Das Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) ist eines der schwersten Syndrome der kindlichen
epileptischen Enzephalopathien. Es zeichnet sich durch viele unterschiedliche Verläufe
und Ursachen aus, dennoch haben die Kinder sehr viele Gemeinsamkeiten: neben den epileptischen
Anfälle, auffällige EEG-Muster und intellektuelle Beeinträchtigung, wie Dr. Pierre
Genton, Marseille, vorstellte. Es tritt meist bei jungen Kindern auf und ist sehr
schwierig zu behandeln. LGS tritt auch bei Down-Patienten auf, allerdings erst relativ
spät etwa im Alter von 10 Jahren.
Viele Anfallsarten, schwierig zu behandeln
Viele Anfallsarten, schwierig zu behandeln
Viele Patienten weisen auch psychotische Symptome auf, die bei anderen Epilepsien
nicht so im Vordergrund stehen. Die Anfälle fluktuieren erheblich in ihrem Schweregrad
und variieren mit dem Alter. Früher sind diese Patienten relativ früh gestorben, heute
können die Patienten bis 50-60 Jahre alt werden. Die älteren Patienten leiden dabei
vorwiegend an frontalen Anfällen. LGS betrifft zwischen 1 bis 5% der kindlichen Epilepsien.
Die Diagnose wird nach Genton sogar bei etwa 16% bei in Heimen untergebrachten geistig
behinderten Kindern gestellt. Die Erkrankung setzt meist schon früh vor dem achten
Lebensjahr ein. Ob jetzt das LGS eine primäre Erkrankung ist oder sich aus einer bestehenden
Epilepsie entwickelt, darüber sind die Experten noch uneins.
Sicher ist jedoch, dass bei LGS viele verschiedene Anfallstypen auftreten, spezifisch
sind die tonischen Anfälle, die auch während der Nacht auftreten können. Diese können
auch asymmetrisch sein. Tonische Anfälle kommen in unterschiedlicher Ausprägung vor.
Gehäuft sind sie nachts, wobei sie allerdings ohne EEG nur schlecht wahrnehmbar sind.
Gefährlich sind aber tagsüber, da es dabei zu Sturzanfälle kommen kann, so dass die
betroffenen Sturzhelme tragen sollten. Atonisch-astatische Sturzanfälle, auch Nickanfälle,
bei denen die Betroffenen aufgrund des Verlusts des Muskeltonus in sich zusammensacken,
sind seltener. Absencen sind dagegen häufig, die EEG-Muster unterscheiden sich dabei
vom normalen Muster, sie dauern meist zwischen 10 bis 20 Sekunden, können aber auch
statusartig auftreten, während der das Kind über viele Minuten (bis Stunden und Tage)
fast ununterbrochen nicht oder wenig ansprechbar und wie im Trance erscheinen kann.
In der Regel kommt es bei allen LGS-Patienten irgendwann zu einem Status epilepticus.
Genton warnte hier vor einem übereilten Vorgehen. "Häufig wird dann zu heftig therapiert,
so dass noch mehr Komplikationen verursacht werden."
Die Prognose der Betroffenen ist leider trotz aller heute zur Verfügung stehenden
Therapieoptionen schlecht. Wenige Patienten 0-7% erleben eine volle Remission, rund
5% sterben, 17% haben eine milde Epilepsie mit wenigen Anfällen. Durch Medikamente
sind nur bei wenig mehr als jedem zweiten Kind die Häufigkeit oder Schwere der Anfälle
zu bessern. Nur 5 bis 10% werden auf lange Sicht anfallsfrei, etwa gleich wenige bleiben
auch später intellektuell unauffällig, in der Regel nur solche, die sich auch vor
dem Auftreten der Anfälle unauffällig entwickelt haben und nicht unter Hirnschädigungen
leiden.
Differenzialdiagnostik - Was kann es noch sein?
Differenzialdiagnostik - Was kann es noch sein?
Eine vorschnelle Abstempelung der Patienten, die dazu führt, dass man über die Ätiologie
der Erkrankung nicht weiter nachdenkt, sollte unter allen Umständen vermieden werden.
Andere Erkrankung sollten möglichst vorab ausgeschlossen werden, z.B.:
-
"Pseudo-Lennox-Syndrom": fehlende tonische Anfälle, die Patienten erkranken meist
später
-
Die myoklonisch-astatische Epilepsie (MAE) ist meist durch das EEG und die im Vordergrund
stehenden myoklonischen und myoklonisch-astatischen Anfälle zu unterscheiden, die
Altersverteilung ist etwas niedriger, kein Übergang aus einer anderen Epilepsie, der
neurologische Status ist normal
-
Angelman-Syndrom ("happy puppett-Syndrom"): schwere mentale Retardierung, fehlende
Sprachentwicklung, frühe EEG Veränderungen
-
Metabolische Krankheiten: B6/B6-Phosphat, Glukosetransporterdefekt (Glut-1-Defekt),
Biotinidasemangel, oder spätinfantile neuronale Ceroid-Lipofuszinosen (NCL).
Therapie
Therapie
Therapieziel ist die Maximierung der Lebensqualität bei LGS. Viele Patienten könnten
möglicherweise profitieren, wenn sie richtig dosiert werden würden. Allgemeingültige
Empfehlungen zur Behandlung gibt es nach einer Cochrane-Analyse (Hancock et al., 2003)
nicht. In erster Linie wird heute meist Valproat eingesetzt obwohl Studien fehlen.
Aktuell in Deutschland zur Zusatztherapie bei LGS zugelassene Antikonvulsiva sind
Felbamat, Lamotrigin, Rufinamid, Topiramat und Valproat, wobei Felbamat nur eingeschränkt
wegen aplastischer Anämie und Lebertoxizität eingesetzt werden sollte. Rufinamid ist
erst seit Juli 2007 von der EMEA spezifisch für die Therapie des LGS zugelassen (Glauser
TA et al. Posterpräsentation bei der Jahrestagung der Amerikanischen Epilepsiegesellschaft,
Washington 2005). Auch ACTH oder Kortikosteroide sind eine Möglichkeit. Eine epilepsiechirurgische
Operation bei isolierten Hirndefekten oder -fehlbildungen kann ebenfalls erfolgreich
sein (Wong et al. Childs Nerv Syst 2006). Weitere Möglichkeiten bieten Vagus-Nerv-Stimulation
oder eine ketogene Diät.
Quelle: Symposium "Das Lennox-Gastaut-Syndrom" vom 5.-7. Oktober in Frankfurt/Main,
unterstützt von Eisai