Diabetes und Hypertonie sind typische Folgeerscheinungen eines Lebensstils, der mehr
und mehr durch eine sitzende Tätigkeit, fehlende Bewegung und einen Überfluss an leicht
verdaulicher Nahrung gekennzeichnet ist. Dementsprechend steigt die Prävalenz beider
Erkrankungen seit Jahren an. Diabetes und Hypertonie erhöhen das kardiale, vaskuläre
und renale Risiko deutlich - vor allem wenn sie gemeinsam auftreten. Dabei unterscheidet
sich die Reihenfolge ihres Auftretens in Abhängigkeit von der Art des Diabetes. Typ-1-Diabetiker
entwickeln erst spät im Verlauf der Erkrankung eine Hypertonie und die erhöhten Glukosespiegel
stehen zunächst im Vordergrund. Typ-2-Diabetiker sind häufig zunächst hyperton und
entwickeln im weiteren Verlauf, also erst nach Jahren, einen manifesten Diabetes.
Unterschiede zwischen Substanzklassen bei Behandlung von Diabetikern
Unterschiede zwischen Substanzklassen bei Behandlung von Diabetikern
Bei der Behandlung der Hypertonie scheint es nicht gleichgültig zu sein, welches antihypertensive
Therapieprinzip - auch im Hinblick auf metabolische Effekte - zur Kontrolle des Blutdrucks
bei Patienten mit Diabetes herangezogen wird. So tritt bei prädiabetischen Patienten
unter einer Behandlung mit AT1-Rezeptorblockern ein Diabetes seltener auf als unter Diuretika und Betablockern [1], [2]. Auch sind die Unterschiede zwischen den Substanzklassen im Hinblick auf die Vermeidung
von kardiovaskulären Ereignissen bei Diabetikern besonders groß, wie die LIFE-Studie
in einem Vergleich von Losartan und Atenolol gezeigt hat [3], [4]. Der primäre Endpunkt (kardiovaskuläre Mortalität, Schlaganfall oder Myokardinfarkt)
wurde bei allen Patienten der Studie (n = 9193 zu Beginn) um adjustiert 13,0% (p =
0,021), in der Subgruppe der Diabetiker um adjustiert 24,5% gesenkt (n = 1195; p =
0,031).
Diese und andere wegweisende Befunde zur Bedeutung einer AT1-Rezeptorblockade bei Patienten mit Diabetes waren Anlass für Karin Jandeleit-Dahm
und Mark E. Cooper, die Fakten zum Thema zusammenzutragen und die verschiedenen Aspekte
einer RAS-Blockade bei diabetischen Patienten näher zu beleuchten [5]. Nach Ansicht der Autoren spielen die makrovaskulären Erkrankungen, wie beispielsweise
die linksventrikuläre Hypertrophie und die Herzinsuffizienz, sowie die mikrovaskulären
Erkrankungen, wie die diabetische Retinopathie und die Nephropathie, in diesem Zusammenhang
eine große Rolle.
Reduktion makrovaskulärer Erkrankungen unter RAS-Blockade
Reduktion makrovaskulärer Erkrankungen unter RAS-Blockade
Diabetische Patienten haben häufiger eine generalisierte Arteriosklerose, eine linksventrikuläre
Hypertrophie, eine Herzinsuffizienz bzw. diabetische Kardiomyopathie (mit vorwiegend
diastolischer Funktionsstörung) sowie Myokardinfarkte und Schlaganfälle als nicht
diabetische Vergleichspersonen. Kommt die arterielle Hypertonie hinzu, die bei der
Mehrzahl der Diabetiker zu finden ist, sind diese Veränderungen in ihrer Ausprägung
noch verstärkt (Strong-Heart-Studie; [6]).
Daten von Haffner und Kollegen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Myokardinfarkts
bei Diabetikern der von Nichtdiabetikern mit bereits abgelaufenem Infarkt entspricht
[7]. Eine frühzeitige und aggressive Pharmakotherapie ist daher essenziell. Diese Forderung
beruht auf den Studienergebnissen von RENAAL (deutliche Reduktion des kardiovaskulären
und renalen Risikos unter dem AT1-Rezeptorblocker) und ASCOT. Hier gelang in der Gruppe unter Beteiligung der RAS-Blockade
im Vergleich zu Betablockern oder Diuretika eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse
um 16%, der Schlaganfälle um 23%, der kardiovaskulären Mortalität um 24% und der Gesamtmortalität
um 11%.
Auch Patienten mit mikrovaskulären Erkrankungen profitieren
Auch Patienten mit mikrovaskulären Erkrankungen profitieren
Besondere Bedeutung messen die Autoren der RAS-Blockade bei Patienten mit Zeichen
mikrovaskulärer Störungen (diabetische Retinopathie und Nephropathie) bei. Patienten
mit diabetischer Retinopathie profitieren besonders von einer normnahen Einstellung
des Blutzuckers, aber auch des Blutdrucks (UKPDS-Studie; 8).
Aufgrund experimenteller Befunde, die eine Stimulation des pathogenetisch bedeutsamen
vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors ("vascular endothelial growth factors",
VEGF) durch erhöhte retinale Angiotensin-II-Spiegel nahelegen, ist aber auch die spezifische
RAS-Blockade in den Mittelpunkt des therapeutischen Interesses gerückt. Stimuliert
durch die günstigen Effekte einer Lisinopril-Therapie bei Typ-1-Diabetikern in der
EURODIAB-Studie, konzipierten Sjölje und Kollegen das sogenannte DIRECT-Studienprogramm
("Diabetic Retinopathy Candesartan Trials"), das die spezifische Blockade des AT1-Rezeptors sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetikern untersucht [9]. Der in dieser Studie verwendete AT1-Rezeptorblocker Candesartan hat sich bereits in Studien zur Therapie von bei Diabetes
typischen Komplikationen wie Herzinsuffizienz und Schlaganfall als effektiv erwiesen.
Die Ergebnisse werden für 2008 erwartet.
Tab. 1 Differenzialindikationen von Opioiden
Patienten mit einer diabetischen Nephropathie werden zunächst durch eine erhöhte Proteinausscheidung
im Urin auffällig, bevor schwerwiegende Komplikationen auftreten, die zur frühzeitigen
Dialyse und zum Tod führen können. Schon die Ausscheidung von subklinischen Mengen
Albumin (Männer 3,9-17 mg/g Kreatinin; Frauen 7,5-25 mg/g Kreatinin) weist nicht nur
auf die Gefahr einer Nephropathie, sondern auch auf eine erhöhte kardiovaskuläre Gefährdung
hin [10]. In einer Reihe von Studien (IRMA-2, IDNT, RENAAL und CALM) wurde die Wirksamkeit
von AT1-Rezeptorblockern alleine oder in Kombination mit ACE-Hemmern dokumentiert. Aldosteron-Antagonisten
(Spironolacton, Eplerenon) erscheinen aufgrund ihres Wirkprofils vielversprechend,
sind aber noch nicht hinreichend untersucht.
Nicht dokumentiert ist darüber hinaus die rechtzeitige Prävention dieser mikrovaskulären
Veränderungen bei Patienten, die eine noch subklinische Albuminausscheidung aufweisen.
Die BENEDICT-Studie mit Trandolapril lieferte hier erste Evidenz für die Wirksamkeit
einer RAS-Blockade. Basierend auf aktuellen Erkenntnissen, wonach das ACE in vivo
leicht umgangen werden kann und deshalb eine direkte Blockade des Angiotensin-II-Rezeptors
pathophysiologisch sinnvoll erscheint [11], untersuchen laufende Studien - unter anderem die schon genannte DIRECT-Studie mit
Candesartan - die Inzidenz der Mikroalbuminurie unter einer Therapie mit AT1-Rezeptorblockern. Mit einer deutlichen Reduktion des kardiovaskulären, aber auch
renalen Risikomarkers Urinalbumin wird gerechnet.
AT1-Rezeptorblockade bei Diabetikern entscheidend
AT1-Rezeptorblockade bei Diabetikern entscheidend
Zusammenfassend kommt der spezifischen RAS-Blockade mit AT1-Rezeptorblockern eine besondere Bedeutung bei der Prävention und Therapie diabetesbedingter
mikro- und makrovaskulärer Folgeerscheinungen zu. Die Autoren halten die bislang vorliegende
Evidenz in diesem Bereich für schlüssig und verweisen zur Absicherung dieses Vorgehens
und zur Sicherung der Indikation Retinopathie auf die laufende DIRECT-Studie und bei
makrovaskulären Komplikationen auf ONTARGET.
Kommentar
Kommentar
Was bedeuten die Studienergebnisse für die Therapie?
Eine risikoadaptierte Pharmakotherapie steht heute im Vordergrund therapeutischer
Erwägungen bei arterieller Hypertonie (140/90 mmHg). Die aktuellen Leitlinien der
ESC ("European Society of Cardiology") definieren niedrigere Zielwerte für Patienten
mit metabolischen Störungen, Diabetes und Endorganschäden. Patienten mit Diabetes
mellitus sollen auf Blutdruckwerte unter 130/80 mmHg, solche mit diabetischer Nephropathie
auf unter 125/75 mmHg eingestellt werden. Dies trägt dem deutlich erhöhten kardiovaskulären
Risiko dieser Patientengruppe Rechnung. Eine Polypharmakotherapie unter Beteiligung
von zwei bis drei antihypertensiven Substanzklassen ist bei diesen Patienten die Regel.
Welche Komponenten sollten bei der antihypertensiven Therapie des Diabetes mellitus
nicht fehlen? Diese Frage wird immer wieder kontrovers diskutiert.
Einsatz von AT1-Rezeptorblockern trotz höherer Kosten sinnvoll
Nach meiner Ansicht sprechen die Daten eine eindeutige Sprache: Eine RAS-Blockade
ist essenzieller Bestandteil der Pharmakotherapie. Die pathogenetische Bedeutung von
Angiotensin II für die Progression der Endorganschäden und der Nachweis von lokalen
Renin-Angiotensin-Systemen in Auge, Niere, Herz und Hirn machen dessen Blockade notwendig.
Die Diskussion um die Abgrenzung von AT1-Rezeptorblockern zu ACE-Hemmern ist dabei vor allem den höheren direkten Kosten geschuldet
- echte Vorteile der ACE-Hemmung gegenüber der AT1-Rezeptorblockade sind schwer nachzuweisen. Auf der anderen Seite zeichnen sich AT1-Rezeptorblocker durch eine verbesserte Verträglichkeit und Compliance der Patienten
bei ähnlicher blutdrucksenkender Potenz aus; die direkte Rezeptorblockade schaltet
die Wirkung von Angiotensin II auf die Zielzelle vollständig aus. Dies sind Eigenschaften,
die einen Einsatz bei Diabetikern sinnvoll machen.
Frühzeitiger Einsatz bei ersten Zeichen einer Endorganschädigung indiziert
Sollen wir jetzt jede 18 Jahre alte Typ-1-Diabetikerin schon ohne Hochdruck und Endorganschäden
aufgrund organprotektiver Erwägungen mit zum Beispiel 32 mg Candesartan behandeln?
Sicher nicht. Wie sieht es mit einem hypertensiven Typ-2-Diabetiker aus, der in einem
Alter von 50 Jahren eine Herzinsuffizienz entwickelt? Sicher ja. Doch dazwischen befindet
sich ein weiter Bereich, in dem nicht nur medizinische, sondern auch ökonomische Erwägungen
bei der Therapieauswahl eine Bedeutung haben. Für mich sind sowohl die linksventrikuläre
Hypertrophie, der Schlaganfall, die diabetische Nephropathie und die Herzinsuffizienz
"compelling indications" für den Einsatz von AT1-Rezeptorblockern. Dabei ist auf jeden Fall ein frühzeitiger Einsatz bei ersten Zeichen
des Endorganschadens wie zum Beispiel eine Albuminausscheidung in den Urin oder kardialer
diastolischer Funktionsstörung indiziert. Zu diesen "compelling indications" könnte
sich im Herbst 2008 die diabetische Retinopathie gesellen, die im Rahmen des DIRECT-Studienprogramms
untersucht wird.
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