Gesundheitswesen 2018; 80(08/09): 677
DOI: 10.1055/a-0658-2744
Leserbrief
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Josef Weigl
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Publication History

Publication Date:
03 September 2018 (online)

DOI: Leserbrief zum Beitrag: Weigl J. Das Plöner Modell zur Schuleingangsuntersuchung ist richtungsweisend für die Zukunft. Das Gesundheitswesen 2017; DOI: 10.1055/s-0043-118477

Erwiderung zum Leserbrief: Ellsäßer G, Trost-Brinkhues G. Schulärztliche Untersuchung aller Kinder und keine Selektion. Gesundheitswesen 2018; 80: 675

Danke für die Darlegung ihrer Missverständnisse und den Anlass diese nochmals klarzustellen: Durch den 4-stufigen Filter werden Schulanwärter mit Förder- und Beratungsbedarf vorhersage- und zielsicher identifiziert (16–19% in 2013–2016). Für diese Kinder aber, die via Signal im 4-stufigen Filter auch noch ärztlich untersucht werden (28–41%), steht dann durch eben die mit dem Plöner Modell erreichte Effizienzsteigerung erheblich mehr Zeit zur Verfügung, eben gerade auch für das Gespräch und die Beratung der Eltern. Somit werden je Jahrgang ca. 20% Kinder mehr ärztlich untersucht als schließlich als förderbedürftig diagnostiziert werden (Überhang oder „Puffer“). Das heißt, diesen Kindern mit mindestens einem Signal im Filter, wird nach der ärztlicher Untersuchung dennoch keine Förderung verordnet, weil die Kinderärztin im Gespräch mit den Eltern und in der epikritischen Betrachtung zu einem andern Schluss kommt. Der Prozentsatz an förderbedürftigen Kindern in Plön liegt genau im Landesdurchschnitt Schleswig-Holsteins. Unseres Wissens entging in fünfzehn Jahren keinem Kind eine notwendige Förderung und die Eltern und Schulen waren zufrieden.

Die Kompetenz und die Zuneigung unserer nicht-ärztlichen Mitarbeiterinnen kommen im Plöner Modell noch mehr zum Tragen als sonst schon im KJGD. Die nicht-ärztlichen Mitarbeiterinnen aber pauschal in Misskredit zu bringen sowohl in Sachen fachlicher Kompetenz als auch Vertrauenswürdigkeit bezüglich Datenschutz ist allerdings schon sehr bedenklich. Weder niedergelassenen Ärzten noch Krankenhäusern käme derartiges in den Sinn. Die schulärztlichen Aufgaben werden von Teams bestritten, die unter ärztlicher Aufsicht stehen, wie in den anderen Bereichen des Gesundheitswesens auch.

Ich reklamiere für mich den Willen, das Öffentliche Gesundheitswesen in Deutschland in seiner Wissenschaftlichkeit zu stärken. Zu dieser gehört eben die akademisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung im fachlichen Wettstreit mit dem Gegenüber. Diese Freiheit ist ein großer Wert an sich und alle sollten dazu beitragen, eben diesen Wert zu erhalten und uns freizumachen von der politischen Ebene. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.

Die PISA Ergebnisse in den beiden südlichen Bundesländern mit ihrem hoch-selektiven Vorgehen widersprechen den Kritikerinnen in besonderer Weise; ebenso das Vorgehen und die Ergebnisse in anderen Ländern von Skandinavien bis Australien.

Bei meinem ersten BVÖGD Kongress in Magdeburg 2014 hörte ich mehrfach den Satz von Machiavelli: „Wer Neues schaffen will, hat alle zu Feinden, die aus dem Alten Nutzen ziehen“. Im Öffentlichen Gesundheitswesen in Deutschland scheint dieser Satz bisweilen zuzutreffen. Allerdings werden die Stimmen in Deutschland rund um evidenz-basiertes Public Health und Effizienz, und eben auch rund um die Schuleingangsuntersuchung, lauter. Die Zeit wird/muss es zeigen.