Der Klinikarzt 2019; 48(11): 500
DOI: 10.1055/a-1032-7940
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Deutsche Krebsmedizin: Kein Grund, sich auszuruhen

Günther J. Wiedemann
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Publication Date:
22 November 2019 (online)

Deutschland, das Land von Ferdinand Sauerbruch und Wilhelm Conrad Röntgen und eines der reichsten Länder der Erde, muss den Anspruch haben, in der Medizin international in der Spitzengruppe mitzuspielen. Dies gilt besonders für die Krebsmedizin, denn 90 % aller Krebsheilungen gehen auf die Chirurgie aller Fächer und auf die Strahlentherapie zurück (Statistisches Bundesamt, Zeitraum 2011–2012, 5-Jahres-Überlebensraten; 80–90 % der Geheilten waren operiert und 50–60 % der Geheilten waren strahlentherapiert worden).

In der CONCORD-3-Analyse des 5-Jahres-Überlebens von 37 513 025 Krebspatienten (Erwachsene und Kinder) mit 18 verschiedenen Krebsdiagnosen aus 322 Krebszentren in 71 Ländern [1] steht Deutschland überwiegend im oberen Drittel, aber erreicht keineswegs die Länder der Spitzengruppe mit USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Finnland, Island, Norwegen und Schweden.

Im weltweiten Maßstab besonders gute 5-Jahres-Überlebensraten erreicht Deutschland beim malignen Melanom (93,1 %), Brustkrebs (86 %), Prostatakrebs (91,6 %) und Leukämien bei Erwachsenen (54,9 %).

Kritiker dieser weltgrößten Analyse führen an, dass die Zahlen veraltet seien. Tatsächlich wurden die 5-Jahresüberlebensraten in den Jahren 2010–2014 ausgewertet. Auch die „aktuellsten“ 5-Jahres-Überlebensraten der Krebserkrankungen in Deutschland, die vom Robert Koch-Institut berechnet werden, sind von 2014. Werden aktuellere Daten, zum Beispiel von 2018, benötigt, hilft das European Cancer Information System weiter (ECIS; https://ecis.jrc.ec.europa.eu).

Im Jahr 2018 erkrankten demzufolge in Deutschland 531 470 Frauen und Männer neu an Krebs (283 711 Männer und 247 759 Frauen). Im Jahr 2016 waren es deutlich weniger: 482 470. Die von den Bevölkerungsepidemiologen prognostizierte deutliche Zunahme von Krebserkrankungen (Stichwort: Krebs ist eine Alterskrankheit und Ältere nehmen bezogen zur Gesamtbevölkerung überdurchschnittlich zu) ist also eingetreten. Zur Effektivität der Krebsbehandlung in den Jahren 2015–2018 ist derzeit nichts bekannt, aber ECIS publiziert Inzidenz und Mortalität bei verschiedenen Krebsentitäten im Jahr 2018. Dies mag für grobe Schätzungen der Krebsbehandlungseffektivität einen gewissen Nutzen haben.

Im Folgenden werden Inzidenz und Mortalität (in der Klammer) einiger Krebserkrankungen in Deutschland im Jahr 2018 gegenübergestellt: Prostatakrebs 62 641 (15 839), Brustkrebs 71 888 (19 376), Kolonkarzinom 36 956 (17 827), Rektumkarzinom 18 644 (8 931), Pankreaskarzinom 19 067 (19 144), Magenkarzinom 14 173 (9 480), Leberkarzinom 8 883 (8 643), Gallenblase 4 328 (4 199). Diese Zahlen, die einen indirekten Hinweis darauf geben, dass die Heilungserfolge bei Krebs sehr zu wünschen übrig lassen, sowie die Aussage von Claudia Allemani im Lancet: „Die kontinuierliche Beobachtung der globalen Trends beim Überleben von Krebserkrankungen ist von entscheidender Bedeutung, um die allgemeine Wirksamkeit von Gesundheitssystemen weltweit zu bewerten und politischen Entscheidungsträgern dabei zu helfen, bessere Strategien zur Krebsbekämpfung zu planen“, mögen den Lesern des klinikarzt entscheidende Motivation zur Auseinandersetzung mit den Standard changing News führender Krebsbehandler geben.

 
  • Literatur

  • 1 Allemani C, Matsuda T, Di Carlo V. et al Global surveillance of trends n cancer survival 2000-14 (CONCORD-3): analysis of individual records for 37 513 025 patients diagnosed with one of 18 cancers from 322 population-based registries in 71 countries. Lancet 2018; 391: 1023-1075 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29395269