Zeitschrift für Palliativmedizin 2019; 20(02): 66-68
DOI: 10.1055/a-0847-4372
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Doppelkopf: Henrikje Stanze und Daniel Stanze

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Publication Date:
22 February 2019 (online)

Henrikje Stanze

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Zur Person

Henrikje Stanze hat von 2001 – 2004 ihre Ausbildung zur exam. Gesundheits- und Krankenpflegerin in Wilhelmshaven absolviert. Anschließend studierte sie von 2004 – 2009 an der Universität Bremen „Pflegewissenschaft, Deutsch als Unterrichtsfach und Erziehungswissenschaft“ und schloss mit dem 1. Staatsexamen für Berufsschullehramt sowie dem akademischen Grad der Diplom-Berufspädagogin ab. Im Jahr 2009 – 2010 arbeitete sie in der Firma Kadenbach Coaching als Assistentin der Geschäftsleitung und führte selbstständig Seminare durch. 2010 begann sie an der Pflegeschule der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) als Lehrerin zu arbeiten. 2012 reduzierte sie ihre Tätigkeit dort und arbeitete zudem am Institut für Allgemeinmedizin der MHH als Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Nils Schneider. Dort promovierte sie im Bereich Humanbiologie. 2015 begann sie an der Universitätsmedizin Göttingen in der Klinik für Palliativmedizin bei Prof. Dr. Friedemann Nauck als Wissenschaftliche Mitarbeiterin zu arbeiten. Im Rahmen dieser Tätigkeit implementiert sie aktuell „Behandlung im Voraus Planen“ in der Stadt Göttingen und der Region. Darüber hinaus übernimmt sie Aufgaben in der Lehre und Forschung.

Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätigkeitsfeld?

Es begann damit, dass eine Kollegin an der Pflegeschule mir von einer Stellenausschreibung zur Durchführung eines Forschungsprojekts am Institut für Allgemeinmedizin erzählte. Da mein Studienabschluss es mir ermöglicht, sowohl pädagogisch als auch wissenschaftlich arbeiten zu können, bewarb ich mich bei Prof. Dr. Nils Schneider. Die Studie mit Lungenpatienten am Lebensende, für die diese Stelle ausgeschrieben war, war ein Kooperationsprojekt mit der Klinik für Palliativmedizin der Universitätsmedizin Göttingen unter der Leitung von Prof. Dr. Friedemann Nauck. Es war der Startschuss meiner wissenschaftlichen Laufbahn. Als das Drittmittelprojekt am Institut für Allgemeinmedizin auslief, begann ich an der Klinik für Palliativmedizin in Göttingen zu arbeiten. An der Seite von Herrn Nauck implementiere ich seit 2015/2016 „Behandlung im Voraus Planen (BVP)“. Das Projekt weckte von Beginn an mein Interesse, da es mit seinen Facetten mein wissenschaftliches, pädagogisches, medizinisches sowie pflegefachliches Wissen fordert und mir neue Wege des Wissenserwerbs eröffnet.

Was wäre für Sie die berufliche Alternative?

Da muss ich gar nicht lange nachdenken: Schriftstellerin. Ich bin eine Zeit lang auf Poetry Slams und Lesebühnen aufgetreten und mache dies auch manchmal noch, wenn es meine Zeit zulässt. Ich habe unendlich viele Ideen, aber leider zu wenig Zeit, um diese auf Papier zu bringen. Vielleicht kann ich irgendwann ein weiteres Buch veröffentlichen, das wäre wunderbar.

Wie beginnen Sie Ihren Tag?

Die Frage sollte eher lauten: WER beginnt meinen Tag? Seitdem ich einen Sohn habe, bestimmt dieser mit unermüdlichem Engagement, wann sein und somit auch mein Tag beginnt. Dementsprechend beginnt mein Tag mit: hochschrecken, realisieren, durchatmen, Augen reiben, an Palmen und Sonne denken, en bloc aus dem Bett drehen, Puschen anziehen, aufstehen, Kind hochnehmen, sich den Oberschenkel am Bettpfosten stoßen (ich werde es wohl nie lernen), Wasserkocher anstellen, Gähnen, Brei zubereiten, Brei geben, Brei aus den Haaren und Stuhlritzen fummeln, müde und überglücklich das Kind anstarren.

Leben bedeutet für mich …

… dankbar und demütig auf das zu blicken, was ich habe. Durch meine frühe Begegnung mit der Palliativmedizin habe ich sehr früh erkannt, wie viel ich geschenkt bekommen habe und dass ich dieses Geschenk immer wieder bewusst mit voller Konzentration betrachten muss. Ich habe mir angewöhnt, morgens immer mal die Worte an mich zu richten: Danke dafür, meine Familie und mich gesund und glücklich zu sehen und danke, dieses Leben gemeinsam SO leben zu dürfen. Dies mache ich nicht nur, wenn ich den wunderschönen Sonnenaufgang betrachte, sondern wenn ich meine Zähne putze oder durch einen gefühlten Monsun in Dunkelheit und Kälte mit unserem Hund spazieren gehe. Und schon ist es egal, wenn ich danach am Hauptbahnhof von den Menschen um mich herum „vorangerempelt“ werde und mir schlechte Laune entgegen schwappt.

Sterben bedeutet für mich …

… die Frage nach dem Sinn unseres Daseins. Ich würde wirklich gern mal Mäuschen im Jenseits spielen und dann mit diesem Wissen im Diesseits weiterleben. Ich selbst finde den Gedanken auf dem Sterbebett zu liegen schon sehr schwierig, da ich nicht weiß, wann dieser Zeitpunkt kommen wird. Ich sehe es ähnlich wie es die Geschichte in dem Film „Big Fish“ erzählt, als die kleinen Jungs im Auge der Hexe ihren eigenen Tod sehen. Die einen beruhigt es, die anderen lässt es ängstlich leben. Vielleicht würde es mich beruhigen, wenn ich als Mäuschen mal ins Jenseits gucken könnte, vielleicht würde es mich ängstigen. Ich weiß nur, ich darf glauben, woran ich immer glauben möchte und ich lasse mir diesen Glauben von niemand nehmen. Alle können mir gern darüber etwas erzählen, was im Gehirn vorgeht und dass Nahtoderfahrungen alles kein Blick ins „Danach“ sind, sondern ein Resultat eines Abbauprozesses. Mir egal! Vor der Geburt war etwas da und nach dem Tod wird auch etwas sein. Eins ist jedoch Fakt: sollte danach wirklich nichts Aufregendes kommen, bin ich verdammt enttäuscht!

Welches Ziel möchten Sie unbedingt noch erreichen?

Mein Ziel ist, mit meiner Familie noch viel Zeit verbringen und Leben kosten zu dürfen. Ansonsten würde ich gerne mal mit meinem Bruder ein berufliches Projekt zusammen machen. Wir beide sind irgendwie Entertainer und vielleicht wäre eine Seminarreihe denkbar – ich weiß es nicht, ich träume gerade ein bisschen.

Meine bisher wichtigste Lernerfahrung im Leben ist …

… mein Motivationssatz „Plan umsetzen, Rikje sein“. Es gab eine Zeit in meinem Leben, da schwamm ich orientierungslos umher. Nichts Weltbewegendes, aber als 27-Jährige löste dieser Zustand tiefe Emotionen in mir aus. Meine Tante war diejenige, die mir so wunderbar gezielte Fragen stellte, durch die mir klar wurde, was ich denn von mir eigentlich will. Ich will „ich“ sein und auf meine innere Stimme hören. Es hat in einigen Lebenslagen sehr gut geklappt, weswegen ich nicht viele Pläne mache, sondern das Leben zu mir sprechen lasse. Ich schenke dem Leben Gehör. Das ist super und ich kann das jedem nur empfehlen.

Was würden Sie gern noch lernen?

Mandarin. Kann in der Entwicklung der Welt nur von Vorteil sein.

Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?

Meine Familie und meine Freunde sind ein sicherer Hafen für mich. Doch auch meine Kolleginnen und Kollegen, d. h. die in der Wissenschaft, in der Akademie als auch in der Klinik in Göttingen, unterstützen mich sehr in besonderen beruflichen Situationen und einige haben mich gar in schwierigen Momenten aufgefangen. Eine beidseitige Unterstützung zu wissen, ist sehr motivierend für mich.

Mit wem aus der Welt- oder Medizingeschichte würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, ich hätte mich gern mal mit Helmut Schmidt unterhalten, jedoch nur, wenn er unter einer Dunstabzugshaube gesessen hätte. Ich fand ihn faszinierend und seine direkte Art sympathisch. Vielleicht könnte ich dann auch besser verstehen, wieso die Autoindustrie in Deutschland sich so viel erlauben darf ohne jegliche Konsequenzen fürchten zu müssen und wieso im Gesundheitssystem häufig der „Mut zur Lücke“ fehlt.

Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich …

… vorerst testen, ob ich unbekleidet durch die Gegend laufen müsste und dann frieren würde. Sollte ich nicht frieren, würde ich versuchen schnell einen Flieger zu kriegen, damit ich mich bei Xi Jinping reinschleichen könnte. Ich möchte gern wissen, was die Chinesen alles schon geplant haben, wovon wir alle noch nichts wissen.

Wie können Sie Daniel beschreiben?

Ich kenne ihn ziemlich gut. Als Kinder haben wir viel zusammen gemacht und Daniel hat mich, seine kleine Schwester, ganz geduldig überall mit hingenommen. Er ist ein Mensch, auf den ich mich immer verlassen kann, der mir meinen Rücken stärkt, wenn ich dies brauche. Als er mit dem Medizinstudium begann, hatte ich immer Respekt vor seinem Ehrgeiz und seinem unbezwingbaren Durchhaltevermögen – das ist heute noch so. Sein Sternzeichen ist sein Motto: er hat ein Löwenherz. Er ist Daniel in der Löwengrube: er ist treu und gewissenhaft. Er ist mein bester Freund!

Wie beenden Sie Ihren Tag?

Einatmen, ausatmen und während ich ins Bett falle, schlafe ich bereits. Zumindest sagt es so mein Mann.

Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind?

Was ist ihr Lieblingszitat?
„Der Körper schläft, doch die Seele ist wach!“ Es stammt aus dem Buch „Also sprach Zarathustra“ von Friedrich Nietzsche und beantwortet meiner Meinung nach, wieso Menschen denken, sie haben die ganze Nacht nicht geschlafen, obwohl Außenstehende klar beobachtet haben, dass sie geschlafen haben.