Der Klinikarzt 2019; 48(07): 265
DOI: 10.1055/a-0945-2085
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Jens Spahn gibt Gas

Achim Weizel
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Publication Date:
13 August 2019 (online)

Am 10. Juli 2019 wurde vom Kabinett das „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ beschlossen. Das Gesetz soll 2020 in Kraft treten. Dieses Gesetz wird von Gesundheitsminister Jens Spahn in allen Medien intensiv propagiert. Nach der Sanktionierung von Telemedizin (Arzt kennt Patient) und Fernbehandlung (Arzt und Patient kennen sich nicht) erfolgt nun ein weiterer Schritt in Richtung Digitalisierung der Medizin.

Im erwähnten Gesetz werden Apotheken und Krankenhäuser verpflichtet, sich bis spätestens 2021 der Telematik-Infrastruktur anzuschließen, in der die am Gesundheitsmarkt Beteiligten in der Lage sein werden, sich papierlos zu vernetzen. Ärzte, die sich nicht anschließen wollen, müssen ab Mitte 2019 einen Honorarabzug in Kauf nehmen. Am Ende der Entwicklung soll dann 2021 die seit vielen Jahren immer wieder angekündigte, und bisher nie umgesetzte, elektronische Patientenakte eingeführt werden, auf der alle medizinischen Daten des Patienten gespeichert sind.

Völlig neu an dem Gesetz ist, dass es dem Arzt erlaubt, dem Patienten Gesundheits-Apps für das Handy zu verschreiben, die die Kassen bezahlen. Die Anbieter müssen ihre Apps beim BfArM anmelden. Dort werden sie auf Sicherheit, Datenschutz, Transparenz und Nutzerfreundlichkeit geprüft. Fällt die Prüfung positiv aus, kann der Hersteller seine App ein Jahr lang zu einem von ihm bestimmten Preis anbieten Nach Ablauf eines Jahres müssen die Hersteller nachweisen, dass das Angebot „positive Effekte für die Versorgung der Patienten hat“ und können dann mit den Kassen über eine Erstattung verhandeln. Der Markt dieser Apps ist heute schon unüberschaubar. Ihre Sinnhaftigkeit haben „Pollen-Apps“ bewiesen, die Allergiker auf Gefahren hinweisen. Erfolgreich eingesetzt werden Apps bei Diabetes, Migräne, bei pathologischen Hautveränderungen und bei Depressionen. In der Regel können die Daten mit dem IT-System des behandelnden Arztes verbunden werden, sodass der Arzt auf jeden Fall eingebunden ist.

Die auf Künstlicher Intelligenz basierende erfolgreichste App ist die in Berlin entwickelte App Ada mit 7 Millionen Usern und einer multinationalen Verbreitung, bei der aufgrund der eingegebenen Symptome keine Diagnosen sondern Informationen über die Wahrscheinlichkeit einer vorliegenden Erkrankung gestellt werden und ob zusätzlich ein Arztbesuch angezeigt ist. Die Techniker Krankenkasse hat inzwischen ihren Versicherten diese App zur Verfügung gestellt. Diagnose und Therapie müssen aber weiterhin in der Hand des Arztes liegen.

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in diesen Fällen führt immer wieder zu der Frage,ob Künstliche Intelligenz den Arzt ersetzen wird. Dies ist sicherlich (noch) nicht der Fall. Bestimmte diagnostische Methoden, wie zum Beispiel die Auswertung von bildgebenden Verfahren werden sicher in der Zukunft mit Künstlicher Intelligenz einfacher gelöst werden. Andererseits wird man zur Diagnose eines Herzinfarkts oder einer Gallenkolik sich nicht Künstlicher Intelligenz bedienen. Aber ganz ohne weitere Digitalisierung wird man in der Zukunft weder in der Klinik noch in der Praxis zurechtkommen. Unser Gesundheitsminister hat auch schon Vorstellung vom künftigen Verhältnis zwischen Arzt und Patient: derPatient wird immer noch den Arzt brauchen, aber keinen Arzt mit Karteikarten, Oder: die künstliche Intelligenz wird den Arzt nicht ersetzen, aber die Ärzte, die Künstliche Intelligenz einsetzen, werden die Ärzte mit Karteikarten ersetzen.