Bei einem 44-jährigen Patienten wurde 1996 eine fokal segmentale Glomerulosklerose
(FSGS) mit 25 % tubulointerstitieller Fibrose (TIF) diagnostiziert. Beim Patienten
lag eine Proteinurie von 2,5 g/24 h vor. Die FSGS wurde mit Glukokortikoiden und Cyclosporin
A behandelt. Nachdem ein Therapieerfolg mit beiden Medikamenten ausgeblieben war,
wurde die Therapie auf konventionelle Maßnahmen inklusive adäquater Blutdrucksenkung,
speziell durch die Kombinationstherapie mit AT1-Rezeptorantagonisten und ACE-Hemmern, sowie Proteinrestriktion beschränkt. Die blutdrucksenkende
Therapie minderte zwar auch die Proteinurie dieses Patienten auf minimal 765 mg/24
h, doch die Nierenfunktion nahm weiter ab. Im Jahr 2005 befand sich der Patient im
CKD-Stadium 4 mit einem Kreatininwert von 6,2 mg/dl und einer Clearance von 28 ml/min.
Erste Störungen der Knochenstoffwechselparameter im CKD-Stadium 4
Erste Störungen der Knochenstoffwechselparameter im CKD-Stadium 4
Bereits in diesem Stadium der renalen Funktionseinschränkung manifestierten sich erste
Störungen des Knochenstoffwechsels. Der Patient hatte zwar mit 2,35 mmol/l einen normalen
Kalziumspiegel, doch das Serumphosphat war mit 1,79 mmol/l deutlich erhöht (laut K/DOQI[1]-Leitlinie sollte der Serumphosphatwert bei CKD-4-Patienten nicht über 1,49 mmol/l
liegen). Auch das iPTH war bereits leicht angestiegen und lag bei 140 pg/ml (K/DOQI
Zielwert: < 110 pg/ml), weshalb eine therapeutische Intervention erforderlich schien.
Um das erhöhte Phosphat zu kontrollieren, wurde eine phosphatarme Diät verordnet,
zur Therapie des erhöhten PTH wurde Vitamin D3 verabreicht. Da es allein mit der Einschränkung der alimentären Phosphatzufuhr zu
keiner wesentlichen Reduktion des Phosphatspiegels kam, erhielt der Patient einen
Phosphatbinder (Kalziumazetat). Mit dieser Therapie (Kalziumazetat und Vitamin D3) erreichte der Patient einen Phosphatwert im Zielbereich (1,45 mmol/l) und auch das
iPTH sank auf immerhin 115 pg/ml.
Dialysepflicht verschlechterte Parameter weiter ...
Dialysepflicht verschlechterte Parameter weiter ...
Im Januar 2007 wurde der Patient dialysepflichtig - und die Knochenstoffwechselparameter
des Patienten verschlechterten sich deutlich: Das Phosphat stieg auf 2,2 mmol/l, das
Parathormon sogar auf 410 pg/ml an. Was sich zeigte, war das typische Erscheinungsbild
eines sHPT. Durch den renalen Vitamin-D-Mangel sinkt der Serumkalziumspiegel initial
ab, worauf die Nebenschilddrüse mit einer vermehrten Parathormonausschüttung reagiert.
Eine gefürchtete Folge sind Gefäßverkalkungen, die unter anderem durch das nun ansteigende
Kalzium-Phosphat-Produkt begünstigt werden. Daher ist es notwendig, die Phosphat-
und Kalziumwerte in den stadienspezifischen Zielbereich zu bringen.
... und machte Einsatz des kalziumfreien Phosphatbinders notwendig
... und machte Einsatz des kalziumfreien Phosphatbinders notwendig
Der Patient wurde nun mit dem metallfreien und insbesondere kalziumfreien Phosphatbinder
Sevelamer (dreimal zwei Tabletten) therapiert. Die Vitamin-D3-Therapie hingegen wurde erst einmal ausgesetzt, da sonst die Gefahr einer weiteren
Erhöhung des Kalzium-Phosphat-Produktes bestanden hätte. Erst als das Kalzium-Phosphat-Produkt
unter 4,44 mmol2/l2 lag, wurde wieder Calcitriol verabreicht, um den ubiquitären Vitamin-D-Mangel zu
beheben und das iPTH auf Werte im Zielbereich zu supprimieren.
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Genzyme GmbH, Neu-Isenburg
RENA 33/03-08
Hätte durch eine andere therapeutische Intervention in der Prädialyse die Ausbildung
eines sHPT noch effektiver verhindert werden können?
Hätte durch eine andere therapeutische Intervention in der Prädialyse die Ausbildung
eines sHPT noch effektiver verhindert werden können?
Hohe Serumphosphatwerte und Vitamin-D-Mangel gelten als Auslöser dieser sekundären
Krankheitsmanifestation, weshalb Phosphatsenkung und Calcitriolgabe per se angeraten
sind. Die Kombination aus kalziumhaltigen Phosphatbindern und Vitamin D3 ist jedoch oftmals nicht unproblematisch, denn Vitamin D3 erhöht die Kalzium- und Phosphatspiegel und kalziumhaltige Phosphatbinder belasten
den Organismus mit einer zusätzlichen "Kalzium-Load".
Die Gesamtkalziumbilanz ist nicht im Serum abzulesen, daher kann nicht ausgeschlossen
werden, dass sich Kalzium in Gefäßen und Weichteilen absetzt - und die Gefäßverkalkung
vorantreibt. Da jedoch bei Dialysepatienten das Ausmaß der Basiskalzifizierung (d.
h. der Gefäßkalzifikation zum Dialysebeginn) mit dem Mortalitätsrisiko korreliert,
wie die RIND[2]-Studie [1] zeigte, sollte frühzeitig alles daran gesetzt werden, den Kalzifizierungsgrad möglichst
gering zu halten.
In einer Studie von Russo et al. [2] wurde der Einfluss der Phosphatbindertherapie auf die Progression der Koronarkalzifizierung
bei Patienten in der Prädialyse untersucht: In der Gruppe, die keine Phosphatbinder
erhielt, schritt die Kalzifizierung im Vergleich zu der Patientengruppe, der kalziumhaltige
Phosphatbinder verabreicht wurden, deutlich schneller voran. Nur in der Gruppe, die
mit dem metallfreien und insbesondere kalziumfreien Sevelamer behandelt wurde, zeigte
sich keine signifikante Veränderung des Kalzifizierungsscores. Bislang ist noch kein
kalziumfreier Phosphatbinder für die Prädialyse zugelassen, doch erste Zulassungen
wurden in Europa beantragt.
Korrespondenz
Korrespondenz
Prof. Dr. Frank Strutz
Nephrologie/Rheumatologie
Universitätsklinikum Göttingen
Robert-Koch-Str. 40
37075 Göttingen
Email: fstrutz@gwdg.de