespräch gewonnene Bild abrunden. Es ist jedoch stets zu bedenken, dass diese Tests auf einer Selbsteinschätzung des Probanden beruhen. Sie dürfen deshalb nicht als objektives Kriterium angesehen werden, sondern nur im Zusammenhang mit Exploration (ggf. Fremdanamnese), Untersuchung und Vorbefunden bewertet werden [4] [5]. In allen Fällen des Verdachts auf psychische Besonderheiten (s. gleichlautenden Abschnitt oben) ist eine Untersuchung durch einen Psychosomatiker oder Psychiater bzw. Nervenarzt sinnvoll.

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Diagnosen

Die Diagnosen sollen sich an ICD-10-Kriterien orientieren, wobei für gutachterliche Belange die Funktionsstörungen entscheidend sind. Es soll so frühzeitig und so definitiv wie möglich der primäre Verletzungsschweregrad nach einem der oben aufgeführten anerkannten Klassifizierungsschemata erfolgen. Dieser Verletzungsgrad kann sich durch sekundäre Beschwerdeausweitung nicht mehr ändern. Das Hinzutreten weiterer objektiver Befunde (Komplikationen) ist gesondert zu würdigen.

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Zusammenfassung und Beurteilung

Die Beurteilung hat sich auf nachweisbare Befunde zu stützen und diese in Relation zu den geklagten Beschwerden zu setzen. Auf die Adäquatheit des Traumas ist zu achten. Stets ist nach dem Vorliegen früherer Erkrankungen und Unfälle und konkurrierender Wirkgrößen zu fragen. Den Gesetzen der Traumatologie zufolge ist die Schädigung im Unfallzeitpunkt oder kurz danach am größten, um dann vollständig oder auf nicht mehr besserungsfähiges Maß abzuklingen (Decrescendo-Charakter). Eine progrediente Beschwerdesymptomatik mit Crescendo-Charakter ist allenfalls noch innerhalb der ersten 48 Stunden möglich, danach spricht sie gegen eine organische Verursachung. Das Auftreten von Komplikationen muss allerdings genau geprüft und belegt werden; speziell bei Halsarteriendissektionen, die insgesamt sehr selten sind, ist gemäß derzeitigen Erkenntnissen eine Latenz von bis zu 4 Wochen nach dem Trauma möglich, wobei bereits leichtere Verletzungsgrade hinreichen.

Die Tatsache, dass ein Verletzter am Unfall- oder darauffolgenden Tag keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat, ist prima facie ein triftiges Argument gegen eine schwerwiegende Verletzung. Für die Abgrenzung von möglichen traumatischen Verletzungen sind prätraumatische Aufnahmen hilfreich. Bandscheibenprotrusionen oder eine leichte Knickstellung der HWS müssen weder Beschwerden verursachen noch sind sie ohne Weiteres als Traumafolge zu sehen. Unterschiedlich ausgeprägte degenerative Veränderungen sind ab dem 3. Lebensjahrzehnt die Regel und nicht die Ausnahme. Posttraumatische Kopfschmerzen i. e. S. sind durch eine reine HWS-Distorsion nicht zu begründen, wohl aber muskuläre, bindegewebige oder knöcherne Hals-Nacken-Hinterkopf-Schmerzen. Die Verursachung einer Migräne als Prototyp zyklischer konstitutioneller Kopfschmerzen durch eine HWS-Distorsion ist abzulehnen; diskutierbar ist allenfalls eine vorübergehende Modifikation oder selten einmal eine Erstmanifestation. In diesen Fällen ist eine neurologische Abklärung zwingend. Eine verlängerte Immobilisation begünstigt eine muskuläre Insuffizienz und Beschwerdechronifizierung. Bis zu einem gewissen Grad können chronische Verläufe auch eine Therapiefolge darstellen, bedingt durch unsachgemäße Behandlung, übertriebene Befürchtungen oder unangemessene Erwartungen. Juristische Interventionen können von erheblicher Bedeutung für die Beschwerdeart und -dauer sein [19]; eine lange Verfahrensdauer kann zur Verfestigung oder Ausweitung von Beschwerden beitragen.

Missempfindungen der Arme sind kein zwingendes Indiz für eine radikuläre Läsion; es kann sich auch um übertragene Schmerzphänomene oder pseudoradikuläre Beschwerden handeln. Wenn überhaupt sind am häufigsten die unteren Halswurzeln (C5 bis C8) betroffen. Auch hier gilt das Primat des Befundes vor Beschwerden. Werden bleibende Sensibilitätsstörungen angegeben, ist nach korrespondierenden Störungen auf anderen Gebieten zu fragen und eine elektrophysiologische Untermauerung anzustreben. Isolierte pathologische neurophysiologische Befunde können aber keine Grundlage für die gutachterliche Anerkennung einer Schädigung darstellen [21].

Eine umfangreiche und sorgfältige kanadische Untersuchung konnte zeigten, dass die mittlere Rückbildungszeit für alle Schweregrade bei rund einem Monat liegt [20] [21]. Entsprechend lauten die Vorannahmen für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und Krankschreibung. Ausnahmen bedürfen einer stringenten Begründung. Als beschwerdeverlängernd kristallisierten sich die Faktoren weibliches Geschlecht, hohes Lebensalter, Druck- und spontane Schmerzhaftigkeit der Hals-/Nackenmuskulatur, vom Nacken in die Arme ausstrahlende Taubheit und Schmerzen heraus. Starke initiale Schmerzen waren nach einer Untersuchung [22] ein Prädiktor für eine späte Remission. Psychiatrische Vorerkrankungen, zumal depressiver Natur, begünstigen eine Chronifizierung [23], ähnlich wie negative soziodemografische und psychosoziale Faktoren. Verhalten, Erwartungen und Einstellungen sowohl des Patienten als auch des Therapeuten und die Art der Behandlung spielen eine wesentliche prognosebestimmende Rolle [24].

Der Erstschaden muss im Vollbeweis gesichert sein. Insbesondere bei Kausalitätsfragen im Hinblick auf Langzeitbeschwerden sind die Krafteinwirkung und der klinische Befund der ersten 48 Stunden ausschlaggebend. Dem Neurologen obliegt in erster Linie die Beurteilung von Schäden am Nervensystem; Verletzungen des passiven Bewegungsapparates sind die Domäne des Orthopäden und Unfallchirurgen. Psychische Besonderheiten sind in Abhängigkeit von der Primärpersönlichkeit, der Vorgeschichte und der jeweiligen Rechtslage bzw. den Versicherungsbedingungen vorzugsweise von psychiatrischer bzw. nervenärztlicher Seite zu bewerten. Im Haftpflichtrecht können Beschwerden eine Verletzung darstellen, ohne dass ein eigentlicher Körperschaden vorliegt. Die nichtorganisch bedingten psychischen Unfallfolgen sind in der privaten Unfallversicherung in der Regel vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. In der gesetzlichen Unfallversicherung wird geprüft, ob sie eine Unfallfolge darstellen oder persönlichkeitsbedingt sind. Während die Gesundheitsschädigung immer im Vollbeweis gesichert werden muss, gelten für die Beurteilung der Kausalität in den verschiedenen Rechtsbereichen unterschiedliche Beweisanforderungen: Im Strafrecht Beweis ohne jeden vernünftigen Zweifel, im Zivilrecht Vollbeweis, im Sozialrecht Beweiserleichterung i. S. einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit.

Die abschließende Beurteilung hat sich genauestens auf die aufgegebene Fragestellung zu beziehen und soll, wo gefordert, auch quantifizierende Wertungen enthalten. Als Faustregel gelten die in der [Tab. 1 b] gemachten Angaben, die mutatis mutandis auch auf die QTF-Klassifikation übertragen werden können. Langfristige, über drei Monate andauernde Beschwerden besitzen nur in besonders begründeten Ausnahmefällen versicherungsrechtliche Relevanz [25]. Die Feststellung einer rentenrelevanten MdE auf unbestimmte Zeit stellt die Ausnahme dar und bedarf einer schlüssigen Untermauerung [14]. Anhaltspunkte zur gutachtlichen Bewertung der Arbeitsunfähigkeit und der MdE bezogen auf die Einteilung der QTF ([Tab. 1 a]) finden sich bei [1] ([Tab. 1 c]).

Tab. 1 c Anhaltspunkte zur gutachtlichen Bewertung der Arbeitsunfähigkeit und der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei HWSD
Schweregrad nach QTFGrad 0Grad IGrad IIGrad III
unfallbedingte MdE (gesetzliche Unfallversicherung)entfälltentfällt20 % für 3 (- 6) Monate, 10 % für weitere 6 Monate30 % für 6 Monate, 20 % für weitere 6 - 18 Monate, 10 - 20 % Dauer-MdE möglich, ggf. zusätzliche Bewertung funktionell relevanter neurologischer Defizite
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Zusammenfassung

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1 Begutachtung

1.1 Die Kenntnis der Leitlinien „Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule” und „Begutachtung von Schmerzen” ist Voraussetzung für die Anwendung dieser Begutachtungsleitlinie. Auch die Kenntnis der verschiedenen Ursachenbegriffe und Kausalitätstheorien (Äquivalenztheorie des Strafrechts, Adäquanztheorie des Zivilrechts, Relevanztheorie des Versorgungsrechts) ist Grundlage einer sachgemäßen Begutachtung.

1.2 Entscheidend für die Begutachtung ist zunächst eine möglichst detaillierte Anamnese des Verletzungsgeschehens unter Berücksichtigung aller verfügbaren einschlägigen Quellen. Zeitnahe Dokumente haben dabei ein höheres Gewicht als zeitferne. Stets ist in der Anamnese auch nach vorausgehenden oder nachfolgenden Verletzungen zu fragen und im Bedarfsfall entsprechend zu recherchieren.

1.3 Apparative Zusatzuntersuchungen sind möglichst im Original einzusehen und, sofern zur gutachterlichen Würdigung notwendig, neu anzufertigen, immer aber dem Einzelfall entsprechend sorgfältig zu selektieren, wobei eine Über- wie Unterdiagnostik gleichermaßen zu vermeiden ist. Nervale Strukturen sind auf einfachen Röntgenübersichtsaufnahmen regelmäßig nicht darstellbar, sodass bei entsprechenden Fragestellungen geeigneten tomografischen Verfahren der Vorzug zu geben ist.

1.4 Abgeleitet aus allen verfügbaren zeitnahen Daten soll so früh und so definitiv wie möglich der Verletzungsschweregrad nach einem der anerkannten Beurteilungsschemata festgelegt werden. Dieser Verletzungsschweregrad kann sich durch sekundäre Beschwerdeausweitung nicht ändern.

1.5 Bei leichten Verletzungen ohne erkennbare Beteiligung des Nervensystems kann die Beurteilung auch ohne neurologische Beteiligung erfolgen. Hinweisen auf eine substanzielle Verletzung des Nervensystems ist durch objektivierende - insbesondere elektrophysiologische und/oder bildgebende - Untersuchungen nachzugehen.

1.6 Bei Verdacht auf vorbestehende oder nachfolgende psychische Besonderheiten von Krankheitswert oder eine erhebliche psychische Modifikation kann die Einbeziehung eines Facharztes für Psychosomatische Medizin oder Psychiatrie bzw. eines Nervenarztes hilfreich sein; in Einzelfällen kommt auch eine neuropsychologische Untersuchung unter Einbeziehung von Persönlichkeits- und motivationalen Aspekten in Betracht, die unter Berücksichtigung der traumatologischen Gegebenheiten zu werten ist.

1.7 Komplikationen, insbesondere eine Dissektion von Halsarterien, sind als solche zu kennzeichnen und in ihren Besonderheiten eigenständig zu bewerten. In seltenen Einzelfällen sind auf diesem Wege auch Hirninfarkte möglich, die der neurologischen Beurteilung unterliegen.

1.8 Unter besonderen Umständen können sich chronifizierte Schmerzsyndrome, depressive Anpassungsstörungen oder - extrem selten - posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln. Sie sollten von psychosomatischer oder psychiatrischer bzw. nervenärztlicher Seite beurteilt werden.

1.9 Als Faustregel für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit (AU) und Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) gelten die in der [Tab. 1 b] genannten Richtzahlen. Abweichungen bedürfen einer stringenten Begründung. Beim Schweregrad 0 entfällt eine Bewertung, Schweregrad IV ist inkapazitierend oder tödlich. Bei einer Bewertung nach der QTF kann die in der Legende zu [Tab. 1 b] aufgeführte Umsetzung verwendet werden.

1.10 Rechtsstreitigkeiten sollten aus medizinischer Sicht so definitiv und früh wie möglich beigelegt und in jedem Fall eine baldestmögliche Rückkehr in den Beruf oder das gewohnte Umfeld angestrebt werden.

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2 Zukünftige Desiderata

2.1. Eine qualifizierte Untersuchung sollte zeitnah ein- bis mehrmals, mindestens jedoch einmalig innerhalb der ersten 2 Tage nach Verletzung durchgeführt werden.

2.2. Eine Aufklärung der Bevölkerung über die heutzutage meist leichten Verletzungsgrade und deren überwiegend benigne Folgen ist ebenso anzustreben wie ein verbesserter Kenntnisstand von Behandlern über den Einfluss biologischer, psychischer und sozialer Faktoren.

2.3 Durch eine weitere Optimierung von fahrzeug- und verkehrstechnischen Maßnahmen ist unfallbedingten Distorsionen weiter vorzubeugen.

2.4 Versicherungsgeber und Gerichte sollten mit den wichtigsten Aspekten der HWSD vertraut sein, um gutachterliche Wertungen umsetzen und allfällige Entschädigungsleistungen angemessen steuern zu können.

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Interessenkonflikte

Sämtliche Autoren versichern, dass kein Interessenskonflikt besteht.

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Literatur

  • 1 Tegenthoff M, Schwenkreis P. HWS-Beschleunigungsverletzungen. In: Widder B, Gaidzik PW (Hrsg) Begutachtung in der Neurologie. Stuttgart; Thieme 2007: 333-348
  • 2 Lang C JG, Grifka J, Jörg J et al (federführend). Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule. In: Diener HC (Hrsg) Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 4. Aufl. Stuttgart; Thieme 2008 (i. E.)
  • 3 Diener H C, Putzki N, Berlit P. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. 4. Auflage. Stuttgart; Thieme 2008 (i. E.)
  • 4 Widder B, Egle U T, Foerster K, Schiltenwolf M. Leitlinien für die Begutachtung von Schmerzen (Version 9.21).  Akt Neurol. 2005;  32 149-154
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apl. Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Dipl.-Psych. Christoph J. G. Lang

Neurologische Universitätsklinik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Schwabachanlage 6

91054 Erlangen

eMail: christoph.lang@uk-erlangen.de

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Literatur

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Neurologische Universitätsklinik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Schwabachanlage 6

91054 Erlangen

eMail: christoph.lang@uk-erlangen.de