Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2019; 26(05): 193
DOI: 10.1055/a-0983-2045
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der nächste Schritt

Oliver Ullrich
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Publication Date:
17 October 2019 (online)

Forschung und Innovation waren von Beginn an mit der Aviatik verknüpft. Erfindungsgeist, technisches Geschick und Wagemut zeichneten die ersten Erfinder und Piloten aus. Mit ihnen begann die Luftfahrtgeschichte.

Inzwischen sind wir im Zeitalter der Raumfahrt angekommen und erleben eine nie dagewesene Mobilität. Der Horizont der Menschheit hat sich enorm geweitet; Luft und Raumfahrt entwickeln sich mit rasanter Geschwindigkeit. Noch 1895 galten Flugmaschinen, die schwerer als Luft sind, als ein Ding der Unmöglichkeit, 10 Jahre später erhoben sich diese „unmöglichen“ Flugmaschinen bereits planmäßig in die Luft. 1957 – im Jahr von Sputnik-1 – verkündete der Präsident der International Astronomical Union, dass es noch Generationen dauern werde, ehe ein Mensch auf dem Mond landet, mit geringer Hoffnung auf eine sichere Rückkehr. Schon 12 Jahre später landeten Menschen auf dem Mond. In nur 2 Generationen hat es die Menschheit geschafft, sich nicht nur in die Luft, sondern auch in das Weltall und auf einen anderen Himmelskörper zu bewegen. Heute erkunden Raumsonden das Sonnensystem und der Mensch könnte eines Tages folgen.

Luft- und Raumfahrt waren und sind ein Magnet für Visionäre, Neugierige und Mutige. Sie gehören zu den wichtigsten Triebkräften für Forschung, Technik und Innovation, liefern eine hohe Wertschöpfung und spielen für jede moderne Volkswirtschaft eine wichtige Rolle. Das wird in Zukunft noch ausgeprägter sein: Digitalisierung, autonomes Fliegen, neue Erdbeobachtungstechnologien, Entdeckung und Nutzung des Weltraums als Werkstatt für Forschung, Entwicklung und Produktion sowie Missionen zur Erkundung des Sonnensystems und Erforschung des Universums sind Aufgaben, für die ein Land gut gerüstet sein sollte.

Im November 2016 erklärte Prof. Jan Wörner, Generaldirektor der ESA, seine Vision von „Space 4.0“: Die kommende Ära der Öffnung und Kooperation in der Raumfahrt, mit neuem Wissen, neuem Wachstum, neuen Werkzeugen und neuer Inspiration. Im alten „Space 3.0“ war die Raumfahrt weitgehend durch die Interessen der nationalen Raumfahrtagenturen geprägt, im „Space 4.0“ erleben wir eine rasante Veränderung der Raumfahrt zu mehr Raumfahrtakteuren, privaten Investoren, neuen Anwendungen und neuen Technologien. Die Zeiten des „Old Space“, als Raumfahrt durch große Behörden und mit überbordender Bürokratie gesteuert wurde, als Raumfahrt noch als teuer, elitär und ohne irdischen Nutzen galt, werden bald vorbei sein. Die Liberalisierung der Raumfahrt im New Space wird Forschungs- und kommerzielle Aktivitäten im Weltall deutlich günstiger, einfacher und zugänglicher machen. Das Weltall wird immer mehr zur Werkstatt, einem Ort für Forschung und Entwicklung und zu einem selbstverständlichen Ziel menschlicher Mobilität. Der Mensch erweitert seinen Wirkungsraum und seinen Horizont in das Weltall hinein. Dafür braucht es Neugierde, Wissen, Leistung, unternehmerischem Mut und Freiheit. Und es braucht das Bewusstsein, dass große Ziele nicht ohne Risiko, Durchhaltewillen, Selbstkritik, Demut und der Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen, erreichbar sind. Denn am Ende geht es nicht um den Einzelnen, am Ende geht es um den Menschen. Das haben uns Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins eindrücklich gelehrt, vor genau 50 Jahren, als sie sich als erste zu einem anderen Himmelskörper auf den Weg machten – für die gesamte Menschheit.