Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2019; 14(03): 323-336
DOI: 10.1055/a-0670-2373
Recht und Begutachtung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Medizinische Begutachtung nach Unfällen

Ruprecht Beickert
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Publication Date:
29 May 2019 (online)

Ohne Kenntnis der wichtigsten Grundsätze des Sozialgesetzbuches VII der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV), der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) der Privaten Unfallversicherung (PUV) und der Rechtsnormen des Haftpflichtrechts ist die sachgerechte Erstattung eines Gutachtens nicht möglich. Dieser Beitrag soll die Grundlagen der Begutachtung nach Unfällen für das Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie vermitteln.

Kernaussagen
  • Grundlage der Entschädigung bei Personenschäden nach Unfällen sind medizinische Gutachten, die den Zustand der Verletzungsfolgen beschreiben und bewerten. Die Kernaufgabe des Gutachters ist die körperliche Untersuchung und Dokumentation der unfallbedingten Funktionsausfälle.

  • Die Frage, ob das Unfallereignis tatsächlich zu einer Verletzung geführt hat, stellt sich immer bei bestimmten Stützgeweben, die in hohem Maße Texturstörungen (Gewebeschwächung, erhöhte Verletzbarkeit) aufweisen können:

    • Bandscheibe,

    • Meniskus,

    • Supra-/Infraspinatussehne der Schulter.

  • Fragen des Ursachenzusammenhangs stellen sich in der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) und der Privaten Unfallversicherung (PUV). Die Kausalitätsregeln sind strikt einzuhalten. In beiden Versicherungszweigen sind Ursachenanteile zu ermitteln, wenn neben dem Unfall andere Ursachen für den Eintritt der Verletzung in Frage kommen.

    • In der PUV wird der Mitwirkungsanteil (grob) bestimmt.

    • In der GUV ist in der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung nicht allein auf die „Conditio sine qua non“-Formel abzustellen, sondern die naturwissenschaftliche (natürliche) Ursache zu ermitteln. Dies geschieht durch eine Bewertung der Anknüpfungstatsachen, ob diese mehr für oder mehr gegen ein Überwiegen des unfallbedingten Ursachenanteils sprechen.

  • Liegen Verletzungsfolgen an mehreren Körperregionen und in verschiedenen medizinischen Fachgebieten vor, ist eine integrierende Gesamtschau zur Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in der GUV und bei der Haftpflichtversicherung erforderlich. In der GUV ist der „allgemeine Arbeitsmarkt“, bei der Haftpflichtversicherung die konkrete berufliche Tätigkeit für die Höhe der Entschädigung maßgebend.