Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin 2018; 16(01): 1
DOI: 10.1055/a-0575-2771
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
23 April 2018 (online)

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DOI https://doi.org/10.1055/a-0575-2771

OM – Zs. f. Orthomol. Med. 2018; 16: 1

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

ISSN 1611-5562

die Vielfalt der Symptomatik chronischer Gesundheitsstörungen lässt sich auf wenige, grundsätzliche Stoffwechselmechanismen zurückführen. Müsste der Körper auf jeden Störfaktor in jeweils spezifischer Weise reagieren, würde dies seine Regulationskapazitäten bei Weitem überfordern. Chronische Entzündung und oxidativer Stress sind die wesentlichen Stoffwechselreaktionen, mit denen der Organismus auf die Vielzahl der verschiedenen internen und externen Störfaktoren reagiert. Bei längerfristiger Einwirkung der Störfaktoren (ROS, RNS, Mikroben, Schadstoffe etc.) und/oder fehlender kompensatorischer Gegenregulation (Synthesesteigerung antioxidativer Enzyme und antiinflammatorischer Zytokine) entstehen chronische Gesundheitsstörungen.

Die Bildung freier Radikale im Körper ist untrennbar mit den Lebensprozessen verbunden (mitochondriale ATP-Synthese, Phagozytose, Enzymaktivität) und stellt im Regelfall auch kein Problem dar, da der Organismus über verschiedene Kompensationsmechanismen verfügt. Gleiches gilt für die inflammatorischen Prozesse. Sie laufen z. B. als wichtiger Teil der Immunabwehr kontinuierlich in den verschiedenen Körperbereichen ab. Auch in diesem Bereich verfügt der Organismus über wirksame Kompensationsmechanismen. Erst wenn das physiologische, dynamische Gleichgewicht zwischen prooxidativer Aktivität und antioxidativer Kompensation bzw. Inflammation und antiinflammatorischer Gegenregulation gestört ist, entsteht ein echtes Problem. Unser modernes Leben ist gekennzeichnet durch die ständig steigendende Zahl von Störfaktoren (Schadstoffe, physikalische und psychische Störfaktoren) und den wachsenden Mangel an protektiven Substanzen und Mechanismen (Bewegungsmangel, Nährstoffmangel, fehlende Regenerationsphasen). Wir müssen diese Basismechanismen wie oxidativer Stress und chronische Entzündung kennen und deren biochemischen Abläufe verstehen, um chronische Erkrankungen erfolgreich behandeln oder besser noch, verhindern zu können. Wenn z. B. die Cholesterinsenkung durch Statine immer noch als wichtige und oft einzige Maßnahme zur Reduktion des Herzinfarktrisikos betrachtet wird, dann wurde von den betreffenden Kollegen das System schlichtweg nicht verstanden. Denn solange die oxidativ-entzündliche Stoffwechsellage im Gefäßsystem nicht beseitigt wird, kann es durch die Cholesterinsenkung keine befriedigende Risikoreduktion geben.

Neben den funktionellen Interaktionen zwischen Störeinflüssen, oxidativen und inflammatorischen Reaktionen und kompensatorischen Gegenregulationen spielen auch individuell vorgegebene strukturelle Merkmale eine bedeutende Rolle, wie der Beitrag von Eckart Schnakenberg zeigt. Genetische Veränderungen von Enzymaktivitäten beeinflussen die Effektivität von Kompensationsmechanismen wie die antioxidative oder detoxifizierende Wirkung. Neben den genetischen Veränderungen werden aber v. a. die epigenetischen Effekte eine immer größere Bedeutung erhalten, da es sich hier um kurzfristige Anpassungsphänomene auf Umweltbedingungen (Ernährung!) handelt.

Metalle wie Eisen und Zink sind für viele physiologische Abläufe essenziell. Andere, nicht im Stoffwechsel genutzte Metalle können bei Aufnahme in den Körper zu vielfältigen Problemen führen, wie Störungen des transmembranösen Transports, Induktion von oxidativen Prozessen, Entzündungen oder Autoimmunprozessen. In seinem Beitrag gibt Kurt Müller einen Überblick über die vielschichtigen Effekte der Metalle im Körper.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und hoffen, dass wir Ihr Interesse dafür wecken konnten, sich auch weiter mit den wichtigen Mechanismen wie oxidativer Stress und chronische Entzündung zu beschäftigen.

Ihr

Hans-Peter Friedrichsen