Der Nuklearmediziner 2019; 42(03): 172-173
DOI: 10.1055/a-0916-6196
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schilddrüse – Update 2019

Thyroid – Update 2019
Norbert Czech
Zentrum für Nuklearmedizin und PET/CT, Bremen
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Publication Date:
03 September 2019 (online)

Die nuklearmedizinische Schilddrüsendiagnostik und -therapie ist ein zentraler Bestandteil der modernen Patientenversorgung. Neben der Sonografie und Laborwerten kommen die Szintigrafie und Feinnadelpunktion zum Einsatz. Der große Bedarf an diesen qualitativ hochwertigen Untersuchungsverfahren zur Abklärung von Schilddrüsenknoten ist ungebrochen. Dieser Umstand ist nicht zuletzt durch die Sensitivitäten, aber auch durch die stetige Verbesserung der Spezifität im Rahmen der SPECT- oder SPECT/CT-Bildgebung mit radioaktiv markierten Biomolekülen begründet. Insbesondere der wachsenden Wertigkeit der Feinnadelbiopsie wird durch neuartige Punktionsverfahren und Aufbereitung der Biopsate Rechnung getragen (unter Berücksichtigung der aktuellen Hygienerichtlinie), aber auch der anschließenden pathologischen Differenzierung der Präparate ist Beachtung zu schenken. Eine aktuelle WHO-Klassifikation mit einer neuen Unterteilung der malignen und benignen Schilddrüsentumoren unter Nutzung morphologischer und molekularpathologischer Kriterien hat Einzug gehalten. Neben Neoplasien mit unsicherem Malignitätspotential wird auch eine Subgruppe mit indolentem biologischen Verhalten definiert.

Dem nicht invasiven Basisdiagnostikum, der Schilddrüsensonografie, kommt auch zukünftig eine zentrale Bedeutung zu: durch Etablierung strukturierter, standardisierter Untersuchungsabläufe soll eine hohe diagnostische Genauigkeit erreicht und die Rate an unnötigen Feinnadelbiopsien und Operationen minimiert werden, ohne Malignome zu übersehen.

Langfristig ist das Ziel interdisziplinärer Forschung, neue Therapiekonzepte für Schilddrüsenpathologien und schilddrüsenhormonabhängige Erkrankungen zu entwickeln. Dazu muss zunächst grundlagenwissenschaftlich, translational und klinisch orientiert die Schilddrüsengesundheit definiert werden, um dann therapeutische Ansätze beschreiben zu können. Nach schilddrüsenspezifischer Diagnosestellung schließen sich häufig medikamentöse Standardbehandlungen an. Hierzu zählt insbesondere die T4-Hormonsubstitution. Dennoch klagen nicht wenige Patienten über persistierende klinische Beschwerden, sodass in Einzelfällen eine kombinierte hormonelle Substitution diskutiert wird. Werden in der knotenorientierten Schilddrüsentherapie die Hyperthermie in Form von fokussiertem Ultraschall oder einer Radiofrequenztechnik eingesetzt, müssen diese Verfahren gegen die sehr guten, evaluierten Therapieergebnisse der etablierten Radioiodtherapie oder Schilddrüsenoperation bestehen. Die Radiofrequenzablation zeigt eine hohe Effektivität in der Volumenreduktion von Schilddrüsenknoten und scheint eher für größere benigne Schilddrüsenknoten geeignet zu sein. Die Echopulsetherapie ist nicht invasiv, verursacht kaum Nebenwirkungen und zeigt möglicherweise ein breiteres Indikationsspektrum, das auch über die Knotenproblematik hinausreicht.

Die Prävalenz der Osteoporose rückt in einer alternden Gesellschaft aufgrund der durch sie verursachten Morbidität und Mortalität zunehmend in den Fokus. Gerade vor dem Hintergrund, dass sich bei endogener und exogener TSH-Suppression beim Erwachsenen die Knochendichte vermindert und das Frakturrisiko steigt, sollte der behandelnde Schilddrüsenexperte dies im Auge behalten. Im Kindesalter führt die Schilddrüsendysfunktion zu einer verminderten Knochenqualität. Endogene Hyperthyreosen im Erwachsenalter treten gelegentlich zusammen mit einer behandlungsbedürftigen endokrinen Orbitopathie auf. Dennoch wird die hier einsetzbare, hochwirksame, nebenwirkungsarme perkutane Strahlentherapie zunehmend weniger indiziert. Daher sollte sich der versierte Therapeut mit der Indikationsstellung, dem Vorgehen und den möglichen Nebenwirkungen dieses Therapieverfahrens auseinandersetzen.

Zu guter Letzt darf ein medizinhistorischer Rückblick nicht fehlen: die überaus anregende Geschichte der Entdeckung der Nebenschilddrüsen, deren Bedeutung und die daran beteiligten Akteure im Spiegel ihrer Zeit.

Zusammenfassend weist die interdisziplinär ausgerichtete Nuklearmedizin ein umfassendes hochmodernes Instrumentarium in der Detektion sowie Therapie von schilddrüsenbezogenen Erkrankungen auf und bietet damit die Möglichkeit, die geforderte „personalisierte“ Medizin für den einzelnen Patienten umzusetzen. Letztendlich werden die Lebensqualität verbessert und gleichzeitig die Gesundheitskosten gesenkt. Diese Erkenntnis ist für den innovativen Nuklearmediziner nichts Neues, erfordert aber eine ständige Bereitschaft neue Erkenntnisse tatkräftig umzusetzen.