Prof. Dr. Christiane Bayerl
Schön war der laue Abend beim Picknick im Gras oder im Biergarten genossen! Wie war
man doch fleißig an dem ersten schönen Tag im Garten und alles ist nun gejätet und
wieder ordentlich! Doch zwei Tage danach zeigen sich gruppiert stehende juckende Papeln
bis klein-urtikarielle Veränderungen an den Beinen, in der Leistenregion und am Stamm
bis in die Achselhöhle. Die Verteilung lässt eindeutig auf Stichreaktionen schließen.
Ja, sie ist schon wieder wach, die Herbstmilbe (Neotrombicula autumnalis) - und sie
macht ihrem Namen keine Ehre, sondern ist bereits im Frühjahr aktiv. In den letzten
10 - 15 Jahren ist sie in Gärten und Parks zu einer zunehmenden Plage geworden. Die
weniger kalten Winter werden für die Ausbreitung der Trombidiose verantwortlich gemacht.
In unseren Breitengraden reichen einige Stunden mit 15 ° C und sie ist bereit zum
Biß mit ihren stechend-saugenden Mundwerkzeugen. Ein Blutsauger ist sie nicht. Mensch
und Wirbeltiere braucht sie zur Nahrungsaufnahme, typisch für einen temporären Ektoparasiten.
Sie vermischt ihr lytisches Sekret mit Zellen der Dermis, mag auch Lymphflüssigkeit
und nimmt dieses Zellsekret auf. Mit einer Größe von nur 0,3 mm ist sie mit ihrer
hellgelben bis orangen Farbe nicht sichtbar. Zum Glück saugt sie sich erst nach einer
Wanderschaft über die Haut fest - da wo sie nicht mehr weiter kommt, z. B. am Hosenbund
oder in der Leistenregion. Durchschnittlich saugt sie 6 - 8 Stunden beim Menschen.
Alle Repellentien sind ineffektiv. Es bleibt nur, die Hosen in die Strümpfe zu stopfen
und so eine mechanische Barriere zu errichten. Das beste ist, nach dem Aufenthalt
im Freien alle Textilien in die Wäsche zu geben und selbst zu duschen, denn dann ist
die Larve noch auf der Wanderschaft auf der Haut, um eine Saugstelle zu suchen. 30
Stiche sind das statistische Mittel. Sekundärinfektionen nach Aufkratzen der Stichstelle
sind eine Komplikation.
Sehr unterschiedlich stellt sich die Stichreaktion beim Menschen dar. Manche Menschen
verarbeiten Stiche mit fast keiner Papel, auch wenn der ganze Garten des Wohnhauses
befallen ist und viele Stiche erfolgt waren. Andere reagieren bereits auf wenige Stiche
mit hyperergen Reaktionen, die sich von Stich zu Stich verstärken. Daher wurde diskutiert,
dass die Ausbildung einer Immunität auf Sekretinhaltsstoffe möglich sein könnte.
Zoologisch gehört die „Herbstmilbe” zur Familie der Trombiculae, Laufmilben und ist
eigentlich eine sechsbeinige Larve, das Larvenstadium der 8-beinigen Spinnentiere.
Die Larven leben auf Gräsern und Büschen in Gärten und Feldern in Vegetationen bis
zu einer Höhe von 30 cm, am liebsten in Regionen mit einer Luftfeuchtigkeit in Bodennähe
von über 80 %. Ihre Verteilung hängt von ihren Wirten, meist Kleinsäugern ab. So finden
sie sich in manchen Gärten, im benachbarten Park aber nicht und umgekehrt. Zum Glück
wechselt die starke Besiedlung einer Region aufgrund der geänderten Wanderwege der
Wirte.
Aus einem Gelege von etwa 300 Eiern im Erdreich entwickeln sich die Larven. An der
Spitze von Gräsern sitzen Sie oft zu mehreren und warten auf Vögel und Kleintiere.
Dabei geraten sie zufällig auch an den Menschen. Eine Larve „wartet” auf einen Wirt,
um dann nach Kontakt „satt” wieder zu Boden zu fallen und sich im Boden über 6 Wochen
zur Nymphe zu entwickeln und danach zur Imago. Diese beiden achtbeinigen Stadien leben
räuberisch und ernähren sich von anderen Kleinstlebewesen. In dicht mit Bäumen und
Hecken bewachsenen Biotopen werden zwei Milbenmaxima beobachtet, im Frühjahr und im
Herbst. In luftig bewachsenen Feldregionen scheint es nur ein Larvenmaximum im Sommer
zu geben.
Da Nymphe und Imago im Erdboden leben, lassen sich nur die Larven nachweisen oder
„fangen”. Beschrieben ist hierzu die Kachelfangmethode, bei der man helle Küchen-
oder Badkacheln einzeln auf den Boden legt. Diese reflektierenden Flächen ziehen die
Larven an, die man danach am Mikroskop darstellen kann. Eine andere Methode sieht
vor, ein feuchtes Leintuch über das Gras zu ziehen und darauf dann die Milben nachzuweisen.
Ich wünsche Ihnen eine gute Immunitätslage, was die „Herbstmilbe” anbelangt oder intensives
Duschen nach Naturgenuss - damit wären Sie wohl halbwegs sicher vor den Plagegeistern.
Einen schönen Frühsommer!
Prof. Dr. med. Christiane Bayerl