Viele Patienten sind durch jahrelange Dialyse und entsprechende Begleiterkrankungen
nicht transplantabel, in anderen Fällen ist kein Spender mit passender Blutgruppe
verfügbar. Das Transplantationszentrum Freiburg führt daher seit 2004 blutgruppeninkompatible
Nierenlebendspenden nach dem Freiburger Protokoll durch. Es ist damit nach dem schwedischen
Zentrum das Transplantationszentrum mit den größten Erfahrungen weltweit. Die Erfahrungen
sind durchweg positiv, bislang trat noch keine durch Blutgruppenantikörper induzierte
Abstoßung auf. Da fast ein Drittel aller potenziellen Nierenspender eine zum Empfänger
inkompatible Blutgruppe haben, könnte durch diese Methode die Zahl der Nierenlebendspenden
in Deutschland deutlich gesteigert werden.
Die herkömmliche Nierenlebendspende ist nicht immer möglich. Durch jahrelange Dialyse
und entsprechende Begleiterkrankungen ist ein Patient möglicherweise nicht transplantabel.
In vielen Fällen ist auch kein Spender verfügbar, oder aber ein Spender ist aus medizinischen
Gründen nicht nephrektomierbar. Besonders ungünstig ist jedoch, wenn ein geeigneter
Spender bereit ist, er allerdings eine inkompatible Blutgruppe besitzt.
Vor diesem Hintergrund hat sich das Transplantationszentrum Freiburg bereits 2004
dazu entschlossen, auch bei solchen Patienten eine Nierenlebendspende durchzuführen,
bei denen kein blutgruppenkompatibler Spender vorhanden ist.
Was spricht dagegen?
Was spricht dagegen?
Schon in der Vergangenheit hat es einzelne Fälle gegeben, in denen blutgruppeninkompatibel
transplantiert wurde. Vielfach ist es dazu akzidentiell durch Fehler bei der Blutgruppenbestimmung
oder Fehler bei der Datenübertragung zwischen Spender und Empfänger gekommen. Wie
sich bei diesen ersten Fällen überraschenderweise gezeigt hat, wurde bei Patienten,
die splenektomiert waren oder zeitgleich mit der Transplantation splenektomiert wurden,
ein blutgruppeninkompatibles Organ akzeptiert.
Das man nun aber planmäßig AB0-inkompatibel transplantieren will, ruft viel Kritik
auf. Soll man die Risiken einer erhöhten Immunsuppression in Kauf nehmen? Ist nicht
schon ein schlechteres Outcome vorhersehbar? Ist die Sache vielleicht zu experimentell?
Und ist das Risiko überhaupt kalkulierbar? Letztendlich aber stellt sich die Frage,
ob man mit der AB0-inkompatiblen Nierenlebendspende nicht die Grenzen der Medizin
überschreitet.
Mögliche Blutgruppenkonstellationen
Mögliche Blutgruppenkonstellationen
Unsere Blutgruppen sind von der Häufigkeit der jeweiligen Konstellation unterschiedlich
verteilt. Die Buchstaben "A" und "B" stehen für Zuckermoleküle, die sich auf der Oberfläche
fast aller Körperzellen befinden. Personen mit der Blutgruppe "0" haben keine dieser
Eigenschaften auf ihren Körperzellen. Im Blut jedes Menschen existieren Antikörper
gegen fremde Blutgruppeneigenschaften. So hat zum Beispiel ein Mensch mit der Blutgruppe
"A" Antikörper gegen die Blutgruppe "B", ein Patient mit Blutgruppe "B" gegen die
Blutgruppe "A". Patienten mit der Blutgruppe "0" besitzen Antikörper gegen "A" und
"B".
Nur die Patienten mit der Blutgruppe "AB" besitzen solche Antikörper nicht. So kann
"0" allen spenden, aber nur "0" empfangen. Dadurch ist der Patient mit der Blutgruppe
"0" immer ein benachteiligter Empfänger. Diese Patientengruppe hat auch eine längere
Wartezeit auf ein entsprechendes Organ.
Das Problem und die Lösung
Das Problem und die Lösung
Wird ein Organ ohne entsprechende Vorbehandlung des Patienten transplantiert, so erkennen
die Antikörper des Empfängers die fremde Blutgruppeneigenschaft auf den Zelloberflächen
des transplantierten Organs. Sie binden an diese Zellen und lösen in den allermeisten
Fällen eine heftige Abstoßungsreaktion aus, die unbehandelt zum schnellen Verlust
des Organs führt.
Die Lösung im Freiburger Protokoll umfasst drei Phasen
Was machen andere Zentren weltweit?
Was machen andere Zentren weltweit?
Die größten Erfahrungen liegen in Japan vor, wo schon über 600 Patienten AB0-inkompatibel
transplantiert wurden. Dort wird aus religiösen Gründen von der postmortalen Spende
abgesehen. Voraussetzung für diese Nierenlebendspende sind dort allerdings eine erhöhte
Immunsuppression, mehrfache Plasmapheresen vor und nach der Transplantation sowie
eine Splenektomie zeitgleich mit der OP.
Diese Vorbehandlung verursacht aber eine gehäufte Komplikationsrate in der ersten
postoperativen Zeit. Es kam in 18% der Fälle zu akuten Abstoßungen und es traten gehäuft
schwere Infektionen auf. Daher findet diese Methode weltweit keine breite Anwendung.
Mit einer Langzeittransplantatfunktion von 58 % über neun Jahren ist es vergleichbar
mit der postmortalen Organspende in Europa.
Unser Zentrum hat das Therapieprotokoll dem der Universitätsklinik in Stockholm angeglichen.
Dort wird die Splenektomie ersetzt durch einen bestimmten Antikörper, das sogenannte
Rituximab. Zur Anwendung kommt die herkömmliche Trippel-Immunsuppression und es erfolgt
eine selektive Immunadsorption.
Das Freiburger Protokoll
Das Freiburger Protokoll
Blockade der Blutgruppen-Antikörperproduktion durch Rituximab
Rituximab ist ein monoklonaler CD-20-Antikörper, er blockiert die zirkulierenden B-Lymphozyten,
welche für die Nachproduktion der Blutgruppen-Antikörper verantwortlich sind. Rituximab
ist in Deutschland bisher nur zur Behandlung von Lymphomen zugelassen und die Anwendung
erfordert daher eine bestimmte Einverständniserklärung des Patienten. Es kann auch
zur Therapie der humoralen Abstoßung eingesetzt werden.
Entfernung der AB0-TIter durch Immunadsorption
Die Immunadsorption ist eine neuartige Behandlung ähnlich einer Dialyse. Hierbei werden
Blutgruppenantikörper im Plasma des Patienten selektiv eliminiert. Wenn die Antikörpertiter
nach zwölf Immunadsorptionen nicht wesentlich gesenkt sind, ist keine Transplantation
möglich.
Akkomodation
Die Akkomodation bezeichnet die Toleranzentwicklung der Blutgruppenantikörper des
Empfängers gegen das gespendete Organ. Die Antikörpertiter werden in der ersten Woche
täglich und in der zweiten Woche zweitätig gemessen. Sind sie erhöht, wird eine Immunadsorption
durchgeführt. Nach zwei Wochen steigen die Titerwerte automatisch wieder an, lösen
jedoch keine Abstoßung mehr aus.
Sehr gute Erfahrungen mit AB0-inkompatibler Nierenlebendspende
Sehr gute Erfahrungen mit AB0-inkompatibler Nierenlebendspende
Mit diesem Protokoll hat Freiburg inzwischen 26 Patienten erfolgreich transplantiert.
Damit hat unser Zentrum nach einem schwedischen Zentrum weltweit die größten Erfahrungen
mit dieser neuen Methode. Die bisherigen Erfahrungen zur AB0-inkompatiblen Nierenlebendspende
sind sehr gut. Im Unterschied zu anderen Therapieprotokollen ist mit dem in Freiburg
praktizierten Protokoll bisher in keinem Fall eine durch Blutgruppen-Antikörper induzierte
Abstoßung aufgetreten, alle Transplantate funktionierten nach der OP sofort.
Da derzeit 20-30 % aller in Frage kommenden Nierenspender eine zum Empfänger inkompatible
Blutgruppe haben, könnte durch diese Methode die Zahl der Nierenlebendspenden in Deutschland
deutlich gesteigert werden.
Tab. 1 Ergebnisse der ABO-inkomatiblen Nierenlebendspende in Freiburg
Rebekka Arhelger,
Krankenschwester Transplantationszentrum Freiburg