Rehabilitation (Stuttg) 2019; 58(01): 7-11
DOI: 10.1055/a-0825-8486
Recht – Meinung – Management
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Wunsch- und Wahlrecht, insbesondere bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

Rolf Buschmann-Steinhage
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Publication Date:
15 February 2019 (online)

Wenn Menschen eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Anspruch nehmen wollen, haben sie oft mehr oder weniger genaue Vorstellungen, in welcher Einrichtung sie das tun wollen und wie die Rehabilitation konkret vonstattengehen soll. Auf Beides haben sie Einfluss, zu Beidem können sie Wünsche äußern. „Wünsche sind grundsätzlich alle von den Leistungsberechtigten geäußerten oder anderweitig deutlich gemachten Präferenzen und Vorstellungen in Bezug auf die Leistung zur Teilhabe“. (Welti in [9], S. 108).

Dieses Wunsch- und Wahlrecht hat seine Rechtsgrundlage in § 8 SGB IX (bis 2017 als § 9 SGB IX):

„(1) Bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe wird berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen. Dabei wird auch auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht genommen; im Übrigen gilt § 33 des Ersten Buches (…).

(3) Leistungen, Dienste und Einrichtungen lassen den Leistungsberechtigten möglichst viel Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände und fördern ihre Selbstbestimmung.

(4) Die Leistungen zur Teilhabe bedürfen der Zustimmung der Leistungsberechtigten“.

§ 8 SGB IX konkretisiert die Regelung in § 33 Satz 2 SGB I, wonach den Wünschen des Berechtigten entsprochen werden soll, soweit sie angemessen sind. Ob „angemessen“ hier dasselbe bedeutet wie „berechtigt“ oder ob angemessene Wünsche auf jeden Fall berechtigt sind (aber nicht umgekehrt) kann offen bleiben – für die Rehabilitation sind jedenfalls die berechtigten Wünsche entscheidend.

Das Wunsch- und Wahlrecht im SGB IX soll die Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Leistungsberechtigten stärken, ganz im Einklang mit der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Es soll gleichzeitig die Motivation der Rehabilitanden fördern und darüber auch die Wirksamkeit der Teilhabeleistungen.

Solch ein Wunsch- und Wahlrecht ist notwendig, weil im Übrigen – z. B. in der Rentenversicherung – der Reha-Träger „im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen“ bestimmt (§ 13 Abs. 1 SGB VI, ähnlich für die Krankenversicherung § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB V und für die Unfallversicherung § 26 Abs. 5 Satz 1 SGB VII; für die Sozialhilfe vgl. §§ 9, 13 SGB XII). Anders ist es bei einer Krankenhausbehandlung. Dort bestimmt die Krankenkasse nicht, in welchem Krankenhaus der/die Leistungsberechtigte behandelt wird (es kann allerdings sein, dass Mehrkosten zu tragen sind, wenn ein anderes Krankenhaus aufgesucht wird, als in der ärztlichen Einweisung genannt wurde, § 39 Abs. 2 SGB V).

Berechtigte Wünsche muss der Reha-Träger erfüllen. Gleichzeitig ist er aber auch verpflichtet, sein Ermessen richtig auszuüben: „In diesem Zusammenhang besteht ein Rechtsanspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens unter Würdigung von Wünschen, nicht auf Erfüllung jeglicher Wünsche und Vorstellungen. Lediglich die Nichtberücksichtigung berechtigter Wünsche macht eine Leistungsentscheidung ermessensfehlerhaft“ [7].

 
  • Literatur

  • 1 Banafsche M. Personalisierung: Wunsch- und Wahlrecht. Am Beispiel der Teilhabe am Arbeitsleben. Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes e. V. (SDSRV), Band 66. Berlin: Erich Schmidt Verlag; 2016: 157-193
  • 2 Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR) . Rehabilitation – Vom Antrag bis zur Nachsorge – für Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten und andere Gesundheitsberufe. Berlin: Springer; 2018
  • 3 Deinert O, Neumann V. Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Handbuch SGB IX. Baden-Baden: Nomos-Verlag; 2. Aufl 2009
  • 4 Deinert O, Welti F. Stichwortkommentar Behindertenrecht. 2. Aufl Baden-Baden: Nomos-Verlag; 2018
  • 5 Deutsche Rentenversicherung Bund . Hrsg Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung. Berlin: 2007
  • 6 Deutsche Rentenversicherung Bund . Hrsg Arbeitsbuch Reha-Ziele: Zielvereinbarungen in der medizinischen Rehabilitation. Berlin: 2015
  • 7 Deutsche Rentenversicherung Bund, Hrsg. Gemeinsame rechtliche Anweisungen der Deutschen Rentenversicherung zu § 8 SGB IX und § 13 SGB VI.http://rvrecht. deutsche-rentenversicherung.de/Raa/ Menu.do?select = Sozialgesetzbuch 0 Raa Stand: 12.12. 2018
  • 8 Deutsche Rentenversicherung Bund . Hrsg. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Rahmenkonzept der Deutschen Rentenversicherung. Berlin: 2018
  • 9 Lachwitz K, Schellhorn W, Welti F. Handkommentar zum Sozialgesetzbuch IX. Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Köln: Luchterhand; 3. Aufl 2010
  • 10 Pohontsch N, Raspe H, Welti F. et al. Die Bedeutung des Wunsch- und Wahlrechts des § 9 SGB IX für die medizinische Rehabilitation aus Sicht der Rehabilitanden. Rehabilitation 2011; 50: 244-250
  • 11 Pohontsch N, Welti F, Raspe H. et al. Das Wunsch- und Wahlrecht des § 9 SGB IX bei der Beantragung einer medizinischen Rehabilitation: Ergebnisse eines regionalen Surveys unter Versicherten der Gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung. Das Gesundheitswesen 2013; 75: 440-447
  • 12 Ramm D, Bendig S, Welti F. Das Wunschund Wahlrecht (§ 9 SGB IX) in der medizinischen Rehabilitation – Ergebnisse von Experteninterviews. Diskussionsbeitrag A7/2011 im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht, 2011 (www.reharecht. de)
  • 13 Welti F. Wunsch- und Wahlrecht bei Leistungen zur Teilhabe – neue und alte Rechtsfragen. Diskussionsbeiträge D19 und D20/2015 im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht, 2015 (www.reharecht. de)