Ärzte, die reisemedizinische Beratungen durchführen, sollten eigene Erfahrungen aus
touristisch stark frequentierten Ländern haben - aus dieser Vorstellung heraus hatte
der Deutsche Fachverband Reisemedizin im Jahr 2003 als Pilotprojekt eine reisemedizinische
Studienexkursion nach Indien organisiert. Ziel war es, den mitreisenden Kollegen Erfahrungen
und Eindrücke von aus reisemedizinischer Sicht kritischen Ländern zu vermitteln. Nach
den ersten durchweg positiven Erfahrungen der Indienreise entstand die Idee zu einer
zweiten Studienexkursion nach Ecuador. Logischerweise folgte aus den reisemedizinischen
Exkursionen nach Asien und Südamerika nun eine dritte Exkursion nach Afrika. Die Tansaniareise
wurde federführend von den Autoren dieses Reiseberichtes organisiert.
Am 17.10.2007 traf sich die zehnköpfige Teilnehmergruppe am Flughafen Zürich, um über
Nairobi nach Daressalaam zu fliegen. Im Gepäck hatten wir unter anderem größere Mengen
an Medikamenten und medizinischem Material, das wir nach den Wünschen der von uns
besuchten medizinischen Einrichtungen zusammengestellt hatten.
Am ersten Morgen in Daressalaam hatten wir einen Termin im Büro der AMREF ("African
Medical and Research Foundation"). Wie wir vom "Country Director Tansania" erfuhren,
unterhält die AMREF nicht nur eine Luftrettungsorganisation, sondern auch diverse
Entwicklungshilfeprojekte, überwiegend im HIV-/Aids-Bereich, aber auch Brunnen- und
Wasserprojekte in ganz Tansania und Ostafrika.
Erste Einblicke ins Gesundheitssystem
Erste Einblicke ins Gesundheitssystem
Am nächsten Tag hatten wir die Gelegenheit, uns über die Arbeit der Deutschen Gesellschaft
für technische Zusammenarbeit (GTZ) zu informieren. Die Kollegen der GTZ schilderten
uns die medizinische Situation in Tansania und berichteten über laufende Projekte.
So erfuhren wir zum Beispiel, dass die HIV-Prävalenz um 7 % liegt und die "commercial
sex workers" ein Hauptübertragungsweg sind, ein sicher sehr wichtiger Beratungsaspekt
für unsere Reisenden. Die GTZ und ihre Partner bemühen sich, durch diverse Maßnahmen
(Gesundheitserziehung, z. B. durch Straßentheater, Aufklärung von Jugendlichen, Vermeidung
von Infektionen im Krankenhaus und bei der Mutter-Kind-Übertragung) dem Problem Herr
zu werden.
Ein kleiner Höhepunkt war eine eineinhalbstündige Diskussion mit den Studenten des
Masterkurses "Public Health", ein Post-Graduate-Studium für Interessenten aus ganz
Ostafrika. Dieser einjährige Kurs für Ärzte, Pharmazeuten und Sozialwissenschaftler
wurde unter anderem von der Universität Heidelberg mitentwickelt und erfreut sich
eines enormen Zuspruchs. Die Studenten diskutierten mit uns über ihre Einschätzung
der Gesundheitssituation in Ostafrika. Wir mussten ihnen im Gegenzug Fragen zum deutschen
Gesundheitssystem beantworten, wobei sie sehr verwundert über unser "all inclusive"-Gesundheitssystem
waren.
Wahlspruch
Reisegruppe
Masterkurs Public Health
HIV-Sprechstunde
Huruma Hospital
Infusionsprojekt
HIV-Prävention
Artemesin-Pflanze
Klinische Visite im Bombo-Hospital
Nach einem kurzfristig organisierten einstündigen Flug - nachdem unser Zug ausgefallen
war, mussten wir unser Improvisationstalent unter Beweis stellen - landeten wir auf
dem "Flughafen Ifakara", der ausschließlich aus einer Schotterpiste besteht. Aus medizinischer
Sicht war Ifakara besonders interessant, weil hier in fast universitärer Form Forschung
("Ifakara health research and development center"), Lehre (TTCIH) und Patientenversorgung
("St. Francis district hospital") zusammenspielen. Als Joint-Venture-Projekt von tansanischem
Staat, Schweizer Tropeninstitut und diversen, insbesondere Schweizer Sponsoren, wird
geforscht, gelehrt und die Versorgung der lokalen Bevölkerung gewährleistet.
Wir hatten über mehrere Tage die Möglichkeit, im Rahmen von halbtägigen Hospitationen
im Krankenhaus die Kollegen vor Ort bei der Versorgung der Patienten zu begleiten.
Besonders eindrücklich war die HIV-Sprechstunde, weil wir hier auch sehr junge Erwachsene
und Kinder mit fortgeschrittenen HIV-Stadien gesehen haben. Am Montagmittag hieß es
Abschied nehmen. Vom Flughafen Ifakara flogen wir weiter nach Moshi.
Kleine Projekte, die den Menschen direkt helfen
Kleine Projekte, die den Menschen direkt helfen
Der nächste Tag war ausgefüllt mit einem intensiven Besuchsprogramm des KCMC ("Kilimandjaro
Christian Medical Centre"), dem Referenzkrankenhaus für Nordtansania. Wir hörten noch
mehr über die häufigsten Erkrankungen in Tansania - HIV/Aids, Malaria, Tuberkulose
(!), Anämien und Pneumonien - und erfuhren nebenbei, dass in Tansania ein Arzt auf
24 000 Einwohner kommt.
An der kenianischen Grenze besuchten wir ein abgelegenes District-Krankenhaus ("Huruma
Hospital" in Rombo). Die Fahrt dorthin ging mehrere Stunden über beschwerliche Pisten,
teilweise im Schneckentempo. Hier stellte sich für uns die Frage, wie ein schwer kranker
Patient wohl von dort in ein größeres Krankenhaus kommen würde.
Die Kollegen des Huruma Hospitals freuten sich ganz besonders über unsere Mitbringsel,
in diesem Fall vor allem Nahtmaterial. Während die Gruppe eine ausführliche klinische
Visite absolvierte, versuchte einer der Autoren ein völlig verstaubtes Ultraschallgerät
(Geschenk aus Deutschland!) wieder in Gang zu setzen. Man hatte leider nur eine deutsche
Betriebsanleitung mitgeliefert, die natürlich niemand verstehen konnte. Schließlich
war es Mamma Dita, der Ultraschallschwester, möglich, auf Anhieb eine rupturierte
Extrauteringravidität mit massiver freier Flüssigkeit zu erkennen. Wie wir bei unserer
Abfahrt hörten, sollte die junge Frau wohl noch am Nachmittag operiert werden ...
Zurückgekehrt nach Moshi konnten wir dann die "St. Luke Foundation" besuchen, eines
der vielen Projekte von Dr. Georg Kamm, der seit über 30 Jahren in Tansania lebt und
arbeitet. Kamm hat die Erkenntnis umgesetzt, dass man kleine Projekte anstoßen muss,
die den Menschen direkt helfen. So baute Kamm etwa eine Infusionsherstellungseinheit
auf, um auch kleineren medizinischen Einrichtungen zu helfen, die sich den Bezug von
größeren Infusionsmengen nicht leisten können bzw. große Mengen auch gar nicht benötigen.
Mit Bewunderung sahen wir eine Osmose, die auf ein 4 m2 großes Brett passt. Der Autoklav zur Sterilisation der Infusionslösungen kann auch
mit Holz betrieben werden und ist somit in Gebieten ohne Strom einsetzbar. In der
St. Luke Foundation werden zusätzlich Medikamente wie Augentropfen und einige Tablettensorten
hergestellt, um die preisgünstige Versorgung von kleineren Kliniken zu ermöglichen.
Herstellungseinheiten gibt es mittlerweile über ganz Tansania und die angrenzenden
Länder verstreut.
In Begleitung des Kollegen Kamm konnten wir am nächsten Tag auf dem Weg zum Ngorongoro-Gebiet
ein typisches, nicht touristisches Massaidorf besuchen. Der erste Kontakt mit dieser
berühmten Ethnie war extrem eindrücklich und hat nachhaltige Spuren hinterlassen,
unter anderem die Erkenntnis, dass man durch wenig Hilfe (Verbesserung der Wasserversorgung,
Gesundheitserziehung, Wellblechdächer!) den Lebensstandard und die Gesundheitssituation
dieser Menschen um ein Vielfaches verbessern kann.
An dem nun folgenden Wochenende stand der touristische Aspekt im Vordergrund, nämlich
der Besuch des Serengeti- und des Ngorongoro-Nationalparks mit Tierbeobachtungen und
einer faszinierenden Landschaft.
Fazit
Fazit
Zusammenfassend kann man von einer anstrengenden, aber hochinteressanten reisemedizinischen
Exkursion sprechen. Unser Fazit aus reisemedizinischer Sicht: Die medizinische Versorgung
befindet sich im Aufbau, ist aber sicher noch nicht optimal. "Risiko-Touristen", insbesondere
chronisch Kranke, sollten darauf hingewiesen werden, dass eine Versorgung nach europäischem
Standard nicht erwartet werden kann. Patienten, deren medizinischer Status nicht absolut
stabil ist, sollten auf eine Reise eher verzichten. Pulmonal kompromittierte Patienten
müssen auf die Höhenproblematik im Ngorongoro-Gebiet hingewiesen werden. Auch Traumata
sollten soweit wie möglich vermieden werden, so sollten beispielsweise besonders gefährliche
Verkehrsmittel wie Buschtaxis oder Überlandbusse gemieden werden.
Resultierend aus all unseren Erlebnissen wird eine der mitreisenden Kolleginnen für
einige Zeit in einem der Distrikt Krankenhäuser arbeiten, um dabei zu helfen, eine
Diabetes- und Hochdruckambulanz aufzubauen. Ein Krankenhaus erhielt weiteres, dringend
benötigtes medizinisches Material und zwei Kinder im Massai-Internat haben mittlerweile
Paten bekommen. Weitere Anknüpfungspunkte werden sicher noch folgen!
Beeindruckende Hilfsprojekte
Beeindruckende Hilfsprojekte
In der zweiten Woche hatten wir die Gelegenheit, ein sehr beeindruckendes, von einer
deutschen Hebamme initiiertes Hilfsprojekt in Arusha zu besuchen. Angelika Wohlenberg
(Titel eines Buches über sie: "Mamma Massai") lebt seit über 20 Jahren in Tansania
und hat neben einem Erziehungsprojekt auch einen mobilen Gesundheitsdienst und ein
Frauenprojekt im Massai-Gebiet ins Leben gerufen. Aus dem Erziehungsprojekt ist ein
Schulprojekt entstanden, das vor allem Massai-Mädchen die Möglichkeit gibt, eine Schulausbildung
zu erhalten. Dieses Erziehungsprojekt wird durch Patenschaften finanziert.
Ein Artemesin-Anbauprojekt vor den Toren Arushas besuchten wir am nächsten Tag. Dort
werden Artemesin-Pflanzen, die nur in gewisser Höhe gut wachsen, gezüchtet und gekreuzt,
um einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen. Die Setzlinge werden an die Bauern der
Umgebung verkauft und die Ernte in der angeschlossenen Fabrik zu den allseits bekannten
Malaria-Medikamenten weiterverarbeitet.
Massai-Kinderhilfsprojekt
(Bilder: Dr. Wilfried Buck, Hannover und Dr. Carsten Kurth, Waldshut-Tiengen)
Nach einer langen und anstrengenden Fahrt erreichten wir Tanga an der Küste. Bei einer
ausgedehnten klinischen Visite im "Bombo District Hospital" am nächsten Tag, geleitet
von Dr. Peter Hellmold, einem deutschen Chirurgen, konnten wir erneut Einblicke in
die dortige medizinische Versorgung gewinnen. Eine unfallchirurgische Versorgung nach
unseren Vorstellungen ist aufgrund fehlender Ressourcen, insbesondere Nägel, Platten
und Schrauben, nicht gegeben. Auch die allgemeinchirurgische und internistische Versorgung
ist durch Versorgungsengpässe limitiert. Der Besuch im "Bombo District Hospital" setzte
den Schlusspunkt unter die medizinischen Projektbesuche. Es wartete noch ein Tag Erholung
am Indischen Ozean auf uns, wobei aber durch das Thema Tauchmedizin mit praktischen
Übungen auch dieser Reiseabschnitt nicht gänzlich fortbildungsfrei war.
Dr. Carsten Kurth, Waldshut-Tiengen,
Dr. Jürgen Mutschler Calw-Hirsau,
Dr. Wilfried Buck, Hannover
Danksagung
Danksagung
Stellvertretend für alle Personen, die uns mit großer Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft
und Fachkompetenz zur Seite standen, möchten wir an dieser Stelle Frau M. Bretzler
(Studiosus Gruppenreisen München), Herrn B. Pfister, Daressalaam, Herrn Dr. E. Mossdorf
(Schweizer Tropeninstitut Ifakara), Herrn Leka Tingitana (TTCIH Ifakara), Herrn Dr.
B. Schmidt-Ehry (GTZ Daressalaam) und - last but not least! - Herrn Dr. G. Kamm, Moshi,
nennen und uns bei ihnen und all den anderen sehr herzlich bedanken! Ein besonderer
Dank gilt unseren "driver-guides" im Norden, Amir und Malley, für die allzeit gute
und sichere Fahrt!