Dtsch Med Wochenschr 2018; 143(15): 1057
DOI: 10.1055/a-0606-1729
Editorial
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Antibiotika: die wichtigste medizinische Entdeckung des 20. Jahrhunderts

Antibiotics: The Most Important Discovery in Medicine of the 20th Century
Claus F. Vogelmeier
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Publication Date:
30 July 2018 (online)

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Prof. Dr. med. Claus F. Vogelmeier

Vielfach wird die 1910 erfolgte Einführung von Arsphenamin durch Paul Ehrlich als der Beginn der Antibiotika-Ära angesehen. Diese Substanz wirkte aber nur gegen Spirochäten. Die Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming im Jahr 1928 ist sicher eines der wichtigsten Ereignisse der Medizin des 20. Jahrhunderts [1]. Die mit Penicillin erzielten Therapieerfolge waren der Auslöser für die Entwicklung einer Vielzahl weiterer antibakteriell wirkender Substanzen.

Ungefähr 100 Jahre nach Beginn des Einsatzes von Antibiotika in der Medizin sind durch Bakterien ausgelöste Erkrankungen immer noch nicht besiegt. Hierfür sind u. a. folgende Faktoren von Relevanz: Es werden im Alltag viel zu häufig Antibiotika eingesetzt [2]. Die klassische Fehlindikation ist der banale Infekt der oberen Atemwege. Dieser unnötige Einsatz wird als mögliche Ursache für die Ausbildung von Resistenzen angesehen. Weiter sind in den letzten Jahren kaum noch neue Antibiotika zugelassen worden [3]. Einer der dafür aufgeführten Gründe ist die mangelnde Rentabilität der Entwicklung derartiger Medikamente aus Sicht der Hersteller. Darüber hinaus sind Kliniken in mehrfacher Hinsicht ein problematischer Ort bezüglich bakterieller Infektionen. So bringen Patienten oft Keime mit ins Krankenhaus (z. B. MRSA), die für andere eine Bedrohung darstellen. Andererseits können in Kliniken unter Umständen bestimmte Keime gegen viele Antibiotika resistent werden (z. B. Pseudomonaden) [4]. Daneben nimmt die Zahl der Patienten zu, bei denen es im Zusammenhang mit dem Einsatz von Antibiotika Besonderes zu beachten gilt. Dazu zählen:

  • Patienten, die mit Immunsuppressiva behandelt werden und damit für schwere Infektionen empfänglich sind,

  • Patienten mit Obesitas, weil es hier u. a. große Unsicherheiten bzgl. der adäquaten Dosierung gibt und

  • alte Menschen, da aufgrund von eingeschränkten Organfunktionen nicht nur die Infektion schwerer verlaufen kann, sondern auch die potenziellen unerwünschten Effekte von Antibiotika eine größere Rolle spielen können [5].

Dabei gibt es je nach Substanz ein breites Spektrum möglicher Probleme, von einer Clostridieninfektion [6] über eine Niereninsuffizienz bis zu einer Tendinopathie. Deshalb ist bei älteren Menschen die Entscheidung zur und die Auswahl sowie die Dosierung der Antibiotikatherapie besonders sorgfältig zu erwägen. Dies gilt insbesondere unter den Bedingungen der Intensivmedizin, da dort behandelte Patienten typischerweise relevante Veränderungen der Funktion mehrerer Organe aufweisen.

 
  • Literatur

  • 1 Fleming A. Classics in infectious diseases: on the antibacterial action of cultures of a penicillium, with special reference to their use in the isolation of B. influenzae by Alexander Fleming, Reprinted from the Br J Exp Pathol 1929; 10: 226 – 236. Rev Infect Dis 1980; 129-139
  • 2 Dyar OJ, Obua C, Chandy S. et al. Using antibiotics responsibly: are we there yet?. Future Microbiol 2016; 11: 1057-1071
  • 3 Freire-Moran L, Aronsson B, Manz C. ECDC-EMA Working Group. et al. Critical shortage of new antibiotics in development against multidrug-resistant bacteria-Time to react is now. Drug Resist Updat 2011; 14: 118-124
  • 4 Medina E, Pieper DH. Tackling Threats and Future Problems of Multidrug-Resistant Bacteria. Curr Top Microbiol Immunol 2016; 398: 3-33
  • 5 Heppner HJ, Walger P. Sinnvoller Antibiotikaeinsatz beim älteren Menschen. Dtsch Med Wochenschr 2018; 143: 1070-1074
  • 6 Moore SC. Clostridium difficile: More Challenging than Ever. Crit Care Nurs Clin North Am 2018; 30: 41-53