Einleitung
Die Sentinel-Lymph-Node-Biopsie zählt heute als etablierte Methode des nodalen Stagings
beim malignen Melanom ab einer Tumordicke von 1 mm. Diese Methode wurde von Morton
et al. 1992, damals noch unter Anwendung von 2,5 % Patentblau V zur intraoperativen
Darstellung des Sentinel-Lymph-Node (SLN), eingeführt. Die SLN-Biopsie wurde entwickelt,
um den ersten drainierenden Lymphknoten (LK) der regionalen Lymphabstromstation darzustellen.
Dieser LK ist die wahrscheinlichste Lokalisation einer beginnenden Metastasierung
[1].
Durch diese minimalinvasive operative Maßnahme ist es nun möglich, auf eine elektive
Lymphknotendissektion zu verzichten. Die SLN-Biopsie ist eine grundsätzliche Methode
des nodalen Stagings bei malignem Melanom. Auch bei nicht melanozytären High-risk-Malignomen
(Merkelzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom) ist die SLN-Biopsie indiziert [2]
[3]
[4].
Prä- und intraoperative Identifikation des SLN
Präoperativ erfolgt die Identifikation des SLN durch eine Lymphabflussszintigrafie.
Im Abstand von 5 mm wird in die Tumorumgebung bzw. Exzisionsnarbe kolloidales Technetium
99 m-markiertes Humanalbumin (Nanokoll) intradermal injiziert. 1 bis 6 Stunden nach
Injektion werden planare Szintigramme in mindestens 2 Ebenen unter Abdeckung der Injektionsstelle
angefertigt.
In den Frühaufnahmen kommt es zur Darstellung einer Lymphbahn, die in einen Lymphknoten
(LK) mündet. Der erste speichernde LK, in dem eine Abstrombahn mündet, entspricht
dem SLN ([Abb. 1]).
Abb. 1 Lymphabflussdiagramm.
In der Spätaufnahme werden nur noch einzelne LK und keine Abstrombahn sichtbar.
Mithilfe der Szintillationsmesssonde markiert der Nuklearmediziner den LK auf der
Haut. Der Operateur misst in dem markierten Hautareal mit einer Gamma-Messsonde nach
([Abb. 2]). Das Punctum maximum der Speicherung wird mit dem Zählwerk festgehalten [5]
[6]
[7]
[8]
[9]. An der markierten Stelle erfolgt ein kleiner Hautschnitt und mit der Gamma-Sonde
wird der signalgebende LK aufgesucht und exstirpiert. Dieser LK wird mit der Sonde
nachgemessen und die radioaktiven Zerfallsimpulse mit den präoperativen Werten verglichen.
Sind die Werte identisch, handelt es sich bei dem entnommenen LK um den SLN, der sofort
in eine Formalinlösung eingelegt wird [10]
[11].
Abb. 2 Präoperative Ortung des SLN mit Gammamesssonde.
Histologische Untersuchung des SLN
Für den Erfolg der SLN-Methode wurden im „Augsburger Consensus” international und
auch interdisziplinär Standards erarbeitet.
Unmittelbar nach Operation wird der SLN für 24 h in 4,5-prozentigem phosphatgepufferten
Formalin (pH 7,0) fixiert [12].
Im dermatohistologischen Labor wird anschließend der SLN parallel zur Längsachse in
1 mm dünne Gewebsscheiben lamelliert und in Paraffin eingebettet.
Bei Nachweis von Tumorzellen wird ihre maximale Distanz zum Innenrand der LK-Kapsel
und auch die Anzahl der befallenen LK-Scheiben dokumentiert [13]
[14]
[15].
Beim malignen Melanom sollten pro Lymphknotenscheibe eine HE-Färbung und mindestens
zwei immunhistochemische Markierungen erfolgen. Als Screeningmarker werden in den
immunhistochemischen Untersuchungen Anti-S-100 und HMB45 eingesetzt. Im Zweifel wird
zusätzlich mit Melan A (MART1-AK) oder mit Tyrosinase-RT-PCR markiert [16]
[17]
[18].
Ergebnisse der SLN-Biopsie beim malignen Melanom
Betrachtet man die Untersuchungsergebnisse der SLN-Biopsie beim malignen Melanom der
Arbeitsgruppen Krag, Pijper und Bachter, so konnten bei den Patienten in 98 bis 100 %
ein SLN mithilfe der Gammasonde intraoperativ identifiziert werden.
Der Anteil der Patienten mit Nachweis von Metastasen im SLN schwankt zwischen 12 bis
21 % [6]
[7]
[9].
Dies bestätigt uns, dass die Entfernung des SLN eine Methode mit hoher Sensitivität
darstellt. In weiteren Studien wird auch die klinische Relevanz von molekularbiologisch
nachgewiesenen Tumorzellen beim Melanom deutlich.
Studien von Bostick und Blaheta konnten bei Patienten mit histologisch positiven SLN
die höchsten Rezidivraten (31 – 67 %) nachweisen. Patienten mit histologisch negativen
SLN zeigten mit 0 bis 6 % eine deutlich niedrigere Rezidivrate bzw. rezidivfreies
Überleben [17]
[19]
[20].
Der Tumorzellnachweis im SLN besitzt somit eine klinische Relevanz hinsichtlich einer
Tumorprogression. Die Patienten mit positiven Lymphknotenbefunden werden anschließend
einer regionalen Lymphknotendissektion zugeführt.
Ergebnisse von Konz et al. zeigen auch, dass mit zunehmender Tumordicke beim malignen
Melanom ein Anstieg von lymphogenen Metastasen in das regionale Lymphabflussgebiet
besteht. Patienten mit einer Tumordicke von 1 – 1,5 mm wiesen einen positiven SLN
in 15 % und Patienten mit einer Tumordicke über 3 mm in 60 % der Fälle auf [11].
Bei jeder Methode, so auch bei der SLN-Biopsie, gibt es Fehlerquellen. Die LK-Aufarbeitung
ist noch relativ wenig standardisiert, sodass Mikrometastasen im SLN häufig nicht
aufgefunden werden. Dies ist eindeutig abhängig von der Untersuchungstechnik (Anzahl
der Schnitte, HE-Färbung, immunhistologische Färbung, RT-PCR).
Auch die Unerfahrenheit des Operateurs stellt eine Fehlerquelle dar. Mehrere klinische
Studien zeigten, dass ein Operateur erst nach über 50 durchgeführten SLN-Biopsien
eine Detektionsrate von über 90 % erreicht [3]
[13].
Entscheidend für den Erfolg der SLN-Biopsie ist auch die enge Zusammenarbeit mit dem
Nuklearmediziner und dem Operateur.
Die Arbeitsgruppe Morton untersuchte in einer sehr umfangreichen klinischen Studie
das krankheitsfreie Überleben sowie Gesamtüberleben bei Patienten mit malignem Melanom.
Eindeutig konnte bei Patienten, die einen negativen SLN aufwiesen (90,2 %) eine höhere
Erkrankungsfreiheit gegenüber Patienten mit positiven SLN (72,2 %) bestätigt werden.
Somit stellt die SLN-Biopsie einen wichtigen diagnostischen Marker dar [21]
[22].
Im Vergleich Patientengruppe mit SLN-Biopsie versus Patientengruppe Beobachtung (ohne
SLN-Biopsie) bestand ein signifikanter Unterschied. In der SLN-Biopsiegruppe waren
5 % weniger Metastasen nachweisbar als in der Beobachtungsgruppe. Daraus könnte man
schlussfolgern, dass eine SLN-Biopsie das Gesamtüberleben verlängert und somit auch
einen therapeutischen Wert besitzt. Sieht man sich aber die Untersuchungsergebnisse
des Gesamtüberlebens SLN-Biopsiegruppe versus Beobachtungsgruppe an, so wird dies
nicht bestätigt. Ein signifikanter Unterschied besteht nicht.
Ein therapeutischer Wert der SLN-Biopsie konnte nicht bewiesen werden, jedoch der
eindeutige prognostische Faktor dieser Methode.
Schlussfolgerungen
Die SLN-Biopsie ist eine minimalinvasive diagnostische Methode, die ein exaktes Staging
der dem Primärtumor zugehörigen Lymphknotenregion ermöglicht. Eine genaue Lokalisation
des SLN ist durch die präoperative Lymphabflussszintigrafie und durch die intraoperative
Gammasondenmessung möglich.
Diese Methode weist bei fachgerechter Anwendung eine Sensitivität von nahezu 100 %
auf.
Die SLN-Biopsie hat einen potenziellen diagnostischen Wert und ist bereits eine Routinemaßnahme
in der Ausbreitungsdiagnostik.
Wird ein positiver SLN nachgewiesen, so handelt es sich um einen Hochrisikopatienten
mit massiver Abnahme der 5-Jahres-Überlebensrate. Diese Patienten werden anschließend
einer therapeutischen regionalen LK-Dissektion zugeführt.
Patienten mit negativen SLN bleibt eine radikale LK-Dissektion, die relativ hohe Komplikationsraten
aufweist, erspart.
Durch die SLN-Biopsie ist es nun möglich, auf die ungezielte prophylaktische LK-Dissektion
zu verzichten.