Suchttherapie 2018; 19(04): 209
DOI: 10.1055/a-0715-0853
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Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin e. V.

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Publication Date:
05 November 2018 (online)

Die Nordamerikanische Überdosiskrise und ihre Bedeutung für Europa

Die Entwicklung in Nordamerika ist an Dramatik kaum zu übertreffen! 1422 Tote durch Opiatüberdosierung in der kanadischen Provinz British Columbia (BC) – alleine im Jahre 2017. Mehr Tote durch Überdosierung in einer Provinz mit 4,5 Mio. Einwohnern, als in der Bundesrepublik Deutschland mit ca. 84 Mio. Einwohnern. Sowohl in den USA wie in Kanada senkt diese Entwicklung die Lebenserwartung in dieser Altersgruppe generell. Das führte dazu, das BC und die USA einen „Public Health Emergency“ erklärt haben. Die Diskussionen um Ursachen und Gegenstrategien waren bis heute wenig erfolgreich, es gibt keine Anzeichen für eine positive Wende und den Erfolg der ergriffenen Maßnahmen – im Gegenteil: die Todesfälle steigen weiter.

Im Wesentlichen werden 2 Perspektiven diskutiert. Die Perspektive des erhöhten Risikos durch die Kontamination von Straßendrogen durch synthetische Opioide wie Fentanyl. Die hohe Potenz von Fentanyl erhöht das Risiko einer Überdosis und deren tödlichen Ausgang um ein Mehrfaches. Die Perspektive eines gescheiterten Hilfesystems in Nordamerika im Lichte erhöhten Risikos ist die andere Option mit allerdings schwerwiegenden Konsequenzen. Die Substitutionsrate in beiden Ländern liegt unter 20% der Opiatabhängigen und die Retention in Behandlung ist mit 30% im ersten Jahr gering. Beide Entwicklungen zusammen ergeben die tödliche Mischung, aber die Handlungsmöglichkeiten liegen heute fast nur im Hilfesystem.

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Foto: Prof. Michael Krausz, Vancouver BC

Was heißt das für die Situation in Europa? Verglichen mit der Situation in Nordamerika gibt es keine Krise in Deutschland, der Schweiz oder Österreich. Aber es gibt viele Risikofaktoren für ein erneutes Anwachsen der Drogentoten, wie wir sie in den Achtzigern und Neunzigern erleben mussten. Der dramatische Anstieg von Drogentoten 2011 in Lettland hat daran erinnert. Was könnten Konsequenzen sein:

  1. Die Entwicklung in den USA und Kanada intensiv zu verfolgen und aktiv bei der Bewältigung zu helfen soweit dies geht.

  2. Dem Konsum von hochpotenten Opioiden vorzubeugen und Risikofaktoren zu identifizieren. Früherkennung und Frühintervention sind die beste Prävention.

  3. Das Hilfesystem weiterzuentwickeln und an die Herausforderung in Europa anzupassen z. B. durch Drug-Checking, die Ausweitung und qualitative Entwicklung des Behandlungssystems z. B. durch neue Substitutionsmodelle und Substanzen und die Integration von Notfalltraining und Vorbereitung (mit Naltrexone Kits), um nur einige Beispiele zu nennen.

Prof. Michael Krausz, Vancouver, Kanada