Einleitung
Einleitung
Die Pachyonychia congenita (PC) ist eine seltene, meist autosomal
dominant vererbte, ektodermale Dysplasie mit variablem Phänotyp
[4]
[7]
[15].
Es existieren mehrere Einteilungen der PC. Feinstein et al. [8] unterscheiden nach dem klinischen Bild vier verschiedene
Typen. Beim Typ III zeigen sich neben der pathognomonischen Pachyonychie, den
palmoplantaren Hyperkeratosen und den follikulären Keratosen, multiple
epidermale Zysten, palmoplantare Blasenbildung, Hyperhidrose, neonatale
Zähne, Cheilitis angularis, Korneaveränderungen sowie Katarakt
[23]
[24].
Krankengeschichte
Krankengeschichte
Die 76-jährige Patientin berichtete, seit der Geburt unter
Wunden an den Füßen zu leiden. Insbesondere kam es an den
Fußsohlen zur Ausbildung von prallen schmerzhaften Blasen, welche sich
rezidivierend seit dem Kleinkindesalter noch vor Erlernen des Laufens
entwickelten. Ferner leide sie ebenfalls seit der Geburt unter verdickten
Finger- und Zehennägeln. Bisher kam es im Sommer regelmäßig zu
einer Verschlechterung und im Winter zu einer Verbesserung des Hautbefundes.
Abgeheilt seien die Hautveränderungen nicht. Vor vier Jahren kam es
letztmalig zu einer starken Exazerbation der Hautveränderungen mit
großen „offenen Stellen” an den Füßen. Seitdem
war sie bis 3 Wochen vor stationärer Aufnahme weitgehend erscheinungsfrei.
Ferner bestand bei der Patientin eine Katarakt. Eine Intelligenzminderung war
nicht erkennbar. Die inzwischen verstorbene Tochter hatte unter den gleichen
Symptomen gelitten, die übrige Familienanamnese war unauffällig.
Lokalbefund
Lokalbefund
An der linken lateralen Fußkante und am linken
Außenknöchel fand sich je eine zirka handtellergroße
Hyperkeratose, z. T. mit schlaffer blasiger Abhebung ([Abb. 1]). Die Umgebung war gerötet. Am rechten
Fuß zeigte sich lediglich an der lateralen Ferse eine zirka 5 cm
große schlaffe Blase mit hyperkeratotischem Dach. Beidseits plantar und
insbesondere unter den Metatarsalköpfchen bestanden ausgeprägte
Hyperkeratosen. Die Finger- und Fußnägel waren gelblich
verfärbt und pyramidenartig verdickt ([Abb. 2]). Im Gesicht und an beiden Oberarminnenseiten
bestanden multiple, ca. stecknadelkopfgroße hautfarbene bis
erythematöse Papeln ([Abb. 3]). Enoral zeigte
sich an den Wangen und auf der Zunge eine Leukoplakie. Die Zähne waren
nicht verändert. Im Bereich der Mundwinkel bestanden kleinere
Rhagaden.
Abb. 1 Lateraler Fuß mit
blasiger hyperkeratotischer Abhebung der Haut.
Abb. 2 Gelbliche
Verfärbung und pyramidenartige Verdickung der Fingernägel.
Abb. 3 Gesicht mit multiplen
Steatozystomen.
Laborbefunde
Laborbefunde
Erhöht: Kreatinin 1,7 mg/dl; GOT 40U/l; AP 118U/l;
γGT 80U/l; Triglyceride 210 mg/dl; CRP 3,9 mg/dl;
Leukozyten 14,3/nl; BSG 28/61 mm n. W.
Erniedrigt: HDL 42 mg/dl.
Die übrigen Laborparameter der klinischen Chemie und des
Differenzialblutbildes waren unauffällig.
Weitere Untersuchungsbefunde
Weitere Untersuchungsbefunde
Dermato-Histologie: Am Blasenrand des lateralen Fußes zeigte
sich in der Biopsie eine akanthotisch verbreiterte Epidermis mit
orthokeratotischer Verhornung. Es fand sich eine schwammig aufgelockerte
Spongiose sowie ein intrazelluläres Ödem im Bereich der Epidermis. In
einem Randbereich zeigte sich eine intraepidermale Spaltbildung. Im Korium fand
sich ein meist perivaskulär orientiertes entzündliches Infiltrat aus
Histiozyten, Lymphozyten und Granulozyten und deutliche
Erythrozytenextravasate. Ödematöse Auflockerung des kollagenen
Bindegewebes ([Abb. 4]).
Abb. 4 Histologie aus dem
Randbereich einer Blase.
Mikrobiologischer Befundbericht: Multiple Kolonien Enterococcus
species, z. B. sensibel auf Ciprofloxacin.
Minor Schweißtest: Palmoplantar zeigte sich eine
Anhidrose.
Therapie und Verlauf
Therapie und Verlauf
Lokal verwendeten wir 3 %ige Salizylvaseline und
10 %ige Harnstoff-Salbe sowie feuchte NaCl-Umschläge.
Mittels regelmäßiger vorsichtiger mechanischer Abtragung kam es zu
einer Reduktion der Hyperkeratosen. Oben genannte Lokaltherapeutika brannten
jedoch auf der Haut und wurden insgesamt schlecht vertragen. Die weitere
Therapie erfolgte dann mit Framycetin-Salbe und Tazaroten-Gel im
morgend-/abendlichem Wechsel.
Systemisch wurde eine Therapie mit Acitretin 10 mg
1 × tgl. eingeleitet. Aufgrund der bakteriellen Superinfektion mit
Enterococcus species erfolgte ergänzend eine antibiotische Therapie mit
Ciprofloxacin 500mg-Tbl. 2 × tgl.
Unter o. g. Therapie kam es allmählich zu einer deutlichen
Besserung des Lokalbefundes.
Ätiopathogenese und Einteilung der PC
Ätiopathogenese und Einteilung der PC
Diese autosomal-dominanten Verhornungsstörungen sind durch eine
symmetrische Verdickung aller Nägel in Assoziation mit palmoplantaren und
follikulären Hyperkeratosen sowie oralen Leukokeratosen gekennzeichnet
[4]
[7]
[15].
Die PC wurde erstmals von Müller 1904 [20], Wilson
1905 [28] und dann 1906 von Jadassohn und Lewandowsky
[13] beschrieben. Bisher wurden insgesamt ca. 200
Fälle publiziert.
So verwundert es nicht, dass aufgrund der verschiedenartigen
Ausprägung der Erkrankung unterschiedliche Einteilungen existieren. Die
aktuelle Einteilung nach Feinstein et al. [8] erfolgt in
4 verschiedene Typen: Der häufigste Typ I (56,2 %), das
Jadassohn-Lewandowsky-Syndrom, ist neben der bei allen
Varianten vorkommenden Pachyonychie durch palmoplantare Hyperkeratosen,
follikuläre Keratosen sowie orale Leukoplakie gekennzeichnet. Der
seltenere Typ II (24,9 %), das Jackson-Lawler-Syndrom, grenzt
sich durch das zusätzliche Auftreten von palmoplantarer Blasenbildung,
Hyperhidrose, multiplen Epidermoidzysten und neonatalem Zahnstatus bei Fehlen
der Schleimhautveränderungen ab. Beim Typ III (11,7 %)
bestehen außerdem eine Cheilitis angularis sowie Korneaveränderungen
und Katarakt, daneben finden sich beim Typ IV (7,2 %)
Leukokeratosen des Kehlkopfs (chronische Heiserkeit), Schwerhörigkeit,
geistige Retardierung und Haaranomalien [4]
[15]
[23]
[24].
Bei der Pachyonychia congenita tarda treten die typischen
Nagelveränderungen erst in der 2. oder 3. Lebensdekade auf
[11]
[16].
Tab. 1 Pachyonychia congenita
– Einteilung nach Feinstein et al.
| Klinische Symptome
|
Typ
I Jadassohn-Lewandowsky- Syndrom
|
Typ
II Jackson-Lawler-Syndrom
|
Typ III
|
Typ IV
|
| Hyperkeratose der
Nägel
|
+
|
+
|
+
|
+
|
| Palmoplantare
Hyperkeratosen
|
+
|
+
|
+
|
+
|
| Follikuläre Keratosen
|
+
|
+
|
+
|
+
|
| Orale Leukoplakie
|
+
|
–
|
±
|
±
|
| Palmare und plantare
Blasenbildung
|
–
|
+
|
+
|
+
|
| Palmare und plantare
Hyperhidrose
|
–
|
+
|
+
|
+
|
| Multiple Epidermoidzysten
|
–
|
+
|
±
|
±
|
| Assoziation mit
Steatocystoma multiplex
|
–
|
+
|
?
|
?
|
| Nataler/pränataler
Zahnstatus
|
–
|
±
|
+
|
+
|
| Cheilitis
|
–
|
–
|
+
|
+
|
| Korneale Dyskeratosen
|
–
|
–
|
+
|
+
|
| Katarakt
|
–
|
–
|
+
|
+
|
| Laryngeale Defekte
|
–
|
–
|
–
|
+
|
| Schwerhörigkeit
|
–
|
–
|
–
|
+
|
| Geistige Retardierung
|
–
|
–
|
–
|
+
|
| Haaranomalien
|
–
|
–
|
–
|
+
|
| (+ vorhanden, – nicht vorhanden, ±
beides möglich, ? unklar) [15]
|
Therapie
Therapie
Die Therapieoptionen sind leider unbefriedigend, da keine kausale
Therapie existiert. Die Nagelverdickungen können mit keratolytischen
Externa (20 % – 40 % Harnstoff
oder 15 % – 20 %
Salizylsäure) schonend reduziert werden, alternativ empfiehlt sich auch
eine mechanische Abtragung, allerdings sollte hier vorsichtig vorgegangen
werden, um Verletzungen mit nachfolgender Infektion zu verhindern. Unsere
Patientin erzielte mit letzterer Methode und anschließender Versiegelung
mit Nagellack gute kosmetische Ergebnisse. Die Hyperkeratosen können zum
Beispiel mit Acitretin behandelt werden, langfristig können jedoch nur
partielle Besserungen erzielt werden. Vor allem die schmerzhafte Blasenbildung
bleibt in der Regel unbeeinflusst, weswegen viele Patienten die Therapie im
Verlauf wieder abbrechen. Follikuläre Keratosen können mit
mäßigem Erfolg mit Alpha-Hydroxysäure oder keratolytischen
Externa behandelt werden. Epidermoidzysten können aufgestochen und
exprimiert werden. Bei Neigung zu Blasen an den Füßen sollte vor
allem auf weiches, orthopädisches Schuhwerk geachtet werden. Bei einigen
Patienten konnten auch gute Erfolge durch Behandlung der oft bestehenden
Hyperhidrose durch Aluminiumsalze oder Botulinumtoxin erzielt werden
[4]
[17].
Da die Patienten aufgrund des Leitsymptoms der Pachyonychie
zunächst den Dermatologen aufsuchen, ist es wichtig, die seltene PC in der
Differenzialdiagnose der Nageldystrophien nicht zu vergessen und ggf. eine
gründliche interdisziplinäre Abklärung (Innere Medizin, HNO,
Ophthalmologie) zu veranlassen, um rechtzeitig auf evtl. zusätzlich
bestehende Erkrankungen aufmerksam zu werden [15].