Der Klinikarzt 2018; 47(04): 121-122
DOI: 10.1055/a-0598-4058
Zum Thema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Mit Herz und Hirn im Dialog der Fachrichtungen über den eigenen Tellerrand hinaus

Wolfram Döhner
Further Information

Publication History

Publication Date:
09 May 2018 (online)

Die Erfolgsgeschichte der Medizin ist eine Geschichte der fortwährenden Spezialisierung. Je weiter wir in die (Patho-)physiologie eindringen und von funktionellen zu zellulären und molekularen ja genetischen Prinzipien von Erkrankungen vordringen, desto mehr fokussiert und spezialisiert ist der Blickwinkel. Die Herausbildung von Subspezialisierungen innerhalb klinischer Fachrichtungen mit immer weiter verengtem Fokus ist die logische Konsequenz dieser Entwicklung. Dem offensichtlichen Nutzen dieser immer weiter fortschreitenden Spezialisierung steht als Nachteil eine gewisse Entfernung von der ganzheitlichen Perspektive, von der Erfassung des Patienten als ganzes gegenüber. Gleichzeitig führt das zunehmende Verständnis komplexer Erkrankungen zu der Erkenntnis, das Komorbiditäten und Interaktionen von Organsystemen entscheidend zum gesamten Krankheitsbild beitragen.

Daher ist es nur folgerichtig, als die nächste Stufe nach zunehmender Spezialisierung bzw. parallel zu dieser eine vermehrte fachübergreifende Kooperation anzustreben. Begriffe wie ‚interdisziplinäre Ansätze’, ‚translationale Konzepte’ oder ‚ganzheitliche Medizin’ sind der Ausdruck dieser notwendigen Entwicklung.

Gerade die Verbindung von Herz und Gehirn spielt bei Wechselwirkungen von vielen Krankheiten und Komorbiditäten eine herausragende Rolle. Zur Illustration seien die vielfachen Wechselbeziehungen bei chronischer Herzinsuffizienz genannt ([ Abb. 1 ]). Dieser Interaktion und dem fachübergreifenden Dialog ist dieses Schwerpunktheft gewidmet. Gemeinsam stellen Kliniker und Wissenschaftler der neurologischen und der kardiologischen Kliniken der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie vom Centrum für Schlaganfallforschung Berlin (CSB) den aktuellen Wissensstand zu relevanten Themen der Herz-Hirn-Interaktion vor. Die Frage nach dem optimalen EKG-Montoring nach Schlaganfall zur Klärung eines bisher unentdeckten Vorhofflimmerns ist insbesondere angesichts des neuen Konzepts von ESUS von aktueller Bedeutung (K.G. Häusler S. 122). Kardiale Nebenwirkung von Antidepressiva stellen für die polypharmakologische Behandlung der oft multimorbiden kardiologischen Patienten eine besondere Herausforderung dar (W. Haverkamp et al. S. 128). Die Verbindung von akutem Schlaganfall mit gleichzeitiger Myokardschädigung ist eine häufige Beobachtung, die auf eine kausale Beziehung schließen läßt. Die Interpretation moderner Biomarker wie hs Troponin im Rahmen von Schlaganfall bedarf dringend weiterer Abklärung sowie moderner Behandlungskonzepte (R. v. Renneberg et al., S. 134). Kognitive Beeinträchtigungen bei chronischer Herzinsuffizienz tragen zur Komplexität des Syndroms bei und sind dennoch derzeit unzureichend in der klinischen Behandlung wahrgenommen (F. Edelmann et J. Petutschnigg, S. 140). Und schließlich werden aktuelle Therapiekonzepte zum Verschluss von Vorhofseptumdefekt und Vorhofohr erörtert (JJ Hartung et al., S. 146).

Zoom Image
Abb. 1 Systematische Übersicht zu Wechselwirkungen von Herz und Hirn bei chronischer Herzinsuffizienz. DM: Diabetes mellitus; HLP: Hyperlipoproteinaemie; HT: Hypertonie; TTR: Transthyretin (nach W. Doehner et al. EJHF 2018 [1]).
 
  • Literatur

  • 1 Doehner W, Ural D, Haeusler KG. et al. Heart and brain interaction in patients with heart failure: overview and proposal for a taxonomy. A position paper from the Study Group on Heart and Brain Interaction of the Heart Failure Association. Eur J Heart Fail 2018; 20: 199-215
  • 2 Widimsky P, Doehner W, Diener HC. et al. The role of cardiologists in stroke prevention and treatment: position paper of the European Society of Cardiology Council on Stroke. Eur Heart J. 2017 10.1093/eurheartj/ehx478