Prof. Dr. Christiane Bayerl
Nahezu jedes Nahrungsmittel kann eine Allergie auslösen und viele dieser Allergien
sind beschrieben worden - wenn auch nur kasuistisch. Die häufigsten können benannt
werden. Nach kontinuierlichen Erhebungen von Wüthrich aus der Züricher Hautklinik
sind häufige Nahrungsmittelallergene des Erwachsenen: Sellerie (42 %), Getreideprodukte
(16 %), Karotten (13 %), Hühnerei (2 %) und Fisch (7 %). Wie ist es nun, darf
ein Meeresfrüchte-/Krustentierallergiker eine Maischolle gefahrlos genießen?
Die Häufigkeit einer Unverträglichkeit auf Seefische wird in den USA auf 2,3 %
geschätzt. Natürlich ist zu differenzieren zwischen verschiedenen Entitäten wie
allergischen Reaktionen, toxischen Reaktionen oder Infektionen. Nicht selten werden
bei Fischallergie schwere anaphylaktische Reaktionen berichtet, die bereits
30 min nach Verzehr auftreten. Charakteristische klinische Bilder einer Fischallergie
umfassen aber auch urtikarielle und gastrointestinale Symptome. Der weitere Verlauf
einer Fischallergie soll anhand von zwei extrem gegensätzlichen Kasuistiken in
seiner ganzen Spannbreite dargestellt werden. So wird berichtet über eine junge
Frau mit bekannter Shrimps- und Hummer-Allergie, die sich mit anaphylaktischer
Reaktion in einer Notfallambulanz vorstellte. Die Symptomatik hatte sich nach
dem Kuss ihres Freundes entwickelt, der zuvor Shrimps gegessen hatte. Andererseits
wird von einem 68-jährigen Patienten berichtet, bei dem eine Heilbutt-Allergie
verschwunden war. Ehemals hatte sie zu anaphylaktischen Reaktionen mit stark
positiver Hauttestreaktion geführt. Ein offener Nahrungsmittelprovokationstest
mit Heilbutt war unauffällig verlaufen, ebenso wie die aktualisierte Hauttestung.
Der Patient konnte in seinem weiteren Leben Lachs, Kabeljau und Heilbutt problemlos
zu sich nehmen. Vor dergleichen heroischen Versuchen sollte jedoch eine Hauttestung
vorgeschaltet werden, da nach bisheriger Lehrmeinung eine Fischallergie lebenslang
anhält.
Der lebende Hummer, der in heißes Wasser geworfen wird, scheint sich über das
Auslösen allergischer Beschwerden „zu wehren”. Beruflich bedingtes allergisches
Asthma bronchiale bei einem Koch ist beschrieben beim Zubereiten von Hummer. Bei
dem Koch in dieser Kasuistik bestanden auch Kreuzreaktionen gegen verschiedene
Schalentiere, Schellfisch, Kabeljau, Austern und Muscheln.
Daraus ergibt sich die Frage der Kreuzreaktivität. Speziesspezifische Reaktionsmuster
interessieren in diesem Zusammenhang. So wurde bei Kabeljauallergikern untersucht,
ob sie Makrele, Hering und Scholle vertragen. Es zeigte sich eine starke Kreuzreaktivität
gegen die Proteinfraktion Gad c1 von Kabeljau, ehemals als Protein M bekannt.
Es zeigte sich keine Kreuzreaktion gegen Shrimps.
In Spanien findet man in den Gläschen für Säuglingsnahrung bereits Verschiedenes
an Fisch. Selbstverständlich werden auch im weiteren Leben dort häufig Seefisch,
Krustentiere und Tintenfische verzehrt. 18 % der Nahrungsmittelallergien in Spanien
beziehen sich auf Fische, davon 3,8 % auf Krustentiere und 1,6 % auf Tintenfische.
Das gemeinsame Kreuzallergen zwischen Fisch und Amphibie sind Proteine von etwa
12 kD, die den Kalziumfluss im muskulären Sarkoplasma der Tiere kontrollieren,
die Parvalbumine. Sie sind resistent gegen Hitze und enzymatische Digestion. Sie
wurden auch in Kabeljau, Thunfisch und Lachs nachgewiesen.
Im Fall von Krustentieren und Weichtieren, bei denen über Kreuzreaktionen berichtet
wird, ist das Hauptallergen das Tropomyosin von 38 bis 41 kD, ein Protein, das
für die Muskelkontraktion bei Wirbeltieren und Wirbellosen notwendig ist. Bei
Wirbellosen sind diese Tropomyosine Panallergene, die verantwortlich sind für
Kreuzreaktionen zwischen Krustentieren, Insekten, Milben, Würmern und anderen
Weichtieren.
Man geht davon aus, dass 50 % der Fischallergiker ein Risiko haben, auf eine zweite
Spezies zu reagieren. Bei den Krustentierallergikern besteht ein Risiko von 75
% auf eine weitere Spezies zu reagieren, da sich die Tropomyosine stärker ähneln
als die Parvalbumine. 40 % derer, die auf einen oder zwei Fische reagieren, können
alle anderen Arten genießen. Am besten wird dabei der Thunfisch toleriert. Die
stärksten Kreuzreaktionen zwischen Fischspezies bestehen bei Kabeljau (Gal
c1), Lachs (Sal s1), Dorsch (c1), Hering und Seewolf. Weniger allergen sind Heilbutt,
Flunder, Makrele und Thunfisch.
Einen schönen Mai
Prof. Dr. med Christiane Bayerl