Die jährliche Inzidenz für das Auftreten einer Thrombose oder Lungenembolie liegt
bei etwa 1,6 auf 1 000 Einwohner - als Ursache stellt sich bei der Hälfte der Betroffenen
ein angeborener Antithrombinmangel, verbunden mit einem lebenslang erhöhten Thromboserisiko
heraus. Zur Thromboseprophylaxe bei chirurgischen Eingriffen steht für diese Patienten
in Deutschland seit dem 1. Mai 2008 ein neues Medikament zur Verfügung. Antithrombin
alfa (ATryn®) ist damit das weltweit erste mithilfe von transgenen Tieren hergestellte
Arzneimittel auf dem deutschen Markt.
Thromboserisiko hängt vom zugrunde liegenden Gendefekt ab
Thromboserisiko hängt vom zugrunde liegenden Gendefekt ab
An eine Thrombophilie, also eine genetisch bedingte Koagulationsstörung, müsse im
Falle venöser Thrombosen bei unter 45-jährigen, familiärer Thrombosehäufung, atypischer
Lokalisation, idiopathischer Thrombosen, aber auch bei Patientinnen mit Schwangerschaftskomplikationen
gedacht werden, erklärte Prof. Campbell Tait, Glasgow (UK).
In Fallkontrollstudien war das Thromboserisiko bei dem sehr seltenen Antithrombinmangel
Typ I 50-fach erhöht, bei Protein-C- oder Protein-S-Mangel noch zehnfach, und beim
Nachweis von Faktor-V-Leiden- oder Prothrombin-G20210A-Mutationen war das Risiko immerhin
noch vierfach höher als bei Gesunden, so Tait. Auf der Basis prospektiver Follow-up-Daten
der EPCOT[1]-Studie besteht ein Risiko für eine erste Thrombose in Abhängigkeit vom zugrunde
liegenden genetischen Defekt von 0,1-1,7% pro Jahr und ein Rezidivrisiko in Abhängigkeit
von der genutzten Antikoagulation von 1-10% pro Jahr [2].
Klare Indikation für Antikoagulation bei chirurgischen Eingriffen
Klare Indikation für Antikoagulation bei chirurgischen Eingriffen
Zwar rechtfertige das Thromboserisiko auch bei bekannter Thombophilie nur selten eine
Primärprophylaxe, eine effektive Antikoagulation zum Beispiel im Zusammenhang mit
Operationen oder während der Schwangerschaft sei dagegen unerlässlich, konstatierte
Tait: Ohne Thromboseprophylaxe hatten Patienten mit Protein-C-Mangel in retrospektiven
Studien mit 31% das höchste postoperative Risiko für symptomatische venöse Thromboembolien
(VTE) - dicht gefolgt von Patienten mit Protein-S-Mangel, Antithrombinmangel und Faktor-V-Leiden-Mutation.
Auch mit niedermolekularem Heparin (NMH), der bisherigen Option der Wahl zur postoperativen
Thromboseprophylaxe, konnte das perioperative Thromboserisiko bei hereditärer Thrombophilie
nicht normalisiert, sondern nur bis auf ein "Restrisiko" von immerhin noch 10% reduziert
werden, erläuterte Tait. Eine weitere Risikoreduktion gelinge durch den Ausgleich
des Antithrombinmangels. Alternativ zu den bisher nur aus menschlichem Spenderblut
hergestellten Konzentraten kann jetzt auch ein in transgenen Ziegen produziertes Antithrombin
alfa, eine rekombinante Form des humanen Antithrombins, eingesetzt werden.
Innovative und aufwendige Herstellung
Innovative und aufwendige Herstellung
Für die Herstellung des neuen rekombinanten Antithrombins wird zunächst ein Gen zur
Produktion von Antithrombin in das Genom von Ziegen eingeschleust. Vorgeschaltet ist
der aktiven Gensequenz ein Promotor, sodass das Protein mit Schlüsselfunktion für
die Gerinnungsregulierung in der Milchdrüse der Tiere generiert werden kann. Das fertige
Medikament wird schließlich in einem aufwendigen Aufreinigungsverfahren gewonnen,
berichtete Dr. Shean Evans von der Herstellerfirma GTC Biotherapeutics, USA, die mit
LEO Pharma eine Entwicklungs- und Vermarktungskooperation für die Substanz vereinbart
hat.
"Eine Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin kann das perioperative Thromboserisiko
bei hereditärer Thrombophilie nicht normalisieren, sondern nur bis auf ein 'Restrisiko'
von immerhin noch 10% senken. Eine weitere Risikoreduktion gelingt nur durch den Ausgleich
des Antithrombinmangels." - Prof. Campbell Tait vom Haemophilia & Thrombosis Centre
in Glasgow (UK)
Besonders vorteilhaft ist Evans Ansicht nach die außerordentliche biologische Reinheit
der Substanz, die Infektionen - wie zum Beispiel HIV und Hepatitis - ausschließe.
Bei gleicher Aminosäurensequenz ist das rekombinante Produkt zwar an denselben Stellen
glykosyliert, besitzt aber andere Seitenketten als humanes Antithrombin, erklärte
Tait. Die biologische Aktivität sei sehr ähnlich, die Heparinaffinität aber vierfach
erhöht und die Halbwertszeit mit zehn Stunden kürzer.
Effektivität ist in Studien belegt
Effektivität ist in Studien belegt
Dass Antithrombin alfa bei hereditärem Antithrombinmangel perioperativ symptomatische
venöse Thromboembolien effektiv und sicher verhindern kann, zeigten beispielsweise
Tiede et al. in einer multizentrischen, einarmigen, offenen Phase-III-Studie [1]. Die Patienten mit hereditärem Antithrombinmangel hatten das rekombinante Antithrombin
alfa zusätzlich zu ihrer Thromboseprophylaxe mit unfraktionertem oder niedermolekularem
Heparin oder Vitamin-K-Antagonisten bei Operationen (Hüftersatz, bilaterale Brustverkleinerung,
Kaiserschnitt) intravenös erhalten, aber auch bei der Geburtseinleitung bzw. Spontanentbindung.
Bei den bisher über 200 behandelten Patienten zeichnete sich das Antithrombin alfa
neben der Wirksamkeit auch durch eine gute immunologische Verträglichkeit aus.
Ute Ayazpoor, Mainz
Quelle: Symposium "Beating Blood Clots in Vienna", veranstaltet von der LEO Pharma
GmbH, Neu-Isenburg
Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung der LEO Pharma GmbH, Neu-Isenburg