Der Klinikarzt 2018; 47(07): 289
DOI: 10.1055/a-0636-3539
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Medizin und Ökonomie – der Klinik Codex

Achim Weizel
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Publication Date:
17 July 2018 (online)

Ohne eine gesunde Ökonomie ist ein Krankenhaus nicht zu führen. Im Gegensatz zu kommunalen Häusern, bei denen der Träger entstehende Unterdeckungen ausgleicht, sind Häuser in privater Trägerschaft deutlich vulnerabler. Ein deutliches Zeichen hierfür ist die jährlich steigende Zahl von Schließungen oder Übernahmen solcher Häuser durch professionell gemanagte Klinikketten, die Übernahmen machen aber heute auch vor kommunalen Häusern nicht halt.

Inwieweit sich ein Arzt den ökonomischen Zwängen beugt, ist eine individuelle Entscheidung und hängt letzten Endes sowohl von der Durchsetzungskraft des Einzelnen wie auch von der Finanzkraft des Hauses ab.

Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DEGIM) versucht mit ihrem Klinik Codex „Medizin vor Ökonomie“ primär ihren Mitgliedern, aber im weiteren Sinne allen Klinikärzten, einen Leitfaden an die Hand zu geben, der bei Entscheidungen vor Ort hilfreich sein kann. Im Codex wird postuliert, „dass wir eine angemessene und wirksame Versorgung der Patienten stets unter dem uneingeschränkten Vorrang der medizinischen gegenüber ökonomischen Überlegungen planen und durchführen werden.“ Dieser Forderung kann vernünftigerweise niemand widersprechen. Was allerdings fehlt, sind Vorschläge, wie die Finanzierung aussehen kann.

Es ist eine Illusion, dass die Ärzte nur der medizinischen Notwendigkeit gehorchen. Gerade im klinischen Alltag sind die Ärzte häufig Zwängen unterworfen, die mit den rein medizinischen Aspekten der Behandlung erstmal nichts zu tun haben. Patienten, Angehörige und Kostenträger nehmen die Ärzteschaft mehr und mehr wegen tatsächlicher und vermeintlicher Fehler in die Mangel. Hier werden dann aus „juristischen Gründen“ medizinische Leistungen eingefordert und Kosten verursacht, die häufig unnötig sind. Eine Versorgung wie sie das Gesetz vorsieht besteht darin, dass das Notwendige gemacht wird. Alleine dieser Anspruch liegt weit unter dem, was ein verantwortlicher Arzt gerne machen will und ein aufgeklärter Patient verlangt.

Die Nabelschau auf den Konflikt Ärzte und Ökonomen in den Kliniken ist kurzsichtig. Kein vernünftiger Ökonom wird von den Ärzten unterdurchschnittliche Medizin verlangen. Das momentane System produziert jedoch auf allen Seiten Verlierer. Eine ehrlichen Diskussion, was finanziert werden kann und soll, tut Not. Die Situation des internen Konfliktes lenkt vom eigentlichen Problem, der Forderung nach Spitzenmedizin zu Dumpingpreisen, ab.

Im Codex wird auch gefordert, dass sich besonders junge Ärzte mit den kaufmännischen Geschäftsleitungen „unter Verwendung fachlich-medizinischer, patientenorientierter und ethischer Argumente“ auseinandersetzen.

Hier liegt das Kernproblem. Ein Klinikhaushalt ist ein außerordentlich komplexer Bereich, der von vielen Faktoren beeinflusst wird (Bundes- und Landesgesetzgebung, Leistungen des Vorjahres als Messlatte für die Vereinbarung des Budgets mit den Krankenkassen für das laufende Jahr, Entscheidungen des GBA, Landesbasisfallwert…). Eine Diskussion darüber setzt eine Vertrautheit mit den wirtschaftlichen Bedingungen eines Krankenhaus voraus, die bei Chefärzten der jetzigen Generation vorhanden sein sollte. Wenn möglich sollten auch junge Ärzte mit den kaufmännischen Gegebenheiten eines Krankenhaus vertraut gemacht werden, was durch Transparenz vonseiten der Krankenhausleitung geschehen kann.

Ebenso muss erwartet werden, dass die Krankenhausleitung zumindest über ein Basisverständnis medizinischer Abläufe verfügt. Doppelspitzen mit einem kaufmännischen und einem medizinischen Leiter sind daher wünschenswert, sodass auf der Faktenebene ein gegenseitiges Verständnis herrscht. Erst wenn eine Diskussion „auf Augenhöhe„ möglich ist, können Lösungen gefunden werden, die sowohl den finanziellen Bedürfnissen des Trägers, wie auch den medizinisch-ethischen Ansprüchen der Ärzte gerecht werden. Rein emotionale Argumente auf der Ärzteseite und ein unflexibles, nur an wirtschaftlichen Gegebenheiten orientiertes Verhalten der Verwaltung haben schon manche Klinik in finanzielle Schieflagen oder zur Aufgabe gebracht.