Dtsch Med Wochenschr 2018; 143(19): 1417-1418
DOI: 10.1055/a-0617-8667
Facharztfragen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eine Schwangere mit Druckgefühl auf der Luftröhre

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Publication Date:
19 September 2018 (online)

Eine Schwangere kommt zu Ihnen und berichtet, sie habe das Gefühl etwas drücke ihre Luftröhre ab. Sie glaubt, sie habe eine vergrößerte Schilddrüse. Sonografisch sehen Sie eine Schilddrüse mit normalem Echomuster und normaler Größe von 15 ml. Wie behandeln Sie diese Patientin?
Antwort

Mit Jodid 200 µg/d.

Kommentar

Auch wenn bei der Patientin keine Struma vorliegt und das Fremdkörpergefühl durch die Schilddrüse nicht erklärt ist, sollte – wie bei jeder Schwangeren – eine Behandlung mit 200 µg Jodid pro Tag erfolgen, bis in die Stillzeit hinein.

Kennen Sie Kontraindikationen für eine Thyroxin-Behandlung?
Antwort

Wichtigste Kontraindikation ist die subklinische oder klinische Hyperthyreose, daneben Herzrhythmusstörungen.

Kommentar

Kontraindikationen für eine L-Thyroxin-Behandlung:

  • Absolute Kontraindikationen:

    • subklinische oder klinische Hyperthyreose (basales TSH supprimiert)

  • Relative Kontraindikationen:

    • Tachyarrhythmia absoluta

    • Angina pectoris

    • frischer Myokardinfarkt

Was genau ist eigentlich ein Suppressionsszintigramm?
Antwort

Bei einem Suppressionsszintigramm wird über 2 Wochen L-Thyroxin verabreicht; anschließend wird eine Szintigrafie mit 99mTc-Pertechnetat durchgeführt. Eine fehlende Suppression der Aufnahme dieser Substanz spricht für das Vorliegen einer fakultativen Hyperthyreose.

Kommentar

99mTc-Pertechnetat-Suppressionsszintigrafie:

  1. Behandlung mit 150 – 200 µg/d L-Thyroxin über 14 Tage; Alternative: einmalige Gabe von 3 mg L-Thyroxin

  2. anschließend Szintigrafie

  3. eine 99mTc-Pertechnetat-Aufnahme von mehr als 3 % spricht für das Vorliegen einer fakultativen Hyperthyreose

Welchen Vorteil bietet eigentlich der Thyreotropin-Releasinghormon-Test (TRH-Test) gegenüber der alleinigen TSH-Bestimmung in der täglichen Praxis?
Antwort

Keinen.

Kommentar

Die Messung des basalen TSH ist das Standardverfahren zur Screening-Untersuchung auf eine Schilddrüsenfunktionsstörung. Wird eine hochsensitive Testmethode für TSH verwendet, kann auf einen zusätzlichen TRH-Test verzichtet werden.

Merke

Die alleinige TSH-Bestimmung macht den TRH-Test überflüssig.

Sie sagten vorhin, dass bei einem normalen TSH-Wert eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse ausgeschlossen sei. Gibt es wirklich keine Ausnahmen hiervon?
Antwort

Doch, es gibt Ausnahmen.

Kommentar

Normaler TSH-Spiegel trotz Schilddrüsenfunktionsstörung:

  • TSH-produzierender Hypophysentumor mit sekundärer Hyperthyreose

  • Schilddrüsenhormonresistenz

Sie haben bei einer Patientin aufgrund des klinischen Bildes den Verdacht auf eine Hyperthyreose. Sie messen bei dieser Patientin nun ein basales TSH von < 0,05 mU/l. An welche Ursachen einer Hyperthyreose denken Sie?
Antwort

In erster Linie an eine Schilddrüsenautonomie, aber auch an immunogen bedingte Hyperthyreosen, Schilddrüsenentzündungen, Karzinome sowie an seltene Ursachen.

Kommentar

Ursachen der Hyperthyreose:

  • Schilddrüsenautonomie:

    • unifokal („autonomes Adenom“)

    • multifokal

    • disseminiert

  • Immunthyreopathie:

    • Morbus Basedow

    • Hashimoto-Thyreoiditis

  • andere entzündliche Erkrankungen der Schilddrüse:

    • subakute Thyreoiditis de Quervain

  • NPL:

    • Adenome

    • Karzinome

  • TSH- oder TSH-ähnliche Substanzen:

    • Hypophysentumor

    • paraneoplastisch

    • exogene Hormonzufuhr (Thyreotoxycosis factitia)

Das sind ja eine ganze Menge Differenzialdiagnosen. Wie gehen Sie denn jetzt weiter diagnostisch vor bei klinischem Verdacht und supprimiertem TSH?
Antwort

Im Vordergrund steht die Verifizierung der Diagnose einer Hyperthyreose, dann die Ursachenabklärung. Das heißt, zur Primärdiagnostik gehören die Bestimmung des freien T3 und des freien T4 sowie eine Sonografie und Untersuchungen auf Schilddrüsenantikörper. Die weitere Diagnostik richtet sich dann nach der Befundlage.

Kommentar

Diagnostik bei Hyperthyreose:

  1. TSH basal, freies T3, freies T4, Schilddrüsenantikörper

  2. Schilddrüsensonografie

  3. Szintigrafie, nötigenfalls mit Suppressionstest

  4. Punktion suspekter Befunde

Sie bestimmen bei der Patientin ein deutlich erhöhtes fT3 und fT4. Die Antikörperdiagnostik ist unauffällig. Sonografisch sehen Sie multiple echoreiche Areale und haben den Verdacht auf eine multifokale Autonomie. Welches ist die nächste notwendige Untersuchung?
Antwort

Eine Schilddrüsenszintigrafie.

Kommentar

Indikation zur Schilddrüsenszintigrafie:

  • manifeste oder latente Hyperthyreose mit V. a. fokale oder diffuse Autonomie

  • euthyreote Struma mit sonografisch erkennbaren oder tastbaren Knoten

  • Hyperthyreose bei differenzialdiagnostischer Unsicherheit

  • Kontrolluntersuchung nach Radiojodtherapie

Können Sie uns sagen, wie eine Schilddrüsenszintigrafie durchgeführt wird?
Antwort

Ja, Applikation von 99 m Technetium-Pertechnetat (i. v.), anschließende Bestimmung der Radionuklidaufnahme in die Schilddrüse.

Kommentar

Aussagekraft der Schilddrüsenszintigrafie:

  1. Bestimmung von Lage, Form und Größe der Schilddrüse

  2. Bestimmung fokal erhöhter oder erniedrigter Nuklidanreicherung:

    • keine Speicherung: kalter Knoten

    • vermehrte Speicherung gegenüber der Umgebung: warmer Knoten

    • intensive Speicherung gegenüber einem geringer speichernden übrigen Schilddrüsengewebe: heißer Knoten

Können Sie uns auch sagen, was ein kalter, warmer und heißer Knoten bedeuten?
Antwort

Ein kalter Knoten spricht z. B. für eine Zyste oder ein Karzinom, ein warmer und ein heißer Knoten bedeuten Autonomie.

Kommentar

Eine sonografisch auffällige Struktur, die in der Szintigrafie nicht speichert, ist hochgradig karzinomverdächtig.

Sie haben bei einer Patientin eine multifokale Autonomie mit manifester Hyperthyreose diagnostisch gesichert. Wie behandeln Sie diese Patientin?
Antwort

Primär medikamentös, dann sollte eine definitive Therapie angestrebt werden: Radiojodtherapie oder Operation.

Kommentar

Therapie der Hyperthyreose bei Autonomie:

  1. thyreostatische Behandlung bis zur Euthyreose

  2. Operation oder Radiojodtherapie

Aufgrund welcher Kriterien entscheiden Sie denn, ob eine Radiojodtherapie oder eine Operation sinnvoller ist?
Antwort

Allgemein formuliert, ist eine Radiojodtherapie insbesondere sinnvoll bei kleinen Schilddrüsen mit multifokaler oder disseminierter Autonomie sowie bei erhöhtem Operationsrisiko. Demgegenüber steht die operative Therapie vor allem bei großen Schilddrüsen mit Verdrängungserscheinungen sowie bei malignitätsverdächtigen Herden im Vordergrund.

Kommentar

Indikationen zur Radiojodtherapie und zur operativen Therapie:

  • Radiojodtherapie:

    • multifokale oder disseminierte Autonomie

    • kleinere Strumen

    • Rezidiv nach operativer Therapie

    • Basedow-Hyperthyreose

    • Kontraindikation gegen Operation

  • operative Therapie:

    • unifokale Autonomie oder multifokale Autonomie bei großer Struma

    • kalter Knoten

    • Karzinomverdacht

    • Kompressionssymptomatik

    • thyreotoxische Krise

Welche Nachteile hat eine operative Therapie bei Hyperthyreose?
Antwort

Hauptprobleme sind die Rekurrensparese und die Tetanie.

Kommentar

Unerwünschte Folgen nach Schilddrüsenoperation:

  • Rekurrensparese (1 – 3 %)

  • postoperativer Hypoparathyreoidismus

  • postoperative Hypothyreose (bis 50 %)

Merke

Hauptproblem der operativen Therapie bei Hyperthyreose → Rekurrenzparese und Tetanie.

Können Sie uns etwas zur Behandlung der Hyperthyreose bei Autonomie sagen?
Antwort

Eingesetzt werden Carbimazol und Thiamazol sowie Propylthiouracil. Eine weitere therapeutische Möglichkeit ist Perchlorat.

Kommentar

Medikamente bei Hyperthyreose:

  • Thiamazol: hemmt die Neusynthese von T3 und T4

  • Carbimazol: wird bei der Leberpassage in Thiamazol umgewandelt

  • Propylthiouracil (PTU): Anwendung bei allergischen oder toxischen Nebenwirkungen von Thiamazol oder Carbimazol. Cave: PTU kann zu schweren Leberschäden führen.

  • Perchlorat: hemmt die Aufnahme von Jodid in die Schilddrüse

Adaptiert nach: Berthold Block,

Facharztprüfung Innere Medizin,

3000 kommentierte Prüfungsfragen.

5., vollständig überarbeitete Auflage 2017

ISBN 9783 131 359 551