Einleitung
Außerhalb der typischen klinischen Konstellation einer Aspirationspneumonie bzw. bei
gesunden Patienten kann der histologische Nachweis granulomatöser Veränderungen mit
Fremdkörpern einen schwer zu interpretierenden Befund darstellen. Wir berichten einen
Fall einer Aspirationsbronchiolitis bei einem jungen Mann, der sich gelegentlich als
„Feuerspucker” unter Einsatz von Lycopodium-Sporen betätigte.
Eigene Beobachtung
Der 23-jährige Patient bot nach einem „grippalen Infekt” Ende Dezember 2007 starken
Husten und Fieber. Nach einer vorübergehenden klinischen Besserung traten wiederum
Hustenreiz bis zum Erbrechen und Gewichtsverlust auf. Im Thoraxröntgenbild fanden
sich multiple klein- bis mittelfleckige, z. T. konfluierende Infiltrate in beiden
Unterfeldern. In der CT des Thorax stellten sich die beidseitigen Infiltrate thoraxwandnah
dar (s. [Abb. 1]). Eine Antibiotikatherapie brachte weder radiologisch noch klinisch eine Besserung.
Abb. 1 Thorax-CT: a Diffus verteilte periphere herdförmige fleckig-konfluierende Infiltrate beiderseits.
b Betonung der Infiltrate in den Unterfeldern und thoraxwandnah.
Bei weiterbestehenden Hustenanfällen, Nachtschweiß und Gewichtsverlust von insgesamt
4 kg wurde der Patient zur Abklärung der intrapulmonalen Infiltrate im Februar 2008
stationär aufgenommen.
Anamnestisch ließ sich ein allergisches Asthma eruieren, das seit einigen Jahren weitgehend
asymptomatisch ist. Der Patient ist Raucher, ist beschäftigt als Barkeeper und berichtete
über Schimmelpilze an den Wänden des Arbeitsplatzes.
Laborchemisch fand sich ein erhöhtes CRP von 46,5 mg/l (Norm bis 3), eine Leukozytose
mit 18,9 Giga/l, Fibrinogen > 999 mg/dl, in der Proteinelektrophorese eine alpha-2-Globulinerhöhung
auf 17,4 rel.%. Die übrigen routinemäßig erfassten Laborparameter einschließlich Procalcitonin
waren normal. Rheumafaktor, p-ANCA und c-ANCA, Autoimmundiagnostik waren unauffällig.
Der HIV-Test war negativ.
In der Allergologiediagnostik fand sich ein stark erhöhtes IGE mit 2.488 kU/l, RAST-Klasse
6 für Lieschgras und Klasse 5 für Birke.
Mikrobiologisch fanden sich keine pathogenen Keime im Sputum. Der Tuberkulintest fiel
negativ aus.
Im bronchoskopisch gewonnenen Lungenbiopsat fand sich eine nicht nekrotisierende granulomatöse
Entzündung, ohne fluoreszenzmikroskopischen Nachweis säurefester Bakterien.
Bei weiterhin unklarem Befund wurden 2 Exzisate vom rechten Lungenunterlappen in MIC-Technik
gewonnen: Diese zeigten mikroskopisch eine z. T. nekrotisierende granulomatöse Entzündung
vor allem in Bereich der Bronchiolen, wiederum ohne fluoreszenzmikroskopischen Nachweis
säurefester Bakterien.
Da der morphologische Befund trotzdem mit einer Tuberkulose vereinbar war, wurde eine
antituberkulöse Therapie eingeleitet. In der weiteren histologischen Bearbeitung fanden
sich aber Partikel Fremdmaterials in den Granulomen. Daraufhin wurde die Diagnose
einer granulomatösen Bronchiolitis bei Fremdkörperaspiration gestellt (s. Kasten:
„morphologische Befunde”).
Trotz intensiver Befragung konnten weder inhalative Noxen noch Hinweise auf eine Aspiration,
auf Mikroaspirationen oder auf eine Refluxkrankheit in Erfahrung gebracht werden.
Da die Fremdkörperpartikel z. T. eine starke Ähnlichkeit mit Eiern von Paragonimus
oder Schistosoma boten, wurde trotz des Fehlens einer eosinophilen entzündlichen Komponente
eine parasitäre Erkrankung erörtert, die sich wiederum nicht bestätigen ließ.
Erst nach Entlassung und nach nochmaliger gezielter Anamnese durch die niedergelassene
Pneumologin eröffnete der Patient, dass er sich gelegentlich als „Feuerspucker” betätigte
und dies unter Einsatz von Lycopodium-Sporen. Dieses Material wurde über Internet
bestellt und histologisch bearbeitet: mikroskopisch zeigten diese Sporen einen identischen
Befund wie die Fremdkörperpartikel im Biopsat des Patienten. Somit konnte festgestellt
werden, dass die Lungenveränderungen eine fremdkörpergranulomatöse Bronchiolitis nach
Aspiration von Lycopodium-Sporen darstellte. Die antituberkulöse Therapie wurde nach
insgesamt 4 Wochen beendet.
Nach Noxen-Karenz und ohne weitere medikamentöse Behandlung besteht eine klinische
Besserung mit Rückbildung von Husten und Fieber.
Morphologische Befunde
Im transbronchialen Lungenbiopsat fanden sich nicht nekrotisierende Epitheloidzellgranulome
mit gelegentlichen mehrkernigen Riesenzellen.
Die operativ gewonnenen Lungenexzisate zeigten histologisch wiederum eine epitheloidzellgranulomatöse
Entzündung, hier allerdings stärker ausgeprägt und mit herdförmigen Nekrosen (s. [Abb. 2] u. [3]). Die entzündlichen Veränderungen trafen vorwiegend die Wände der Bronchiolen sowie
das peribronchioläre Gewebe mit Granulomen mit mehrkernigen Riesenzellen mit intrazytoplasmatischen
Einschlüssen, die in der Routine-Färbung Schaumann-Körperchen ähnelten bzw. als solche
interpretiert werden könnten (s. [Abb. 4]). Diese Einschlüsse waren unter der Polarisationsoptik schwach doppelbrechend und
zeigten sich in der Grocott-Färbung als ovale oder dreieckige Partikel von 20 – 30 µm
Durchmesser, umgeben von kurzen Stacheln. In einzelnen Partikeln waren kleine eosinophile
Granula bzw. Spherula oder Kügelchen zu sehen (s. [Abb. 5]). Die über Internet bestellten „Lycopodium-Sporen zum Feuerspucken” zeigten nach
histologischer Bearbeitung einen identischen mikroskopischen Befund (s. [Abb. 6]).
Abb. 2 Bronchiolozentrische epitheloidzellgranulomatöse Entzündung (a Elastika-van-Gieson-Färbung 25 ×, b Hämatoxylin-Eosin-Färbung 50 ×).
Abb. 3 Zum Teil nekrotisierende Epitheloidzellgranulome peribronchiolär (a Hämatoxylin-Eosin-Färbung 25 ×, b Hämatoxylin-Eosin-Färbung 50 ×).
Abb. 4 Epitheloidzellgranulome mit Partikeln Fremdmaterials im Zytoplasma von Riesenzellen
(a PAS-Färbung 25 ×, b Hämatoxylin-Eosin-Färbung 50 ×).
Abb. 5 Floride Entzündung im Lungengewebe mit ähnlichen z. T. etwa dreieckigen Partikeln
Fremdmaterials (a Grocott-Färbung 50 ×, b Grocott-Färbung 100 ×).
Abb. 6 Über Internet bestellte „Lycopodium-Sporen zum Feuerspucken” nach Einbettung in Paraffin
und Grocott-Färbung mit identischem mikroskopischem Bild (a Hämatoxylin-Eosin-Färbung 50 ×, b Grocott-Färbung 100 ×).
Diskussion
„Aspirationspneumonien” und „Aspirationsbronchiolitis” mit Nachweis von Fremdkörperpartikeln
Fremdkörperpartikel in der Lunge sind im Rahmen von Aspirationspneumonien bei Zustand
nach akzidenteller Aspiration zu finden.
Ferner finden sich fremde Partikel in der Lunge bei Pneumokoniosen, Lipidpneumonien
oder innerhalb der pulmonalen Blutgefäße oder perivaskulär bei Zustand nach intravenöser
Applikation – z. B. bei Drogensüchtigen [1]. Diese letzten Situationen werden aber hier wegen des sehr charakteristischen klinischen
und/oder pathologischen Befundes nicht weiter behandelt bzw. berücksichtigt.
„Aspirationspneumonien” bzw. entzündliche Veränderungen der Lunge wegen Aspiration
von Speise- oder anderen Partikeln sind ein relativ häufiger Befund bei Obduktionen
von älteren geschwächten oder bettlägerigen Patienten. Sie können auch bei Patienten
mit Erkrankungen des Ösophagus und/oder Magens oder bei neurologischen bzw. psychiatrischen
Krankheiten vorkommen oder auch bei gesunden Patienten nach Episoden von Bewusstlosigkeit
oder Beeinträchtigung des Bewusstseins, wie nach Krämpfen, Synkopen oder bei Drogensüchtigen
nach Überdosis.
Marik weist auf die relativ hohe Frequenz von durch Aspiration verursachten entzündlichen
Lungenkrankheiten bei Bewohnern von Pflegeheimen hin und auf eine für die Behandlung
bedeutsame Unterteilung in Aspirationspneumonie als ein infektiöser Prozess als Folge
der Inhalation von mit Bakterien kontaminierten oropharyngealen Sekretionen und Aspirationspneumonitis
oder Mendelsohn-Syndrom als ein chemischer Schaden als Folge der Aspiration von sterilem
Mageninhalt [2].
Auch bei Zustand nach Lungen- bzw. Herz-Lungen-Transplantation können Veränderungen
im Sinne einer Aspirationsbronchiolitis auftreten [3].
Klinisch sind Dyspnoe, Fieber und Husten die häufigsten Beschwerden.
Im Röntgenbild wurden diffuse kleinknotige Infiltrationen als charakteristisch angesehen
[4]. Bilaterale Infiltrate oder Knoten, aber auch unilaterale Infiltrate und einzelne
Knoten sind beschrieben worden [1]. In Fällen mit prädominanter bronchiolitischer Komponente zeigt das Röntgenbild
hauptsächlich zentrilobuläre Knötchen [5].
Die histologische Diagnose wird durch den Nachweis der Fremdpartikel im Zusammenhang
mit entzündlichen Veränderungen des Lungengewebes gestellt. Diese letzten zeigen das
Bild einer Pneumonie oder einer organisierenden Pneumonie („BOOP”) und nicht selten
das Bild einer Bronchiolitis mit multifokaler bronchiolozentrischer granulomatöser
Entzündung mit Fremdkörperreaktion. Diese diffuse „Aspirationsbronchiolitis” ist vor
allem bei alten Patienten mit Dysphagie und/oder bettlägerig und zum Teil mit neurologischen
Krankheiten oder Demenz beschrieben worden [4], aber auch in jüngeren Patienten mit Refluxkrankheit [5]. Sie soll einen schleichenderen Verlauf als die Aspirationspneumonie haben und kann
klinisch mit einem spät beginnenden Asthma verwechselt werden. Sie dürfte die Folge
von wiederholten Mikroaspirationen sein. In einer Autopsiestudie handelte es sich
bei den Fremdpartikeln hauptsächlich um Speisereste aus dem Mageninhalt [4].
Außerhalb der typischen klinischen Konstellation einer Aspiration stellt der Nachweis
von Fremdkörperpartikeln in Biopsaten, Exzisaten oder Resektaten häufig einen unerwarteten
Befund dar. Dabei findet sich vor allem das mikroskopische Bild einer BOOP (Bronchiolitis
obliterans mit organisierender Pneumonie), häufig in Kombination mit Veränderungen
im Sinne einer Bronchopneumonie oder einer Bronchiolitis und Granulomen, vor allem
assoziiert mit Partikeln von Fremdmaterial [1]
[6]. Seltener findet sich keine organisierende Pneumonie, sondern nur fibrotische Veränderungen
oder eine abszedierende Entzündung im Zusammenhang mit dem Nachweis von Fremdmaterial
[1].
In der morphologischen Differenzialdiagnose könnten eine BOOP oder Entitäten, die
mit granulomatösen Veränderungen einhergehen, wie eine bronchozentrische Granulomatose,
eine exogen-allergische Alveolitis, eine Sarkoidose oder ein Morbus Wegener erörtert
werden. Die strikte Berücksichtigung der morphologischen Diagnosekriterien dieser
Entitäten, aber vor allem der Nachweis von Fremdmaterial im Zusammenhang mit den granulomatösen
Veränderungen führen in der Regel zur korrekten Diagnose.
Die Fremdpartikel
Unter den Fremdpartikeln finden sich am häufigsten Anteile pflanzlichen Gewebes, vor
allem bei Aspiration von Speiseresten bzw. bei Zustand nach Reflux und Aspiration
[4].
Ferner sind Anteile quergestreifter Muskulatur aus Speiseresten sowie Talkum, Zellulose,
Crospovidon und Kayexalat beschrieben worden [1]. Talkum, Zellulose und Crospovidon werden für die Herstellung von Arzneimitteln
benutzt, so dass deren Nachweis in Aspirationspneumonien wahrscheinlich auf die akzidentelle
Aspiration dieser Medikamente zurückzuführen ist. Sie sind auch in den pulmonalen
Arterien und im periarteriellen Interstitium bei Drogensüchtigen mit intravenöser
Substanzzufuhr beschrieben worden. Kayexalat wird bei der Behandlung von Hyperkaliämie
benutzt.
Als eine Kuriosität ist die akzidentelle Aspiration von Psyllium, ein pflanzliches,
als Ballaststoff für die Behandlung von Obstipation benutztes Präparat, anzusehen
[6].
Lycopodium
In der Literatur fanden wir nur eine Mitteilung, wobei Fremdpartikel in Corpora amylacea
in der Lunge als aspirierte Lycopodium-Sporen interpretiert wurden [7]. Über Lycopodium-Sporen als Noxe einer Aspirationsbronchiolitis ist bis jetzt in
der Literatur nicht berichtet worden.
Lycopodium oder Bärlappe sind farnartige Pflanzen, deren Sporen (Lycopodiumstaub)
früher in der Industrie bei der Herstellung von Arzneimitteln (als Bestandteil von
Pillen und Suppositorien), in der Homöopathie, in der Kosmetik-Industrie und als Puder
für Handschuhe verwendet wurden. Einzelne Publikationen berichten über Lycopodium-Granulome
in der Haut und im Bereich von chirurgischen Verletzungen nach Benutzung von mit Lycopodium-Sporen
behandelten Handschuhen [8]
[9].
Heutzutage werden Lycopodium-Sporen weiterhin bei der Herstellung bzw. Verpackung
von Kondomen verwendet. Sie sind als Noxe von Asthma und allergischen Beschwerden
bei Mitarbeitern von Kondomfabriken beschrieben worden [10]
[11]. Auch bei der Abklärung von Sexualstraftaten wird der Nachweis von Lycopodium-Sporen
nach Vergewaltigung in der forensischen Medizin eingesetzt [12]. Als Kuriosität ist der Nachweis von Lycopodium-Sporen in Prostatabiopsaten anzusehen,
bei Zustand nach transrektaler bioptischer Gewebsentnahme unter Einsatz von mit Kondomen
geschützten Geräten [13].
Ferner sind Lycopodium-Sporen seit dem Mittelalter in der Erzeugung pyrotechnischer
Effekte benutzt worden und werden heutzutage noch von Magiern und im Showbereich verwendet.
Anleitungen für das Erzielen von attraktiven Feuereffekten mit diesem Stoff, darunter
auch fürs „Feuerspucken”, sind u. a. im Internet zu finden.
Der fehlende klinische Hintergrund bei unserem Patienten (junges Alter, keine neurologische
oder ösophago-gastrale Erkrankung, fehlende eindeutige anamnestische Hinweise auf
eine akzidentelle Aspiration) erschwerten hier die Interpretation der granulomatösen
Veränderungen als Folge einer Aspiration. Wegen der Morphologie der fremden Partikel
wurde eine parasitäre Erkrankung mit Paragonimus oder Schistosoma erwogen, wobei bereits
auf die Ähnlichkeit der Lycopodium-Sporen mit den Eiern dieser Erreger in Fremdkörpergranulomen
in der Haut hingewiesen worden ist [8].
Die nur zögerliche Preisgabe der Information über seine gelegentliche Betätigung als
„Feuerspucker” seitens des Patienten, führte im vorliegenden Fall zu der relativ späten
Identifizierung der Noxe. Nur die enge Kooperation aller mit diesem Fall beschäftigten
Ärzte führte letztendlich zur Abklärung des Befundes mit der hier vorliegenden ersten
Beschreibung einer Aspirationsbronchiolitis mit Lycopodium-Sporen bei einem Feuerspucker.